Plötzlich Chef: Erfolgsstrategien für junge Führungskräfte

Junge Talente erreichen heute schneller Führungspositionen als noch vor wenigen Jahren – demografischem Wandel und Fachkräftemangel sei Dank. Doch wie gut sind sie auf diese Aufgabe vorbereitet?
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Jüngere Talente haben in der heutigen Zeit schneller die Chance, in eine Führungsrolle zu kommen. (© Unsplash)

Nicht immer zieht es eine*n jüngere Kandidatin*en so in eine Spitzenposition wie Docufy-CEO Nadine Prill. Als sie sich 2016 bei dem Bamberger Softwareunternehmen bewarb, stimmte die Chemie zwischen ihr und dem damaligen CEO sofort. „Ich habe ihm auf die Frage, wo ich eines Tages hinmöchte, klar gesagt: Ich will auf deinen Stuhl.“ 2019 wurde sie als CFO Geschäftsführerin, seit 2022 ist sie CEO. Die damals Anfang 30-Jährige überzeugte auch die Kritiker*innen, die es anfangs gab. „Der Rückhalt und das Vertrauen von oben, mein hoher Arbeitseinsatz, ein hervorragendes Team und messbare Ergebnisse gaben den Ausschlag“, sagt Prill im Rückblick.  

Der demografische Wandel räumt den Weg nach oben frei. Die Generation der Babyboomer (geboren zwischen 1946 und 1964) verabschiedet sich zunehmend in den Ruhestand. Hinzu kommt eine neue Bereitschaft, den Job zu kündigen, zahlreiche Stellen sind vakant. Jüngere Talente haben dadurch schneller die Chance, in eine Führungsrolle zu kommen als noch vor einigen Jahren. Und dieser Trend dürfte sich verstärken. 2050 wird es in Deutschland etwa fünf Millionen mehr Menschen geben, die über 67 Jahre alt sind, und sieben Millionen weniger im Erwerbsalter von 20 bis 66 Jahren.  

Eine frühe Einarbeitung der Nachfolgenden lohnt sich

Doch von heute auf morgen zu entscheiden, das birgt viele Herausforderungen, besonders im Bereich der Personalführung. Was also tun, wenn es heißt „Plötzlich Chef oder Chefin“? Denise Schurzmann weiß noch genau, wie sich dieser Moment angefühlt hat. Zwar hatte ihr Vater sie in viele Prozesse seines Unternehmens Krause Industrieschaltanlagen GmbH eingewiesen. Aber nach seinem Tod musste sie 2015 schneller in die Gesamtverantwortung gehen als erwartet. „Ich habe die Position als Geschäftsführerin mit 26 Jahren übernommen, quasi von heute auf morgen.“ Die ehemalige Vorsitzende der Wirtschaftsjunioren Deutschland sagt heute: „Ich kann allen Beteiligten nur empfehlen, so früh wie möglich mit der Einarbeitung der Nachfolgenden zu beginnen.“ 

Diese Strategie verfolgt auch die Four Pack GmbH in Hude. Sie bereitet jüngere Beschäftigte mit der Hilfe eines externen Coaches auf eine mögliche Führungsaufgabe vor. „Das hat für unser Unternehmen mehrere Vorteile“, erklärt Geschäftsführer Kay Steffens. „Talententwicklung, also das wertvolle Führungspotenzial zu entwickeln, Kontinuität und Stabilität im Unternehmen zu fördern und einen guten Wissenstransfer herzustellen, sind unsere Ziele.“ Konkret gehören regelmäßige Trainings zur gemeinsamen Arbeit, ebenso wie das Einzelcoaching mit Frank Firneisen (siehe Interview). „Das Feedback der jungen Führungskräfte ist durchweg positiv“, sagt Steffens. Die persönliche Weiterentwicklung als Führungskraft sei auffällig. „Jeder der Teilnehmer sagte, er würde ein Coaching weiterempfehlen.“ Initiativen wie die „Future Leaders Academy“ der NGO „Start-up Teens“ will angehende Führungskräfte ebenfalls fit für aktuelle und künftige Herausforderungen machen. Dafür arbeitet das Projekt mit Experten wie Cawa Younosi von SAP oder Anna Weber von Babyone zusammen.  

