Warum investiert die Marke Tchibo in E-Sports?

Tchibo testet im Marketing eine neue Plattform, um junge Zielgruppen anzusprechen: E-Sports. Im Gespräch mit absatzwirtschaft erklärt das 1949 gegründete Familienunternehmen die Hintergründe des Engagements.
E-Sports
FC Schalke 04 bei der LEC: Junge Zielgruppen im Fokus. (© Riot Games)

Seit Anfang Juni wirbt Tchibo als Partner der sogenannten „League of Legends European Championship“ (LEC). Dabei handelt es sich um eine erst 2019 gegründete Franchise-ähnliche Liga des US-amerikanischen Publishers Riot Games im Strategiespiel „League of Legends“ (LoL). In der LEC sind zehn Teams (gespielt wird mit je fünf Spielern) am Start. Darunter ist auch eine Mannschaft des Fußballclubs FC Schalke 04 – einer der Pioniere unter den 18 Bundesligisten, wenn es um das Thema E-Sports geht. Der Revierclub ist zugleich der einzige deutsche Proficlub, der millionenschwer auch in E-Sports-Spiele abseits von Sportsimulationen wie „Pro Evolution Soccer“ von Konami und „FIFA“ von EA Sports investiert.

Die Spiele in der LEC finden freitags und samstags vor Publikum in einem Studio in Berlin statt. Pro Spieltag schauten im ersten Saisonteil rund zwei Millionen Menschen auf den Streaming-Plattformen die Spiele. Dabei wurden teilweise durchschnittliche Reichweiten von bis zu 500.000 Zuschauern erzielt. Mit einem Wachstum von jährlich 30 Prozent gilt die LEC momentan als eine der am stärksten wachsenden E-Sports-Ligen weltweit.

Tchibo ist durch das nun geschlossene Engagement mit Riot Games der erste nationale Partner der LEC für die DACH-Region (Deutschland, Österreich und Schweiz). Im Fokus des Sponsorings steht die Kaffeemarke „Black & White“, das Engagement gilt für den Abschnitt der LEC-Sommersaison, die von Juni bis September läuft. Tchibo tritt im Rahmen der Partnerschaft vor, während und nach den Spielen in Erscheinung. Im Studio stehen gebrandete Möbel, genauso wie ein Kaffeevollautomat der Marke. Hinzu kommen Einblendungen bei den mehrstündigen Übertragungen der Spiele (siehe Bild unten).

Neben der Kaffeemarke werben weitere non-endemische, also E-Sports-fremde, Partner in der europäischen „LoL“-Liga – dazu zählen unter anderem der Haushaltsgerätehersteller Beko, die Sporthandelskette Foot Locker und das Mineralölunternehmen Shell.

„Intern war E-Sports wenig präsent“

Für viele Branchenbeobachter kam der Schritt von Tchibo, im E-Sports zu werben, mehr als überraschend. „Auch intern war das Thema E-Sports noch wenig präsent“, gibt Anne Scholl gegenüber absatzwirtschaft zu. Doch die Head of Marketing Roasted Coffee bei Tchibo hatte offenbar gute Argumente, die Führungsetage von einem E-Sports-Sponsoring zu überzeugen. Sie sagt: „Wir wollten neue Wege ausprobieren und raus aus den klassischen Kanälen.“ Mit der 2015 gelaunchten Marke „Black & White“ habe Tchibo das „passende Produkt für einen Aufschlag in der jungen Zielgruppe“ der E-Sports-Fans, die bei vielen Spielen grob zwischen 20 und 35 Jahren alt ist.

Aus Sicht von Tchibo passt das Sponsorship im E-Sports, und speziell im Spiel „League of Legends“, vor allem aus drei Gründen sehr gut zur Marke „Black & White“. Erstens aufgrund der angesprochenen jungen Zielgruppe. „Mit 18 bis 20 fangen junge Menschen an, Kaffee bewusst zu konsumieren. Sie befinden sich in einer Übergangsphase von der Schule hin zum Studium oder dem ersten Job. In dieser Zeit spielt Kaffee zum ersten Mal eine größere Rolle im Alltag – und damit auch bei der Kaufentscheidung“, sagt Marketingleiterin Scholl.

Zweitens ist ein natürlicher Produktfit gegeben, denn: E-Sportler müssen sich in der Regel über mehrere Stunden konzentrieren können, Müdigkeit mindert das Leistungsvermögen. Der schon vor dem E-Sports-Engagement von Tchibo für die Marke „Black & White“ ins Leben gerufene Slogan „Bist du wach?“ zahle laut Scholl „optimal“ auf die Anforderungen im E-Sports ein.

