KI im Recruiting: Mit gesundem Menschenverstand

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim Anwerben neuer Mitarbeiter*innen kann Unternehmen viel Zeit und Arbeit ersparen. Expert*innen sehen in ihr ein hilfreiches Tool, aber keinen Ersatz für den menschlichen Blick.
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KI kann immer nur ein ergänzendes Element sein. (© Adobe Stock)

Das Ergebnis war ernüchternd. Katharina Zweig und ihr Team testeten kürzlich ein KI-Recruiting-System für einen Kunden. Das Ergebnis war wenig hilfreich. Die Software versprach, automatisch ein „Skillprofil“ aus den Lebensläufen von Kandidaten zu erstellen. Dieses sollte dann mit Jobprofilen abgeglichen werden, erklärte die Professorin der Technischen Universität Karlsruhe im Fachbereich Informatik. „In Wirklichkeit wurden im Wesentlichen nur die prominenten Wörter aus dem Lebenslauf gezählt und im Skillprofil gelistet.“ Das Resultat: „Eine erfahrene Fachkraft im Recruiting wurde für Studierendenpraktika vorgeschlagen, weil in ihrem Lebenslauf drei solche Praktika genannt wurden“, bemängelt Zweig.  

Die Erwartungen an KI im Re­cruiting sind hoch – vielleicht sogar zu hoch. Einer aktuellen Studie von Stepstone zufolge rechnen 67 Prozent der Befragten mit einer Reduzierung der manuellen Tätigkeiten und der Time to Hire. Und 55 Prozent erwarten mehr Effizienz für Bewerber*innen im Bewerbungsprozess. Mehr als jede*r fünfte bis sechste Befragte schätzt den Einsatz von KI im Sourcing, Screening sowie in Planung und Koordinierung als hilfreich ein (siehe Grafik).    

Um die Vorteile Künstlicher Intelligenz im Recruiting zu nutzen, ist allerdings Vorarbeit notwendig – und mitunter auch eine komplexere Softwarelösung als die eingangs beschriebene. „Los geht es mit der Bedarfsanalyse“, sagt Julian Herzog, Managing Director des Berliner Unternehmens Talentwunder, das Softwarelösungen für den Recruiting-Prozess entwickelt. „Das Unternehmen sollte sich fragen, welche Probleme oder Engpässe durch KI gelöst werden sollen.“

Braucht es nur eine Art grobe Vorsortierung der Bewerbungen anhand gewisser Stichwörter oder sind die Anforderungen im Anwerbeverfahren spezifischer?  

KI kann Routine

Hat sich das Unternehmen gemeinsam mit externen Fachberatern für eine Software entschieden, geht es an die Mitarbeiter*innenschulung. „Nehmen Sie sich die Zeit, Ihr Team in der Nutzung der neuen Tools auszubilden, und kommunizieren Sie klar die Vorteile und Grenzen der Technologie“, rät Herzog. Am Ende des Prozesses steht eine ausführliche Evaluierung. Nur wenn sich nach eingehender Analyse herausstellt, dass die KI den Menschen in genau diesem Unternehmen beim Suchen und Anwerben neuer Mitarbeiter*innen effektiv Arbeit abnimmt und nicht womöglich zusätzliche schafft, sollte sie langfristig zum Einsatz kommen. 

Wer sich an diesen Fahrplan hält, kann enorm profitieren, sagt der IT-Experte. „KI kann den Re­cruiting-Prozess beschleunigen, indem sie Routineaufgaben automatisiert und so den Personaler*innen mehr Zeit für strategische Entscheidungen gibt. Durch den Einsatz von Algorithmen können KI-Systeme Muster erkennen, die dem menschlichen Auge oft entgehen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, die*den richtige*n Kandidatin oder Kandidaten zu finden.“ Zudem seien KI-Systeme problemlos skalierbar, was insbesondere für schnell wachsende Unternehmen von Vorteil sei. „Zu guter Letzt ermöglicht es die KI, Entscheidungen auf der Grundlage von Daten und nicht von Spekulationen zu treffen, was die Qualität der Rekrutierung verbessert.“ 

Datenbasis entscheidet

Dennoch – im aktuellen Hype um Künstliche Intelligenz geht schnell unter, was jede Anwendung braucht, um gute Ergebnisse zu liefern: die passenden Daten. Expertin Zweig warnt beispielsweise vor Daten, die mit Vorurteilen behaftet sind: „Das System wird die Muster darin lernen. Es wird zum Beispiel Frauen als für Technikberufe ungeeignet halten und Männer nicht für Kranken- oder Altenpflegepositionen vorschlagen.“ Auch müsse überprüft werden, ob Daten, die weltweit gesammelt worden sind, sinnvoll in Deutschland nutzbar seien. „Schließlich funktioniert das deutsche Ausbildungssystem deutlich anders als das in vielen anderen Ländern“, so die Expertin. Auch Herzog betont, dass der Wert der KI mit den verwendeten Daten steht und fällt. „Schlechte Daten führen zu schlechten Entscheidungen. Die Daten müssen also sauber, aktuell und relevant sein.“  

Außerdem kann KI immer nur ein ergänzendes Element sein. In zentralen Aspekten sollten sich die Mitarbeiter*innen in den Personalabteilungen auf etwas verlassen, das sich mit einer Künstlichen Intelligenz immer nur imitieren lässt: ihren gesunden Menschenverstand. „Eine KI kann vorsortieren, sie kann Kandidaten mit Doktortiteln, Auslandsaufenthalten oder einer bestimmten Menge an Berufserfahrung heraussuchen, aber sie kann nie ein persönliches Gespräch ersetzen“, betont Herzog. Da sich auch die Zusammenarbeit im zwischenmenschlichen Bereich und nicht in Daten-Clouds abspielt, muss es insbesondere hier zwischen Unternehmen und Bewerber*in passen. 

Vor allem zwei Aspekte sind daher vor einer möglichen Anschaffung einer Künstlichen Intelligenz zentral: Der Einsatz von KI ist kein Selbstzweck, sondern sollte immer einer Effizienzprüfung unterliegen. Und er sollte unter Anleitung von Menschen geschehen, die etwas von der komplexen und häufig durchaus kostspieligen Technik verstehen. Sonst ergeht es vielen Unternehmern und CEOs wie dem Kunden von Universitätsprofessorin Katharina Zweig und ihrem Team: „Er war überrascht, dass es hier weniger intelligent zuging, als es vorher den Anschein hatte, und die Maschine nur eine grobe Kategorisierung leisten kann. Am Ende muss halt weiterhin der Mensch entscheiden.“