Gespür für Mitarbeiter*innen entwickeln

Gerade im Hinblick auf den „Clash“ der Generationen verändern sich die Führungsaufgaben, weiß Julian Bihl, geschäftsführender Gesellschafter der IBS GmbH. Seine Erfahrung: „Führung kann man nicht im Studium lernen. Man muss ein Gefühl und Methoden entwickeln, welche Mitarbeiter*innen wie geführt werden wollen, um sich wohlzufühlen und gleichzeitig zu performen.“ Der 31-Jährige beobachtet in den verschiedenen Generationen unterschiedliche Führungsbedürfnisse. „Bei einem 60-jährigen Mitarbeiter, der selbst schon viele Jahre Führungsverantwortung hat, reichen in der Regel regelmäßige Gespräche. Hier diene ich eher als Sparringspartner“, sagt Bihl. „Dagegen nimmt ein 25-Jähriger meine Rolle als Führungskraft intensiver in Anspruch, um sich zum Beispiel abzusichern, ob der Weg, den er eingeschlagen hat, in Ordnung ist.“ 

Laut einer aktuellen Studie von Atlassian forcieren jüngere Führungskräfte derzeit aktiv Veränderungen in den Unternehmen. Wie der „Generational Collaboration Survey“ zeigt, sagt knapp ein Drittel der befragten Entscheidungsträger aus der Generation der Millenials und der Generation Z, dass sie intern einen Kulturwandel einleiten, um etwa die Zusammenarbeit der Teams mit neuen Tools oder Prozessen zu verbessern. Auch eine Top-Down-Kommunikation ist bei jüngeren Führungskräften nicht mehr angesagt. „Mein Führungsstil baut stark auf Freiheit und Vertrauen gegenüber meinem Team auf“, bestätigt Nadine Prill von Docufy. „Verantwortung macht mir Spaß, ich muss sie aber nicht bis ins letzte Detail in der Hand haben.“ 

Offener Austausch ist elementar

Julian Bihl setzt in seinem Führungsstil auf einen offenen Austausch. „Auch wenn sich unser Arbeitsumfeld ständig ändert und etwa durch AI oder durch eine konsequente Digitalisierung Prozesse optimiert werden: Die Erfahrung, das Know-how sowie das Netzwerk meiner älteren Kollegen sind essenziell für den Erfolg in unserer Unternehmensgruppe. Daher suche ich die Gespräche mit allen Kollegen.“ Diese offene Kommunikation will geübt werden. Nadine Prill gibt zu: „An mir selbst habe ich bemerkt, dass ich kritische Themen noch viel klarer ansprechen möchte.“ 

Feedback aushalten, Verbesserungen einfordern – das ist heute Führungsalltag. „Vor allem der gegenseitige Umgang auf Augenhöhe, eine gute Kommunikation sowie eine Unternehmenskultur, die die Möglichkeit für Vorschläge zulässt, empfinde ich als wichtige Komponenten für die Führung von älteren als auch von jüngeren Mitarbeitern“, so Bihl.  

Dieses Erfolgsrezept hat auch Internetriese Google erprobt und das Prinzip der „Psychological Safety“ bekannt gemacht. Im Projekt Aristotle suchte das Unternehmen nach den Faktoren, die Teams stark, effektiv und erfolgreich machen. Das Ergebnis: Nicht die Fähigkeiten oder die Leistung einzelner Teammitglieder war entscheidend, sondern die Art, wie sie miteinander interagieren. Diesen Spirit lebt Bihl vor. „Mir macht es Spaß, Ziele gemeinsam als Team zu erreichen. Ich bin Mannschaftssportler und versuche diese Tugenden mit ins Unternehmen zu bringen. Ich möchte für die jeweiligen Mitarbeiter*innen die Positionen finden, in denen sie sich wohlfühlen und wo ihre Arbeitsleistung sowie die Freude an der Arbeit optimiert werden.“