Von der Kunst loszulassen

Auch die modernste Technologie gehört irgendwann einmal zum alten Eisen, findet unsere Autorin.
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Isabelle Ewald ist Senior Consultant Technology Strategy bei der Otto Group und Co-Host des Crime- und Gesellschaftspodcasts „Mind the Tech“. (© privat, Montage: Olaf Heß)

Was ist klein, wendig, guckt einen mit großen Kulleraugen an und darf gefühlt auf keiner Tech-Konferenz und keinem größeren Branchenevent fehlen? Genau: Pepper. Der humanoide Roboter aus dem Hause SoftBank Robotics, der mit Menschen interagiert und – auf seine Weise – Emotionen ausdrücken kann. Es muss 2017 gewesen sein, als ich ihm das erste Mal in einem Showroom begegnet bin. Pepper machte gerade sein Ding (ein High Five geben), als ihm mit einem Mal buchstäblich das Licht ausging. Später erfuhr ich, dass er doch recht störanfällig ist, nicht zuletzt bei Netzwerkproblemen oder überfüllten Räumen mit schwankenden Temperaturen. Seit diesem Tag wich Pepper mir nicht mehr von der Seite. Egal, zu welcher Veranstaltung ich ging, die irgendwie mit Tech zu tun hatte: Pepper war schon da – und scharte zuverlässig eine Traube faszinierter Menschen um sich herum.  

Und dann kam Corona und der kleine Klumpen Technik verschwand aus meinem Bewusstsein und pandemiebedingt von den Bühnen der Tech-Welt. Umso irritierter war ich, als ich nach über zwei Jahren Eventpause wieder auf Pepper traf. Als wäre er nie weg gewesen, gefangen in einer Zeitkapsel. Wie selbstverständlich kurvt er durch die Gänge großer Messehallen oder mischt sich unter die Leute bei Workshops und Meetups. Als hätten wir in den Hochzeiten von Corona keinen Digitalisierungs-Ruck der Extraklasse erfahren. Als würde der Siegeszug der generativen KI nicht gerade on top für entsprechende Nachbeben sorgen.  

Klammern gegen den Fortschritt 

Warum klammern wir uns an Symbolen der Vergangenheit fest, die längst nicht mehr repräsentativ für die Zukunft sind? Das ist, als würden wir den VW Golf IV als Inbegriff moderner Mobilität betrachten. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Pepper war vor gut zehn Jahren eine echte Innovation, ein Vorgeschmack auf eine neue Ära der Robotik. Aber die Gesellschaft und ihr Anspruch an Technologie haben sich weiterentwickelt: Wir brauchen keine menschenähnlichen Maschinen, die uns freundlich zuwinken, sondern Roboter, die in der Lage sind, uns bei komplexen Arbeitsabläufen zu unterstützen, gar kritische Aufgaben in der Industrie übernehmen.  

Immerhin: Vermehrt begegne ich dem hundeähnlichen Laufroboter Spot von Boston Dynamics auf Events – eine Apparatur, die den oben genannten Anforderungen durchaus gerecht wird und zunehmend den Markt aufmischt (auch die Otto Group setzt Spot® in ihren Logistikzentren ein). Eine Maschine, deren Stern am Himmel gerade erst aufgegangen ist. Und unsere Chance, uns im Loslassen zu üben. Bye-bye Pepper, viel Spaß im Ruhestand! 

Isabelle Ewald ist Senior Consultant Technology Strategy bei der Otto Group und Co-Host des Crime- und Gesellschaftspodcasts „Mind the Tech“, der zweiwöchentlich erscheint.