E-Commerce-Wachstum: 100 Milliarden Euro im Blick

Die Corona-Krise hat den Online-Einkauf alltäglich gemacht. Auch Senioren shoppen immer selbstverständlicher im Internet. Und das immer öfter, wie eine aktuelle E-Commerce-Verbraucherstudie des Bevh zeigt. Können davon auch stationäre Händler mit ihren Online-Shops profitieren?
Amazon
Ältere entdecken Online-Shopping: "Was früher der Konsumtempel Kaufhaus war, ist jetzt das Internet." (© Imago)

2020 war für den Online-Handel in Deutschland ein ganz besonderes Jahr – nicht nur, weil die Umsätze dank der Corona-Krise massiv stiegen. Die sogenannten „Silver Surfer“ machten sich breit im Internet. Und der Online-Einkauf wurde für viele – auch ältere – Verbraucher immer alltäglicher. „Wir sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, beschrieb am Dienstag der Präsident des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland (Bevh), Gero Furchheim, die Entwicklung.

„Was früher der Konsumtempel Kaufhaus war, das ist jetzt das Internet“, sagte Furchheim. Die Corona-Pandemie habe die Entwicklung hin zum E-Commerce so sehr beschleunigt, dass sie mittlerweile „unumkehrbar“ sei, sagte er und stützte sich auf eine Verbraucherstudie des Verbandes, für die im vergangenen Jahr 40.000 Personen befragt wurden.

In Zahlen ausgedrückt:

  • Der Beitrag des E-Commerce zur Versorgung der Bevölkerung hat sich im Jahr 2020 im Zeichen der Corona-Pandemie deutlich verstärkt. Mehr als jeder achte Euro der Haushaltsausgaben für Waren wurde laut Bevh-Erhebung im E-Commerce ausgegeben.
  • Der Brutto-Umsatz mit Waren im E-Commerce ist im vergangenen Jahr von 72,6 Milliarden Euro auf 83,3 Milliarden Euro gestiegen. Das ist trotz Stagnation im ersten Quartal ein Plus von 14,6 Prozent gegenüber 2019 und damit 3,3 Prozentpunkte über dem Wachstumsschnitt der drei vorangegangenen Jahre von 11,3 Prozent.

Ältere entdecken Online-Shopping

Es ist nicht nur das steigende Umsatzvolumen, dass die Online-Händler so selbstbewusst macht, sondern auch die Veränderung in ihrem Kundenstamm und in der Einkaufsfrequenz in der Pandemie. Waren die Kunden im Online-Handel lange Zeit überdurchschnittlich jung, so haben in der Corona-Krise auch die Älteren das Online-Shopping für sich entdeckt. Mittlerweile stammen laut Bevh 55,6 Prozent der Online-Umsätze von den über 50-Jährigen (davon 30,9 Prozent von über 60-Jährigen). Noch vor einem Jahr waren es 40,9 Prozent.

Und der Online-Einkauf wird im wahrsten Sinne des Wortes immer alltäglicher. Die Bestellfrequenz steigt. Rund 40 Prozent der Verbraucher kaufen der Bevh-Verbraucherstudie zufolge inzwischen wöchentlich im Internet ein.

Waren des täglichen Bedarfs wachsen online um 41 Prozent

Besonders dynamisch entwickelte sich die Online-Nachfrage 2020 bei Waren des täglichen Bedarfs wie Lebensmitteln oder Drogeriewaren, aber auch bei Medikamenten. Und das, obwohl der stationäre Handel in diesen Segmenten während der gesamten bisherige Corona-Zeit nie geschlossen hatte.

  • Der gesamte Online-Umsatz der Warengruppe des täglichen Bedarfs stieg im Jahr 2020 auf 6,89 Milliarden Euro (2019: 4,90 Milliarden Euro) – das entspricht einer Steigerung von 40,9 Prozent.
  • Apotheken konnten ihren E-Commerce-Umsatz um 33,8 Prozent auf 911 Millionen Euro steigern.
  • Der Gesamtumsatz mit Medikamenten im Internet erhöhte sich sogar um mehr als die Hälfte (53,9 Prozent) auf 1,21 Milliarden Euro.

Die sehr hohe Zahl an Bestellungen ist laut Bevh nicht nur auf den temporären Shutdown, sondern auch darauf zurückzuführen, dass Händler und Zusteller in der Wahrnehmung der Kunden noch besser geworden sind.

Über 95,3 Prozent der Befragten äußerten sich mit ihrem Online-Einkauf „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“. Trotz der logistischen Herausforderungen in der Pandemie ist dies eine erneute Verbesserung um 0,8 Prozentpunkte.

„Geschäftsmodell der Plattform extrem überzeugend

Besonders erfolgreich bei den Kunden waren dabei Online-Marktplätze wie Amazon, Ebay und Co. Sie steigerten ihre Umsätze noch stärker als der Onlinehandel insgesamt – nämlich um über 20 Prozent – und sicherten sich damit 2020 fast die Hälfte des gesamten Online-Geschäfts. Neben dem unangefochtenen Platzhirsch Amazon springen deshalb auch immer mehr andere Händler von der Parfümeriekette Douglas bis zur Supermarktkette Real auf den Zug auf und öffnen ihre Online-Shops auch für Drittanbieter.

Der Bevh konnte am Dienstag nicht einmal angeben, wie viele Online-Marktplätze es aktuell in Deutschland gibt. Die Entwicklung sei zu dynamisch. „Das Geschäftsmodell der Plattform ist extrem überzeugend. Es wird langfristig weiter wachsen“, glaubt Furchheim.

Stationäre Händler tun sich schwer

Keinen nennenswerten Corona-Bonus gab es im Pandemie-Jahr 2020 dagegen für die Online-Shops der vom Lockdown hart getroffenen stationären Händler. Im Gegenteil: Ihr Wachstum fiel mit 4,9 Prozent vergleichsweise mager aus. „Dem stationären Handel fällt es nach wie vor nicht leicht, mit einem eigenen Online-Shop Relevanz zu erreichen“, sagte Furchheim. Umso wichtiger sei für viele Händler ihre Präsenz auf den Marktplätzen.

Einen Rückschlag für den Online-Handel nach dem Ende der Corona-Pandemie befürchtet der Bevh nicht. Der Online-Handel werde einen Großteil der coronabedingten zusätzlichen Nachfrage halten können, glaubt Furchheim.

Und so teilte der Bevh am Dienstag abschließend erstens mit, dass der E-Commerce-Umsatz mit Waren im Jahr 2021 voraussichtlich ein Wachstum von 12,5 Prozent erreichen wird. Zweitens werde dieses moderate zweistellige prozentuale Wachstum dazu führen, dass der E-Commerce mit Waren und Dienstleistungen 2021 erstmals die Grenze von 100 Milliarden Euro sicher überspringen wird.

(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.