Martin Wider zum Publicis-Umbau: „Fokussierung ist richtig“

Große Aufregung in der Werbefachpresse: Das französische Agenturnetzwerk Publicis strukturiert sich in Deutschland um. Dieser Schritt ist vor allem eins: folgerichtig. Ein Kommentar von Ex-Publicis-Manager Martin Wider.
Martin Wider ist Senior Managing Partner bei 7 Squared. (© Wider)

Publicis unterzieht sich in Deutschland einer großen Umstrukturierung: Media und Kreation werden organisatorisch zusammengelegt, auf die lokale Präsenz von Agenturmarken wie Publicis oder Leo Burnett wird verzichtet, die Kreation wird künftig bei Saatchi & Saatchi gebündelt –Publicis selbst wird zur reinen Plattformmarke für maßgeschneiderte Agenturlösungen.

Diese Umstrukturierung ist natürlich einerseits schade für so tolle Marken wie Leo Burnett, die fantastische Kampagnen für Marlboro entwickelt und für Fiat die „flotte Kiste“ auf die Straße gebracht haben.

Was Publicis aber aktuell in Deutschland macht, ist nichts anderes als professionelles Portfolio-Management der eigenen Agenturmarken. Es ist richtig, sich auf Kernmarken zu fokussieren, die ihre Daseinsberechtigung nicht allein aus ihrer Heritage, sondern auch aus ihrer aktuellen Marktbedeutung ziehen. Und von allen Publicis-Kreativagenturmarken ist eben Saatchi & Saatchi die stärkste Marke in Deutschland.

Marken sind nicht für die Ewigkeit gedacht

Marken sind nicht für die Ewigkeit gedacht. Einer der weltweit größten Agenturkunden Unilever hat es beispielhaft vorgemacht: Von ursprünglich 1600 Marken im Jahr 2000 sind heute nur noch 400 im Markt. Goldman Sachs hat gerade eine „Buy“-Empfehlung für Unilever ausgesprochen, weil der Konsumgüterkonzern angekündigt hatte, auch künftig unterdurchschnittlich laufende Marken verstärkt verkaufen zu wollen. In diesem Sinne hat es auch der neue Publicis-Deutschland-CEO Frank-Peter Lortz auf den Punkt gebracht: „Im Kreativbereich braucht man keine drei Agenturmarken, eine reicht.“

Des Weiteren ist die aktuelle Reorganisation von Publicis ein deutliches Zeichen, dass sich die Networkholdings verstärkt mehr als übergreifende Business- und Transformationspartner, denn als reine Finanzholdings verstehen. Als erste Holding hat WPP hat mit ihrem „Horizontally“-Ansatz für globale Kunden maßgeschneiderte Lösungen aus verschiedenen Agenturen gebaut – Publicis zieht mit „Power of One“ nun erfolgreich nach.

Auch wenn die Publicis-Kernagenturen in Deutschland schwächeln: Das „Power of One“-Plattformangebot wird von den Kunden verstanden und angenommen. Innerhalb kürzester Zeit konnte Publicis mit maßgeschneiderten Plattformlösungen zwei globale Spitzenetats für deutsche Kunden gewinnen: Publicis Emil für Mercedes-Benz und Publicis One Touch für Beiersdorf.

Der Markt verlangt maßgeschneiderte Agenturlösungen

Hier ist ein deutlicher Trend erkennbar, der sich auch weiter fortsetzen wird. Marketing ist inzwischen so komplex geworden, dass eine Agentur alleine – so groß und divers sie auch aufgestellt sein mag – kaum in der Lage ist, diese Komplexität alleine zu lösen. Unternehmen suchen deshalb auch nicht mehr nach Agenturen, sondern nach ganzheitlich denkenden und umsetzungsstarken Partnern für ihre Marketingtransformation, die Daten-Expertise, herausragende Kreativität und tiefes Technologieverständnis aus einer Hand bieten können.

Marketing ist inzwischen so komplex geworden, dass eine Agentur alleine – so groß und divers sie auch aufgestellt sein mag – kaum in der Lage ist, diese Komplexität alleine zu lösen.

Der Trend nach maßgeschneiderten Agenturlösungen durch Agenturholdings mit integriert arbeiteten Teams aus Kreation, Data und Tech wird sich weiter fortsetzen, die ursprünglichen Agenturmarken werden bei diesen Aufgabenstellungen dagegen eine immer geringere Rolle spielen. So schade das manche Agenturmarken-Romantiker auch finden mögen.

Autor: Martin Wider ist Senior Managing Partner bei 7 Squared, der Strategieberatung der PIA Group. Von 2006 bis 2008 war Wider CEO von Publicis Frankfurt.