Wenn KI die Fotos macht

Bildmaterial, das von Algorithmen erstellt wird, ist ein heißes Thema fürs Marketing. Was lässt sich unbedenklich verwenden, wo lauern Risiken? Ein Wegweiser für die Praxis.
KI-generierte Bilder iStock
Der neue KI-Generator von iStock verspricht, eine rechtlich sichere kommerzielle Nutzung der generierten Bilder. (© iStock)

Wie verbreitet ist der Einsatz synthetischer Medien im Marketing? 

Genaue Zahlen gibt es nicht, aber „das Interesse ist riesig“, sagt Matthias Nießner, Professor für Visual Computing an der TU München. Sparzwänge sind der eine, die Hoffnung auf unbeschränkte kreative Möglichkeiten der andere Grund. Viele Agenturen und Unternehmen experimentieren daher mit KI-Bildern und -Videos.  

Vor einer professionellen Verwendung synthetischer Medien jedoch, etwa in Werbekampagnen, schrecken renommierte Marken derzeit noch zurück. „In der hochwertigen Kommunikation wird es relativ wenig eingesetzt“, bestätigt Alexander Karst, Geschäftsführer des Hamburger Dienstleisters Die Bildbeschaffer. Die erste Euphorie sei bei den meisten Marketern gewichen. Das liegt vor allem an der unklaren Rechtslage. Einen Schub könnte der Markt durch einen neuen KI-Generator von iStock bekommen, der verspricht, dass das Material kommerziell sicher genutzt werden kann – dazu unten mehr. 

Weniger Vorbehalte gibt es gegenüber KI-gestützter Bildbearbeitung. Diese entwickeln neben etablierten Anbietern wie Photoshop auch Start-ups, zum Beispiel Photoroom, Neurapix oder Gigapixel. Viele Anwender*innen sehen offenbar keinen großen Unterschied zu anderen Retusche-Techniken, obwohl es auch hier rechtliche Probleme geben kann und das Fehlerpotenzial steigt. Gerald Staufer, CEO der Bildagentur Westend61, zeigt auf seinem LinkedIn-Account gern Ads, die daneben gingen. 

Wer profitiert davon? 

Eine KI kann im Nullkommanichts effektvolle Motive kreieren, die sich in der Realität nicht oder nur mit großem Aufwand produzieren ließen. Experte Nießner sieht darin vor allem Vorteile für kleine und mittlere Unternehmen: Mit Hilfe von KI könnten sie künftig Content generieren, den sich zuvor nur große, finanzstarke Player leisten konnten. „Es wird im Marketing demokratischer zugehen“, sagt er. 

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Je komplexer die Motive, desto länger und teurer die Generierung (©Andreas Schimanski, Yesweprompt)

Sind synthetische Bilder wirklich billiger? 

Im Prinzip ja, vor allem wenn es nicht so sehr auf den Inhalt ankommt. „Mit KI irgendein tolles Bild zu erstellen, ist einfach“, sagt Claudia Bußjaeger, Gründerin der Berliner Agentur Yesweprompt. Aber: „Die Kunst ist das Briefing. Schwierige Bilder brauchen Zeit.“ Unternehmen sollten sich fragen: Geht es eher um einen Wow-Effekt oder um ein komplexes Motiv, das möglichst präzise umgesetzt werden soll? Bußjaeger: „Je detaillierter und individueller die Anforderungen, desto aufwendiger wird es“ – und damit auch teurer, wenn externe Dienstleister involviert sind. KI-generiertes Material ist also nicht in jedem Fall das Nonplusultra. 

Für welche Motive eignen sich die Ergebnisse?  

Da meist unklar ist, mit welchen Daten die Maschinen trainiert worden sind, lassen sich sogenannte Drittrechtsverletzungen schwer ausschließen, etwa wenn virtuelle Models echten Personen täuschend ähnlich sehen. Deshalb: „Finger weg von Personenbildern und Markendarstellungen“, empfiehlt Sebastian Deubelli, Anwalt für Urheber und Medienrecht in Landshut. Juristisch unterscheidet sich die Problematik kaum von der bei Plattformen, die Fotos zum Gratis-Download anbieten – auch dort kann man nicht sicher sein, ob die Abgebildeten einverstanden sind. Mit vergleichsweise wenig Risiko lassen sich KI-generierte Bilder hingegen einsetzen, wenn Fantasiewelten gezeigt werden, Symbolbilder oder Grafiken, die auf eigenen Daten beruhen. 

