Viernull treibt neue Marketing-Inhalte

BDI-Präsident Ulrich Grillo ist sich sicher: „Die USA haben vielleicht das eine oder andere Unternehmen, das im Internet die Nase vorn hat. Aber bei der digitalen Steuerung der Industrieproduktion ist Deutschland stark.“ Doch es geht nicht vornehmlich um Steuerung, sondern um revolutionäre neue Produkte und Dienstleistungen. Ohne Marketing wird aber nur die halbe Schubraft erreicht.
Malte W. Wilkes

Industrieelle Revolutionen führen zu einer wesentlichen höheren Produktivität und damit zu sinkenden Kosten. Die organisatorische Revolution der Arbeitsteilung bei der Amphorenherstellung 400 vor Christus führte zu einem Faktor 4 der Produktivität. Die erste industrielle Revolution mit Wasser- und Dampfkraft Ende des 18. Jahrhunderts wird mit Faktor 10 und mehr gerechnet. Die zweite mit Arbeitsteilung durch Elektrizität erwirtschaftete Produktivitätsgewinne von Faktor 5 und die dritte mit Elektronik und Internet wird mit Faktor 2 alle 18 Monate kalkuliert.

Produktivitätsgewinn von Faktor 4

Bei der Industrierevolution 4.0 mit Cyber Physical Systemen erwartet man mindestens Faktor 4. Hier jedoch den Kern zu sehen, greift zu kurz Er liegt nicht nur in der günstigen Produktion, sondern in der Veränderung der Produkte: Von Massen-Standardprodukten zu Losgröße Eins.

Individualität ist nun kein Nachteil mehr. Oder anders ausgedrückt: Bei Grenzkosten gegen Null hat Massenfertigung keinen Vorteil. Doch diesen Vorteil und Nutzen wird der Kunde nicht so schnell erkennen. Seit etwa 2400 Jahren, der arbeitsteiligen Amphorenherstellung mit Markenzeichen, ist er auf Massenprodukte eingestellt. Die oberflächliche Differenzierung kommt durch die Marke, die das Massenprodukt veredelt.

Doch nun sollte der Kunde etwas grundlegend Neues lernen:

  • Nicht nur die Losgröße ist Eins, sondern auch die Konfiguration des Produktes entwickelt sich nahe Eins. Einzelfertigung führt zu individuellen Einzelprodukten. Der Kunde kann mehr Wünsche haben, als er selber bisher dachte und kennt.

Einzelprodukte treiben die Individualisierungskompetenz

Der Wettbewerbsvorteil entwickelt sich nicht nur aus dem Produktivitätsfortschritt beim Internet der Dinge und der Vernetzung von Herstellern, sondern vor allen Dingen aus der Individualisierung des einzelnen Produktionsloses.

Unternehmerisches Marketing muss hier ganz vorne sein, damit beim Customer Centricity dieser Aspekt dem Kunden schnell deutlich wird. Der Einzelkunde ist individuell – seine Lieferung wird individuell. Ob bei einer Dunstabzugshaube, einem Fahrrad oder einem Hightech-Gerät. Ob bei dem Kauf von Blusen oder Schokolade. Selbst „unbekannte“ Kunden werden direkt interagierende Kunden.

Damit werden Marketing und Vertrieb nicht mehr den Fokus auf die Produktleistung setzen können, sondern in den meisten Unternehmen erstmalig die Individualisierungskompetenz darstellen müssen.

Auch die Markenkerne werden sich ändern: Die Individualisierungskompetenz wird deutlich wichtiger als Material-, Geschmacks- oder Designstandards.

Es ist hohe Zeit, dass sich Marketing und Marke unscharfen Problemen widmen.

Über den Autoren: Malte W. Wilkes ist Seniorpartner der Management Consultancy Erfolgsketten Management Wilkes Stange GbR in Hamburg, Redner, Moderator, Diskutant, zigfacher Buchautor, Pionierexperte in Customer Centricity sowie Ehrenpräsident des BDU Bundesverband Deutscher Unternehmensberater. www.maltewilkes.de