Die neue Lust an Offline

„Augmented Worlds“ haben in diesem Jahr endgültig den Durchbruch geschafft. So hat das Monster-Spiel Pokémon Go derzeit mehr aktive Nutzer als Facebook, Twitter und Instagram. Doch was sind die Gründe, die eine augmentierte, also digital erweiterte Realität so faszinierend macht? Vier Lehren lassen sich aus dem globalen Pokémon-Hype ziehen.
Anne M. Schüller

Die Augmented Reality (AR) ist eine künstlich erweiterte Realität. Sie entsteht durch Informationsschichten aus virtuellen Daten, die via Smartphone, Tablet oder Datenbrillen wie die Microsoft Hololens in die Wirklichkeit eingeblendet werden. Das können Objekte, Grafiken, Texte, Symbole oder eben auch Pokémons sein, die sich vor den Augen des Betrachters in dessen realen Umgebung zeigen. Doch was fasziniert uns daran? Natürlich ist es zuvorderst das Neue ansich. Dann sind es die nützlichen Möglichkeiten, die AR-Anwendungen sowohl im Business als auch im Privatleben bringen. Doch das ist noch lange nicht alles. Denn immer kommen bei einer Entscheidung auch emotionale Aspekte hinzu. Und das heißt hier konkret: Die vertraute Außenwelt, in die sich AR integriert, wiegt uns in Sicherheit, weil sie unser angestammter Lebensraum ist.

Der Pokémon-Hype: Lehrstück für erfolgreiche Innovationen

Der weltweite Siegeszug der Comic-App zeigt eines ganz klar: Die Menschen wollen nicht nur Funktionalität, sie wollen auch was erleben. Das bedeutet figurativ:

1. Menschen wollen spielen. Sie wollen Spaß. Und Siege erringen.

2.Menschen mögen es, wenn sich Online mit Offline wie magisch verknüpft.

3. Menschen mögen Erlebnisse, die alle Sinne berühren.

4. Menschen mögen das menschliche Miteinander.

Wer aus diesen vier Aussagen ein Geschäftsmodell macht, wird die Zukunft sicher erreichen. Denn wir sind multisensorisch-sinnliche Gemeinschaftswesen – und das lässt sich real besser ausleben als rein virtuell. Die Zukunft gehört also denen, die Digitales perfekt in die Offline-Welt setzen. Danach scheint es ein großes Verlangen zu geben.

Das „neue Neue“ ist die Rückbesinnung auf die Offline-Welt

Leider vergessen im aktuellen Digitalisierungsrausch vor allem die eingefleischten Online-Strategen, dass ein Großteil unseres Lebens immer noch Offline spielt. Lebensqualität ist dort, wo man fußläufig oder radelnd einkaufen kann und unter Menschen draußen im Sonnenschein zum Beispiel sein kühles Bierchen genießt. Ein persönliches Treffen ist immer wertvoller als ein Internet-Chat.

Das Physische hat also noch lange nicht ausgedient. Ganz im Gegenteil. „Mich interessiert das wahre Leben viel mehr“, bestätigt mir Julian, 14, ein YouTube-Star aus der Gamer Community. Wie Recht er hat. Denn das Leben besteht aus viel mehr als Online-Spielen und Lieferservice. Wir sind eben nicht aus Bits und Bytes konstruiert, sondern aus Fleisch und Blut.

„Anstatt allein zuhause zu sitzen, lassen sich Menschen gerne nach draußen ziehen. Das ist neu, denn bisher führte die Digitalisierung nur dazu, dass immer mehr Menschen immer länger daheim auf Ihrem Smartphone, Tablet oder PC daddelten“, sagt der Online-Experte Torsten Schwarz. Nun heißt es: Raus aus dem Haus! Parallel zur fortschreitenden Digitalisierung entsteht zunehmend der Wunsch nach realen Begegnungen, nach fassbaren Erlebnissen und körperlichen Erfahrungen. So haben gewiefte Start-ups längst erkannt, dass sie nicht nur mit Online-Aktivitäten groß werden können, sondern sich auch offline präsent machen müssen. Die Eröffnung der Amazon-Stores ist nur ein Beispiel von vielen für diese Entwicklung.