Transaktionen im Internet sind oft mit höherer Unsicherheit verbunden, als dies bei traditionellem Handel der Fall ist. Die Forschung zum Thema Vertrauen gewinnt deshalb in der Wirtschaftswissenschaft und -praxis zunehmend an Bedeutung. Empirische Befunde zeigen, dass Vertrauensentscheidungen von Männern und Frauen im Zusammenhang mit Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere dem Internet, oft unterschiedlich getroffen werden. Problematisch ist, dass die Forschung bisher kaum in der Lage war, zufriedenstellend zu erklären, warum diese geschlechterspezifischen Unterschiede auf Verhaltensebene bestehen. Ein möglicher Grund hierfür ist, dass die existierenden Theorien bisher den Faktor außer Acht gelassen haben, der das menschliche Verhalten am offensichtlichsten beeinflusst: die Biologie.
In einer neuen Studie gehen Dr. René Riedl vom Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Linz sowie Marco Hubert und Professor Peter Kenning von der Zeppelin University in Friedrichshafen von der These aus, dass die Berücksichtigung biologischer Faktoren zu neuen Einsichten führt, um geschlechtsspezifische Unterschiede bei Vertrauensentscheidungen im Internet erklären zu können. Veröffentlicht wurde die Studie jüngst in der Fachzeitschrift „MIS Quarterly“. Durch Anwendung der funktionellen Magnetresonanztomografie habe gezeigt werden können, dass Vertrauen im Internet mit Aktivierungsveränderungen in bestimmten Gehirnregionen zusammenhängt.
In einem Experiment wurde die Gehirnaktivität von Frauen und Männern während der Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit von Ebay-Angeboten gemessen. Die Ergebnisse der Wissenschaftler zeigen, dass bei Frauen und Männern zu großen Teilen unterschiedliche Gehirnregionen aktiviert sind: bei Frauen eher Emotionszentren, bei Männern eher Zentren rationalen Denkens. Zudem sei deutlich geworden, dass bei Frauen mehr Gehirnregionen aktiviert sind als bei Männern.
Der experimentelle Nachweis, dass die Vertrauenswürdigkeit von Ebay-Angeboten mit der menschlichen Neurobiologie in Zusammenhang steht, habe beträchtliche Implikationen für Wissenschaft und Praxis: Neurobiologische Faktoren müssten in Zukunft verstärkt berücksichtigt werden, wenn menschliches Verhalten erklärt und beeinflusst werden sollte, etwa bei der Entwicklung von Informationssystemen. Auf Basis der Studienergebnisse sowie anderer neurowissenschaftlicher Befunde könnten praktische Empfehlungen abgeleitet werden. Auf Websites, die via Profilangaben das Geschlecht ihrer User kennen, könnten beispielsweise Interfaces in Echtzeit angepasst werden – je nachdem, ob eine Frau oder ein Mann eine Website öffne. Wichtige Gestaltungselemente wären vor allem der Inhalt einer Website, die Art der Informationsdarstellung sowie die eingesetzten Farben.