KI-generierte Bilder
Von Personenbildern und Markendarstellungen sollte man aus rechtlicher Sicht die Finger lassen (©Andreas Schimanski, Yesweprompt)

Eine elegante Lösung hat das in London beheimatete Start-up Synthesia gefunden, das Lernvideos mittels KI generiert: Dort sind es Avatare, die Produkte erklären oder Vertriebler weiterbilden. Die Menschen, die für die Kunstfiguren Pate standen, würden honoriert, sagt TU-Professor Nießner, Mitgründer von Synthesia: „Wir haben uns sehr viele Gedanken gemacht, wie wir Rechtsunsicherheit ausschließen.“ Zu Synthesias Kunden gehören Konzerne wie Xerox oder Heineken, der Markt wächst rasant. Aus Nießners Sicht sind virtuelle Charaktere in Werbeclips der nächste logische Schritt. 

Gibt es Probleme mit dem Urheberrecht?  

Wie man’s nimmt. Ein ausschließlich durch KI erstelltes Bild ist nach Auffassung der meisten Jurist*innen nicht schutzfähig. Was im ersten Moment gut klingen mag, birgt ein Problem: Es können keine Nutzungsrechte eingeräumt werden und schon gar keine Exklusivität. „Unternehmen können nichts dagegen tun, wenn ein Wettbewerber das gleiche Foto nutzt oder jemand es von der Website klaut“, sagt Deubelli. Agenturen, die KI-Bilder anbieten, rät er zu Offenheit gegenüber Auftraggeber*innen und zu Verträgen, die diesen Content von der üblichen Rechteverwertung ausnehmen. 

Einen anderen Weg geht die Agentur Yesweprompt, die mit sogenannten KI-Künstler*innen zusammenarbeitet. Diese nehmen für sich in Anspruch, synthetische Vorlagen so zu gestalten, dass eigenständige Werke und damit auch Urheberrechte entstehen. Gepromptet wird laut Gründerin Claudia Bußjaeger auf separaten, nicht einsehbaren Servern, damit der Verlauf jederzeit nachweisbar ist.  

Welche Generatoren sind im Marketing besonders angesagt?  

Bislang gilt Midjourney als Branchenliebling. Auch Googles Generator „Imagen“ hat Fans. Seit diesem Januar ist die Software „Generative KI von iStock“ verfügbar, die zur US-Bildagentur Getty Images gehört; 100 Kreationen kosten 13,99 Euro. Laut Getty wurde sie „so entwickelt, dass sie die Generierung bekannter Produkte, Personen, Orte oder anderer urheberrechtlich geschützter Elemente verhindert“. Das Bildmaterial sei mit dem üblichen iStock-Rechtsschutz in Höhe von 10.000 Dollar gedeckt, Kund*innen werden „umfassende Nutzungsrechte“ versprochen.  

Auf die Nachfrage der absatzwirtschaft, wie diese Nutzungsrechte trotz der unklaren Rechtslage garantiert werden können, antwortet Grant Farhall, Chief Product Officer bei Getty Images und iStock: „Der KI-Generator von iStock wurde ausschließlich auf Basis genehmigter Inhalte der umfangreichen Kreativbibliothek von iStock trainiert. Das bedeutet, dass das Tool keine bekannten Personen, Orte, Marken oder andere durch geistige Eigentumsrechte geschützte Elemente kennt. Was wiederum bedeutet, dass niemand einem rechtlichen Risiko ausgesetzt ist, wenn er Bilder, die von unserem KI-Generator erstellt wurden, für die kommerzielle Nutzung verwendet.“ Das Recht der Kund*innen, neue Dateien zu generieren, beruhe auf einem Vertrag, „unabhängig davon, ob ein Urheberrecht an den Ergebnissen besteht“. 

Wie gehen kostenlose Bilddatenbanken mit KI-generiertem Bildmaterial um? 

Die Richtlinien von Unsplash und Pexels verbieten das Einreichen KI-generierter Inhalte, zur Durchsetzung des Verbots werden Detektoren eingesetzt. Schaffen es Bilder trotzdem in die Library und werden entdeckt, entfernen die Plattformen sie. Auf Nachfrage der absatzwirtschaft schreibt Pexels-COO Laura Stanley, dass sich das Unternehmen über die „unglaublichen Möglichkeiten“ von KI für Kreative bewusst sei. Aber: „Wir wollen uns Zeit nehmen, die mit KI-generierten Inhalten verbundenen Chancen und Risiken zu verstehen, und zusammen mit unserer Community über den besten Umgang damit entscheiden.“  

Werden professionelle Foto- und Videografen jetzt arbeitslos? 

Vor allem im Massengeschäft und in der Stockfotografie dürfte KI künftig einen beachtlichen Teil des Marktes übernehmen. Das gilt jedoch nicht für Bilder, bei denen Glaubwürdigkeit und Vor-Ort-Präsenz unerlässlich sind, seien es Events oder wichtige nachrichtenrelevante Ereignisse. Bildbeschaffer Karst glaubt auch nicht an ein Ende der Werbefotografie: „Marken werden Menschen auch in Zukunft echt und authentisch zeigen wollen. Aber genau das – Realität fotografieren – kann eine KI nicht.“ 

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.