Warum Stada in den Arzneimarkt mit Cannabis investiert

Anders Fogstrup, Geschäftsführer von Stadapharm, spricht im Interview über Chancen und Hürden auf dem Markt für medizinisches Cannabis.
Cannabis als Arznei: "Selbst bei Ärzten ist es nicht immer als medizinisches Produkt anerkannt, obwohl Tausende es schon verschreiben." (© Stada)

Stada ist bisher das einzige große deutsche Pharmaunternehmen, das sich auf den Markt für Medizinalcannabis wagt. Warum?

ANDERS FOGSTRUP: Innerhalb des Konzerns ist Stadapharm für den Bereich der Spezialpharmazeutika zuständig. Medizinisches Cannabis ist ein gutes Beispiel für die Weiterentwicklung unseres Unternehmens in diesem Bereich. Wir schauen beständig, wie wir unsere Patienten noch besser versorgen können. Daher beobachten wir den Markt für Cannabis schon seit einiger Zeit. 2020 haben wir entschieden, dass es Zeit zum Einstieg ist. Der Umsatz wächst von Jahr zu Jahr, die Akzeptanz bei Ärzten und Schmerzpatienten auch.

Als der Markt 2017 liberalisiert wurde, herrschte Goldgräberstimmung. Inzwischen fallen die Prognosen nüchterner aus.

Damals sind viele Unternehmer eingestiegen, die nicht aus dem Pharma-Bereich kamen. Nicht alle waren auf die Bedingungen vorbereitet. Cannabis ist ja kein Freizeitprodukt. Es gibt strenge Regulierungen, die Lieferkette ist komplex. Ärzte und Patienten von einer neuen Therapie zu überzeugen, dauert seine Zeit. Also: Nicht der Markt ist überschätzt, Newcomer haben die Hürden unterschätzt.

Stada stellt ein breites Produktportfolio in Aussicht. Heißt was?

Gestartet sind wir im Mai mit fünf Blütenprodukten und drei Extrakten. Das werden wir laufend erweitern, weil jeder Patient anders reagiert. Im Laufe der nächsten Jahre könnten wir durchaus noch mehr Produkte im Portfolio haben.

Haben Sie keine Angst um Ihre Marke?

Nein, im Gegenteil. Wir kümmern uns um Patienten, für die es kaum eine alternative Therapie gibt – Cannabis wird in der Regel eingesetzt, wenn kein anderes Schmerzmittel effektiv hilft. Unser Name Stada steht für „Standardarzneimittel deutscher Apotheker“. Der Anspruch ist, dass Patienten, Ärzte und Apotheken alles bei uns finden, was sie brauchen. Das ist unsere DNA seit 125 Jahren.


Stadapharm-Chef Fogstrup: „Cannabis ist kein Freizeitprodukt. Es gibt strenge Regulierungen, die Lieferkette ist komplex.“

Stellen Sie sich auf weitere große Wettbewerber ein?

Ja, sicher. So ist das oft: Wenn die Goldgräberstimmung vorüber ist, kommen die seriösen Spieler. Und das ist auch gut so. Es ist kein Verdrängungs-, sondern ein Wachstumsmarkt, und es bringt Vorteile, ihn gemeinsam zu ent­wickeln. Allerdings braucht man einen langen Atem. Wer jetzt einsteigt, wird in den ersten Jahren kein Geld verdienen. Langfristig aber wird medizinisches Cannabis eine etablierte Therapie werden.

Mit einer Investition in welcher Höhe rechnen Sie?

Sie ist signifikant. Mehr sage ich nicht.

Haben Sie auch den internationalen Markt im Blick?

Wir konzentrieren uns auf Deutschland. Wenn wir erfolgreich sind, schauen wir auch über die Grenzen. Voraussetzung ist, dass die Therapie mit Medizinalcannabis zugelassen ist und die Krankenkassen die Therapie vergüten.

Cannabisprodukte gelten derzeit als relativ teuer.

Das stimmt, wenn man sie mit herkömmlichen Medikamenten wie zum Beispiel starken Schmerzmitteln vergleicht, die ausentwickelt sind und in großen Mengen hergestellt werden.

Cannabis ist ein Naturprodukt, der Anbau ist komplex, es gibt noch keine Skaleneffekte. Wenn der Markt weiter wächst, werden die Preise tendenziell sinken.

Worin liegt die größte Hürde für eine breitere Akzeptanz? Im Stigma eines lange illegalen Produkts?

Ja, selbst bei Ärzten ist es nicht immer als medizinisches Produkt anerkannt, obwohl Tausende es schon verschreiben. Daran müssen wir arbeiten.

Wie lässt sich so ein Produkt effektiv bewerben?

Für verschreibungspflichtige Medikamente dürfen wir laut Gesetz bei den Patienten nicht werben. Der Weg führt über Aufklärungsarbeit bei Ärzten und Krankenkassen. Mit den Krankenkassen führen wir Gespräche. Die Ärzte klären wir über unseren medizinischen Außendienst auf, Praxis für Praxis. Das ist manchmal harte Arbeit, schon weil das Thema Cannabis bei älteren Ärzten nicht im Studium stattgefunden hat. Wir werden auch Fortbildungen anbieten: Schulungen, Symposien, Kongresse.

Vielleicht in den Niederlanden, mit der Möglichkeit zum Selbstversuch?

Moment, was dort in Coffeeshops verkauft wird, ist etwas vollkommen anderes als unser medizinisches Produkt. Dessen Anbau ist streng reguliert und kontrolliert, mit genauen Vorgaben der Aufsichtsbehörden und standardisierter Wirkstoffkonzentration. Wir bedienen uns gewiss nicht bei den gleichen Lieferanten wie ein holländischer Coffeeshop-Betreiber oder Schwarzmarkthändler. Abgesehen davon ist der Freizeitkonsum von Cannabis auch in Holland illegal. Er wird nur geduldet.

Das Interview erschien zuerst im Printmagazin der absatzwirtschaft, das Sie hier abonnieren können.

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.