Der digitale Euro: Chance oder Risiko für Online-Shops?

Der digitale Euro als Ergänzung zum Bargeld rückt näher. Die Europäische Zentralbank hat dazu eine zweijährige Testphase eingeleitet. Was die Einführung der Währung für Verbraucher*innen und Online-Shops bedeuten würde.
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Die EU will sich mit der neuen Zahlungsalternative unabhängiger von außereuropäischen Tech-Unternehmen machen. (© Unsplash)

Die europäischen Währungshüter treiben die Entwicklung eines digitalen Euros als Ergänzung zum Bargeld weiter voran. Die Vorbereitungsphase hat am 1. November begonnen und soll nun zunächst zwei Jahre dauern. Danach entscheidet der EZB-Rat über die Einführung. In dieser Phase wird das Regelwerk fertiggestellt und Anbieter für die Plattform und Infrastruktur ausgewählt. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betont, dass der digitale Euro eine kostenlose digitale Form des Bargelds mit höchsten Datenschutzstandards sein soll.

Vorbereitungen für die digitale Bezahlvariante laufen bereits seit einiger Zeit, und die EU-Kommission hat im Juni 2023 Vorschläge für einen Rechtsrahmen vorgelegt. Nach Einschätzung von Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz könnte es jedoch noch mindestens vier bis fünf Jahre dauern, bis ein digitaler Euro marktreif ist. Die Einführung würde es Banken ermöglichen, den digitalen Euro wie Bargeld zu beziehen, und Verbraucher könnten ihn in digitalen Geldbörsen gutgeschrieben bekommen, um rund um die Uhr per Smartphone damit zu bezahlen. Der digitale Euro soll den dominierenden privaten Anbietern aus den USA ein europäisches digitales Bezahlangebot entgegensetzen, wobei die EZB die Stabilität gewährleisten würde.

Online-Shops könnten profitieren

Auch wenn die tatsächliche Einführung des digitalen Euros bisher noch Zukunftsmusik ist, können sich heute bereits viele Verbraucher*innen vorstellen, damit zu bezahlen. Laut einer YouGov-Umfrage gab jeder Fünfte der Befragten an, den digitalen Euro täglich (8 Prozent) oder zwei bis drei Mal pro Woche (12 Prozent) nutzen zu wollen.

Tatsächlich hält der Experte Philipp Sandner, Professor an der Frankfurt School of Finance and Management die Benefits für Verbraucher*innen für überschaubar. „Wir haben heute schon tolle elektronische Zahlungsmöglichkeiten. Ob da nun noch eine dazukäme, wäre aus Kundensicht nicht allzu relevant“, sagt der Experte im Gespräch mit der absatzwirtschaft.

Interessanter sei die Einführung eines digitalen Euros für E-Commerce-Anbieter. Die Gebühren, die bei Transaktionen etwa über Klarna, PayPal oder auch bei Zahlungen mit einer Kreditkarte für Händler anfallen, würden bei Zahlungen mit dem digitalen Euro vermutlich wesentlich geringer ausfallen. Das würde auch bedeuten, dass mehr Wettbewerb in diesen Zahlungsbereich kommen würde. Kaufen Kund*innen künftig in Online-Shops mit dem digitalen Euro ein, würde dem E-Commerce-Anbieter eine höhere Marge verbleiben, so der Experte.

Der Stablecoin als Alternative zum digitalen Euro?

Bei so guten Aussichten für Online-Shops stellt sich die Frage, ob diese sich bereits jetzt auf die Einführung des digitalen Euro vorbereiten könnten. An dieser Stelle rät der Experte jedoch zur Geduld. Zwar sei nun eine Testphase gestartet und es sei auch relativ sicher, dass ein digitaler Euro kommt. Jedoch sei die tatsächliche Einführung momentan noch nicht greifbar. Vor allem wisse man noch nichts Konkretes über die genaue Ausgestaltung dieser künftigen Zahlungsmethode. „Was aber schon sinnvoll sein kann, dass man sich bei PayPal beispielsweise mal mit dem dortigen Stablecoin beschäftigt.“