Und drittens sei E-Sports besonders aufgrund des Community-Gedankens eine sehr interessante Plattform.  „Der Team-Gedanke und die richtige Strategie spielen bei den Mannschaften eine große Rolle. E-Sports ist durch und durch ein Gemeinschaftserlebnis – und das passt sehr gut zu uns als demokratische Marke“, sagt Scholl.

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Tchibo: Weitere Partnerschaften im E-Sports?

Tchibo will sich bei dem Engagement im E-Sports zunächst auf ausgewählte Märkte konzentrieren, denn das Produkt ist nicht in allen Regionen erhältlich. Im Fokus stehen grundsätzlich Deutschland, Frankreich, Polen und Spanien. Ob das Unternehmen auch beim LEC-Saisonfinale Anfang September in Athen vor Ort dabei sein wird, steht noch nicht fest.

Ebenfalls unklar ist, ob und wie es nach diesem ersten Testballon für Tchibo im E-Sports weitergeht. Scholl sagt: „Das aktuelle LEC-Engagement ist für uns ein Lernprozess auf vielen Ebenen. Anschließend werden wir prüfen, ob daraus eine langfristige Partnerschaft erwachsen kann.“

Den formulierten Zielen folgend könnte für Tchibo neben einer Ausweitung der LEC-Partnerschaft auch ein großes E-Sports-Event auf deutschem Boden eine spannende Plattform darstellen. Am Hauptsitz in Hamburg findet in der Barclaycard-Arena Ende Oktober das Event „ESL One“ im Spiel „Dota 2“ statt. Dabei handelt es sich um ein Strategiespiel, das vom Modus sehr dem Spiel „League of Legends“ ähnelt. Im Jahr 2018 waren bei dem Turnierwochenende bereits die folgenden non-endemischen Marken präsent: Bitburger, Deutsche Post DHL, McDonald’s, Mercedes-Benz, Paysafecard, Pringles, SAP, Snipes und Vodafone.

Während E-Sports-Strategiespiele wie „League of Legends“ und „Dota 2“ für viele Sponsoren weniger problematisch scheinen, ist das bei First-Person-Shootern wie „Counter-Strike“ momentan häufig noch anders. Auch Tchibo sieht momentan augenscheinlich von einem Partner-Engagement in einem Shooter-Spiel ab.

Das E-Sports-Ecosystem im Überblick

Der E-Sports stellt den professionellen Teil der Gaming-Szene dar – und damit den Teil, der als Zuschauersport ausgeübt wird. Das E-Sports-Ecosystem umfasst dabei Marktteilnehmer, die in diversen kommerziellen Verbindungen zueinanderstehen. Dazu zählen Publisher und Spieleentwickler wie Activision Blizzard (Spiele u.a.: „Call of Duty“, „Hearthstone“, „Star Craft II“), Riot Games („League of Legends“) und Valve („Counter-Strike“, „Dota 2“) sowie Eventveranstalter wie die ESL, Teams und die E-Sportler selbst.

In den vergangenen Jahren hat sich der globale E-Sports zu einem riesigen Markt entwickelt. 2019 werden die weltweiten Erlöse laut dem Marktforscher Newzoo erstmals die Schwelle von einer Milliarde US-Dollar überschreiten. Dies entspricht einer Steigerung von 26,7 Prozent gegenüber dem Jahr 2018. Nordamerika ist mit 37,3 Prozent anteilig der größte Markt. Mit 897 Millionen US-Dollar (82 Prozent) machen die Bereiche Medienrechte, Werbung und Sponsoring den größten Teil der Erlöse im E-Sports aus.

Das größte absolute Wachstum eines Erlösbereichs gegenüber 2018 wird Newzoo zufolge im Sponsoring erzielt: Rund 457 Millionen US-Dollar werden demnach 2019 im globalen E-Sports-Sponsoring umgesetzt. Das sind 34,3 Prozent (rund 340 Millionen US-Dollar) mehr als noch im Vorjahr.

Angesichts der Marktprognosen ist sich auch Tchibo-Marketingleiterin Scholl sicher, dass die wirtschaftliche Entwicklung der noch jungen Entertainment-Plattform weiter positiv sein wird. Sie sagt: „E-Sports ist schon ein sehr bedeutendes Phänomen und wird noch deutlich zulegen.“

absatzwirtschaft Archiv: Artikel zu E-Sports

(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.