Hugo-Boss-Interimschef: Drei Erkenntnisse aus der Corona-Krise

In unserer Serie "Marke post Corona: Learnings aus der Krise" berichten Unternehmens- und Marketingverantwortliche über ihre Erfahrungen und Lehren aus der Corona-Zeit. In Folge 3 erklärt Hugo-Boss-Interimschef Yves Müller, wie der Modekonzern seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wurde.
Yves Müller: "Wir haben unsere Expertise eingesetzt und Atemmasken sowie Schutzanzüge selbst gefertigt und an gemeinnützige Einrichtungen gespendet." (© Hugo Boss)

Von Yves Müller

Wer hätte noch im letzten Jahr gedacht, dass ein Virus einmal ganze Nationen und Gesundheitssysteme lahmlegen würde? Bis dahin kannte man derartige Szenarien lediglich aus Hollywood-Produktionen. Dennoch haben wir nun real erleben müssen, wie fundamental ein Virus Wirtschaft und Gesellschaft verändern kann.


Vita: Yves Müller

Seit Dezember 2017 trägt Yves Müller als Vorstandsmitglied bei Hugo Boss die Verantwortung unter anderem für die Bereiche Controlling, Finanzen und Steuern sowie IT, Legal und Human Resources. Von 15. Juli 2020 bis 1. Juni 2021 übernimmt er zudem übergangweise den Vorstandsvorsitz, bis der neue CEO Daniel Grieder seinen Job antritt.

Der studierte Betriebswirt wurde 1969 in Lüneburg geboren und begann seine berufliche Laufbahn bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen & Co. in Hamburg. 1999 wechselte er zur Tchibo GmbH. Dort übernahm er die Leitung des Finanz­ und Rechnungswesens und wurde 2006 CFO.


Inzwischen bewegt sich die Welt langsam wieder zurück in Richtung Normalität – trotz lokaler Infektionsherde. Es ist also an der Zeit zu fragen, welche Lehren Unternehmen aus der Krise der vergangenen Monate ziehen können. Und was wir konkret bei Hugo Boss daraus abgeleitet haben, denn als Modeunternehmen stehen wir für Trends und Zeitgeist.

Krisen verlangen eine Haltung

Die erste Erkenntnis ist eine ganz grundsätzliche: Krisen verlangen eine Haltung. Gerade in schwierigen Zeiten wie der Corona-Pandemie gehört es zur unternehmerischen Verantwortung, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter, Kunden und Partner an die erste Stelle zu setzen. Jedes Zögern kann Leben gefährden und damit die Reputation eines Unternehmens und letztlich auch den Markenkern beschädigen.

So war die vorübergehende Schließung unserer Stores für uns unabdingbar. Zeitweise waren über drei Viertel unserer Geschäfte geschlossen. Dass dies die finanzielle Entwicklung von Hugo Boss – zumindest kurzfristig – belastet, steht außer Frage. Dennoch war dieser Schritt alternativlos. Glücklicherweise befindet sich Hugo Boss in einer sehr soliden bilanziellen Situation.

Das Engagement von Unternehmen sollte jedoch nicht vor der eigenen Haustür enden. Viele von ihnen haben in den letzten Monaten gesellschaftliche Verantwortung übernommen – trotz oder gerade wegen der schwierigen Lage. Auch das gehört zu einer Haltung. Ein fairer Umgang mit unseren externen Partnern war uns dabei sehr wichtig. Darüber hinaus haben wir unsere Expertise eingesetzt und Atemmasken sowie Schutzanzüge selbst gefertigt und an gemeinnützige Einrichtungen gespendet.

Digitalisierung entscheidet über langfristigen Erfolg

Die zweite Erkenntnis: Digitalisierung ist wichtiger denn je. Das bestätigen all jene Unternehmen, die Digitalisierung längst als einen wichtigen Pfeiler ihrer Strategie betrachten.

Für uns stand schon vor Corona fest, dass die Digitalisierung – und damit agile, schnelle Entscheidungen von der Produktentwicklung bis zum Vertrieb – über unseren langfristigen Erfolg entscheiden werden. Derzeit entwickeln wir schon rund 40 Prozent der Styles unserer Hugo-Kollektionen digital. Diesen Anteil wollen wir weiter erhöhen und auch bei der Marke Boss vorantreiben. In der Produktion konzentrieren wir uns auf die digitale Transformation unseres größten eigenen Werks in der Türkei. Und unser digitaler Showroom bietet unseren Partnern im Großhandel schon jetzt einen unkomplizierten Bestellvorgang.

Besonders wichtig ist uns die Digitalisierung mit Blick auf unseren eigenen Einzelhandel. Bisher konnten Endkunden in 15 wichtigen Märkten weltweit – darunter die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und China – über die hugoboss.com das gesamte Sortiment von Boss und Hugo einkaufen. Im Juni haben wir nun 22 weitere Onlinemärkte erschlossen. Ausgebaut wird auch das Online-Konzessionsmodell, bei dem Hugo Boss seine Kunden über die Websites von Partnern direkt anspricht. Zalando in Europa sowie Tmall und JD.com in Asien sind nur einige Beispiele hierfür.

Diversity und Nachhaltigkeit nicht vergessen

Die Corona-Krise hält aber noch eine dritte Einsicht bereit: Andere Herausforderungen dürfen nicht auf der Strecke bleiben. Keine Frage, die Situation ist sehr ernst. Aber es wird auch noch eine Zeit nach Corona geben. Deshalb dürfen Themen wie Diversity oder Nachhaltigkeit nicht in den Hintergrund treten. Sie sind und bleiben zentrale Bestandteile unserer Unternehmensstrategie. Bei Hugo Boss wird Vielfalt gelebt und unsere Unternehmenskultur ist offen und wertschätzend. Mir als Arbeitsdirektor liegt dieses Thema besonders am Herzen und so setze ich mich für entsprechende Prozesse und interne Funktionen ein, um die globale Diversity- und Inklusionsstrategie weiter auszubauen.

Auch unsere Nachhaltigkeitsinitiativen sind zahlreich – etwa, wenn wir unseren wichtigsten Rohstoff, die Baumwolle, bis zum Jahr 2025 zu 100 Prozent aus nachhaltigen Quellen beziehen wollen, oder wenn wir in der „Traceable Wool“ Kollektion eine lückenlose Rückverfolgung der Wertschöpfungskette eines Kleidungsstücks bieten. Heute zählt Hugo Boss gemäß des renommierten Dow Jones Sustainability Index zu den fünf nachhaltigsten Unternehmen seiner Branche. Auch dies ist letztlich das Ergebnis einer Haltung.

Aus der Corona-Krise lassen sich also ganz unterschiedliche Erkenntnisse ableiten. Die wichtigste ist jedoch: Persönliche und gesellschaftliche Werte erhalten eine ganz neue Dimension. Diese fundamentalen Veränderungen haben sich innerhalb kürzester Zeit vollzogen. Wollen Unternehmen ein relevanter Bestandteil von Wirtschaft und Gesellschaft bleiben, so ist es unabdingbar, sich diese Werte zu eigen zu machen und sich entsprechend auszurichten.

Serie „Marke post Corona: Learnings aus der Krise“

Folge 1: Hornbach-Marketingchef: Machen hilft gegen den Lagerkoller
Folge 2: Schöffel-Marketingchef: Aus „Ich bin raus“ wurde „Ich bleib drin“

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