Menschen sind Menschen sind Menschen … 

… auch, wenn wir sie wie Roboter behandeln. Eine Geschichte über Zukunft, Technologie und menschliche Genialität. Nicht.
Jule und Lukas Bosch sind partner in life, crime & business – und kurzum als Business-Aktivist*innen tätig. (© Abbi Wensyel, Montage: Olaf Heß)

42 Stufen, dann sind wir oben. Der Blick wandert über eine weite Gitterstruktur. Kleine, rote Roboter bewegen sich auf diesem mit Schienen versehenen Fahrgitter scheinbar zufällig nach links oder rechts, nach vorne oder hinten. Immer wieder stoppen sie und greifen mit ihren Staplerarmen durch eine Gitteröffnung in die meterhohen Regale unter ihnen, holen eine Box hoch, fahren weiter, um sie anderswo wieder abzuladen – Kistenschieben 4.0. Ab und zu fällt ein Karton in ein Auffanggerät und wird dort von Menschenhand noch mal kontrolliert, bevor er seine Reise antritt. 

Menschen sind keine Roboter

Das könnte der Anfang einer wundervollen Geschichte sein. Über die Zukunft. Über Technologie. Über menschliche Genialität. Allerdings spielt sich diese Szene schon heute an unzähligen Orten exakt so ab. Und die Technologie dahinter ist zwar absolut „state of the art“ oder „ahead of the game“ oder was es sonst noch an technologieverliebten Anglizismen gibt, aber … es gibt da ein kleines Problem. Menschen, die solche Umgebungen bauen, vergessen, dass darin nach wie vor auch Menschen arbeiten. Oder sie vergessen, dass Menschen keine Roboter sind. Im Ergebnis hat es denselben Effekt: Immer weniger Menschen wollen sich in solchen Umgebungen aufhalten. 

Das verstärkt eine der branchenübergreifend größten Herausforderungen unserer Zeit, den Fachkräftemangel. Insbesondere die Logistikbranche, in deren Sortierzentren sich Szenen wie die beschriebene abspielen, leidet stark darunter. Umgebungen, die für Roboter gebaut sind, gibt es aber nicht nur dort. Auch bei Gewerbegebieten, Bürogebäuden oder ganzen Stadtvierteln haben wir in den letzten Jahrzehnten ziemlich viel darangesetzt, sie möglichst menschenfeindlich zu gestalten: versiegelte, sich aufheizende Flächen im Außen, kahle und homogene Einrichtung im Innen – austauschbar, egal ob man sich in den USA, in Deutschland oder Singapur befindet. 

Schöne Möbel lösen noch lange keine Probleme

Und nun wundern wir uns, dass die Menschen lieber onlineshoppen und homeofficen? Doch halt! Zumindest in Sachen Bürogestaltung hat sich seit dem Hype der Innovation Hubs in den letzten Jahren doch was getan, oder? Hier und da wurden immerhin bunte Sitzhocker, Whiteboards und flexible Tische angeschafft. Was wir dabei jedoch auch gelernt haben: Schöne Möbel lösen noch lange keine Probleme. Vielerorts hat sich dadurch nämlich rein gar nichts geändert – weder die Mitarbeitermotivation noch die Arbeitskultur. Was zählt, sind nicht die bunten Sitzhocker. Was zählt, ist das Menschenbild dahinter: Halten wir fest an unserem postindustriellen (Irr-)Glauben vom menschlichen Dienstleistungsroboter? Oder begreifen wir (endlich!), dass Menschen Menschen sind? 

Vielleicht ziehen wir in Sachen Design besser mal die KI zurate. Auf die Frage, was Menschen brauchen, um gut zu arbeiten, antwortet ChatGTP nämlich sehr höflich, man solle doch öfter die Mitarbeiter*innen selbst fragen … es könnte so leicht sein! 

Jule und Lukas Bosch beraten Unternehmen zu den Themen Transformation und Nachhaltigkeit. Ihr gemeinsames Motto lautet: "Unternehmen statt Unterlassen – denn Zukunft wird gemacht."