Der Stablecoin ist eine spezielle Variante des digitalen Euros , die bisher für den US-Dollar schon existiert und seit Jahren funktioniert. Anders als der digitale Euro werden Stablecoin von Banken herausgegeben und laufen auf Blockchain-Basis. Laut Sandner könnte ein Stablecoin als Zahlungsmöglichkeit schon im Jahr 2025 in den deutschen Markt eingeführt werden, der digitale Euro hingegen erst ab 2026 oder 2028. „Gerade für Leute die kryptowährungsaffin sind, wäre das durchaus ein interessanter Zahlungsmechanismus“, sagt Sandner. Auch für Online-Shops würde es durchaus Sinn machen, sich im kommenden Jahr einmal damit zu beschäftigen, ob das Thema Euro-Stablecoin eine Alternative zu den bereits existierenden Zahlungsmethoden wäre. Daher beschäftigt sich auch PayPal aktuell bereits mit Stablecoins. Laut Sandner gäbe es auch in Deutschland bereits Verhandlungen zum Thema. „Es sind einzelne Projekte von Banken oder Finanzintermediären, nicht von der EZB. Kleine Projekte. Aber diese Projekte kommen. Aber ob Händler diesen dann nutzen, ist eher unwahrscheinlich.“

Das Aus für Klarna & Co?

Würde ein Stablecoin oder eben der digitale Euro das Aus für Zahlungsanbieter wie etwas Klarna bedeuten? Laut dem Experten ist dies schwierig vorherzusehen. „Letztendlich käme mit dem Stablecoin oder dem digitalen Euro der EZB in den Markt für Zahlungsanbieter ein sehr mächtiger Player mit hinein.“ Sandner hält es durchaus für möglich, dass dadurch nicht nur der Wettbewerb verschärft würde, sondern auch andere Zahlungsanbieter schlicht nicht mehr gebraucht werden würden.

Verbraucher*innen hingegen bräuchten sich laut dem Experten keine Gedanken über Risiken zu machen. Zwar sollte eine gewisse Skepsis bewahrt werden, ob Transaktionen mit dem digitalen Euro tatsächlich so anonym sein werden, wie von der EZB angekündigt. Jedoch soll die Wahrung der Privatsphäre über die EU-Kommission gesetzlich geregelt werden.

Unterm Strich lässt sich sagen, dass von der Einführung des digitalen Euro vor allem Onlineshops und Verbraucher*innen profitieren könnten. Er wäre sicher, einfach und sowohl mit als auch ohne Internetverbindung zu verwenden. Da er auch Menschen, die kein Konto bei einer Bank besitzen, zustehen würde, würde er zudem die finanzielle Inklusion im digitalen Bereich fördern. Für den Handel wäre er eine einfachere und kostengünstigere Alternative zur derzeit zerklüfteten Zahlungslandschaft. Gerade für den Onlinehandel könnte eine sichere, einfache und anonyme Bezahlmethode, in Form des digitalen Euros, zu mehr Geschäftsabschlüssen führen. Darüber hinaus würden Zahlungen mit dem digitalen Euro in Echtzeit auf dem Konto des Onlinehändlers eingehen und sie wären ohne zusätzliche Kosten für diesen möglich.

Doch auch wenn Onlineshops nun aufgrund dieser positiven Aussichten gewillt sind, sich bereits jetzt auf die Einführung des digitalen Euro vorzubereiten, rät der Experte zur Geduld. Uns sollte bewusst sein, dass eine tatsächliche Einführung des digitalen Euros erst im Jahr 2028 realistisch ist. „Soll heißen: es ist wirklich noch eine ganze Weile hin. Wenn ich ein E-Commerce Anbieter wäre, würde ich mich zwar informieren, aber bevor ich eine Integration anstrebe, würde ich erstmal einmal noch abwarten, ehrlich gesagt.“

Anna Lena Hartmann (alh, Jahrgang 1997) ist seit August 2023 Werkstudentin bei der absatzwirtschaft. Im grünen Herzen Deutschlands aufgewaschen, lebt sie nun aufgrund ihres Germanistikstudiums in Leipzig. Zuvor verbrachte sie einige Jahre an der juristischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Ihr breites Wissens- und Interessenspektrum betrifft Themen wie Sport, Wirtschaft, Lifestyle und Gesundheit.