Rucksackhersteller Got Bag: Endlich transparent oder nix gelernt?

Im Sommer 2022 machte Got Bag negative Schlagzeilen. Wir haben nachgeforscht, welchen Einfluss die Berichterstattung auf das Unter­nehmen hatte und wie transparent die Kommunikation seitens Got Bag am Ende tatsächlich war.
Die Kommunikation von Got Bag besteht darin, mehr als nur ein Rucksack sein zu wollen. (© Got Bag)

Vor allem in den sozialen Netzwerken schaukelte sich das Thema Got Bag im Sommer 2022 ziemlich hoch. Kein Wunder – hat der Rucksackhersteller dort doch mit seiner Kommunikation beträchtliche Aufmerksamkeit erregt. Zeit Online und Flip haben damals aufgedeckt, dass die Rucksäcke aus Meeresplastik von Got Bag nicht so nachhaltig waren wie versprochen. Außerdem gab es Zweifel daran, wie viel Nutzen die Bereinigung von Meeresplastik allgemein hätte.

Enormes Interesse an den Berichten

„Die Berichterstattung ist auf mehr Interesse gestoßen, als wir das erwartet hatten. Besonders die Resonanz über Instagram war enorm. Auch bei den Zeit-Abonnent*innen war der Artikel an dem Tag der meistgelesene“, erklärt Felix Rohrbeck von Flip, der für die Berichterstattung verantwortlich war. In der Folge kündigten unter anderem Kooperationspartner*innen wie die Influencerin Louisa Dellert die Zusammenarbeit mit Got Bag auf.

Später hieß es in einem Handelsblatt-Artikel, Gründer Benjamin Mandos wolle mit Louisa Dellert nach Indonesien fliegen, wo das Plastik für die Rucksäcke gesammelt wird. Auf Anfrage will Got Bag nicht einmal etwas dazu sagen, ob die Reise stattgefunden hat. Louisa Dellert antwortet hingegen und teilt mit: „Die Reise fand nicht statt, weil ich bisher zu wenig Zeit hatte, mich vorher journalistisch darauf vorzubereiten, um selbst in die Recherche zu gehen und nicht nur das zu sehen und hören, was Benjamin sagt“, so Dellert. Got Bag ging damit offenbar an die Öffentlichkeit, obwohl die Reise selbst noch gar nicht feststand.

Im Rahmen der Berichterstattung ging es auch um die Erstellung einer Lebenszyklusanalyse. Diese gab es seitens Got Bag nicht. Sie wäre aber zur verlässlichen Beurteilung der Ökobilanz nötig. Mittlerweile ist sie in Arbeit. Auf ein Timing will sich Got Bag aber nicht festlegen: „Wir werden darüber informieren, sobald die LCA fertiggestellt ist.“

Follower*innen-Wachstum ist gestoppt

Wie sich das Thema konkret wirtschaftlich auswirkt, ist bis dato auch nicht bekannt – weder ist die Bilanz des Unternehmens von 2022 veröffentlicht, noch will Got Bag etwas dazu oder zu den Aussichten für 2023 sagen. Man sei mit dem Ergebnis zufrieden, teilt das Unternehmen lediglich mit.

Zumindest in den sozialen Netzwerken ist das große Wachstum von Got Bag jedoch gestoppt. Gerade auf Instagram feierte die Firma zuvor große Erfolge, unter anderem mit einem viral gegangenen Gewinnspiel. Auf der Website nennt Got Bag eine Follower*innenzahl von 327.416 und meint damit Instagram. Noch kurz nach der Berichterstattung wurden dort über 350.000 Follower*innen genannt. Der Rückgang ist also merklich. Das Unternehmen erklärt: „Wir sind mit dem Follower-Aufbau insgesamt sehr zufrieden, einen stärkeren Follower-Verlust nach der Berichterstattung haben wir nicht verzeichnen können.“

Offenes Geheimnis in der Branche?

Journalist Rohrbeck erklärt, dass die Kommunikation von Got Bag darin bestehe, mehr als nur ein Rucksack sein zu wollen: „Es geht auch darum, etwas Gutes für die Welt zu tun. Die Enttäuschung von Follower*innen, wenn Versprechen dann nicht eingehalten oder falsch kommuniziert werden, kann ich gut nachvollziehen.“

Zwei Wettbewerber erzählen, dass es in der Branche ein offenes Geheimnis sei, dass bei Got Bag vor allem die eigene Imagepflege im Vordergrund stehe. Zitieren lassen möchten sich beide damit aber nicht. Auch Rohrbeck hat einen ähnlichen Eindruck: „Got Bag hat seine Werbebotschaften sehr professionell über Social Media gespielt. Zum Zeitpunkt unserer Berichterstattung konnte es viele Aussagen aber nicht mit soliden Zahlen oder Studien belegen.“

Auf der Website erklärt Got Bag seine Mission. ©Got Bag

Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man sieht, dass Got Bag den Begriff „Ocean Impact Plastic“, den es mittlerweile statt Meeresplastik verwendet, im Jahr 2022 beim europäischen Markenamt als Wortmarke hat schützen lassen. Offenbar sollen andere Unternehmen daran gehindert werden, den Begriff zu nutzen. Got Bag bejaht das nicht direkt, teilt aber mit, dass dem Unternehmen kein anderes Unternehmen bekannt sei, das den gleichen Aufwand betreibe. Got Bag habe den Begriff entwickelt und daher schützen lassen.

Wie der gesamte kommunikative Umgang mit dem Versprechen von „Transparenz und Wirksamkeit“ zusammenpasst, das sich Got Bag im Rahmen der Berichterstattung im vergangenen Sommer auf die Fahnen geschrieben hat – unklar.

Berichterstattung über Got Bag abseits der Kritik ist seitdem in deutschen Medien nicht mehr so häufig zu finden. Eine Ausnahme: bei Bunte.de, wo Got Bag als der Must-have-Rucksack und Trend für 2023 präsentiert wird – Affiliate-Links, an denen die Redaktion verdient, inklusive. Ansonsten findet sich wenig. Eine naheliegende Deutung: Journalist*innen wollen Geschichten erzählen – doch das Nachhaltigkeitsnarrativ lässt sich nach der Kritik zumindest nicht mehr uneingeschränkt bedienen. Wie sich das konkret auf die Zahlen auswirkt, muss die Zukunft zeigen. Entweder wenn Geschäftsberichte im Rahmen der gesetzlichen Pflichten öffentlich werden. Oder wenn Got Bag sich doch dazu entscheidet, die selbst verordnete Transparenz in die Realität umzusetzen.

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas Pixelpark. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.