Für ihre Studie „Weltweit gesucht“ analysierten OC&C Strategy Consultants und Google 1.500 Händler aus sechs Ländern, davon 236 aus Deutschland. Hierzu wurden die anonymisierten Suchanfragen des weltgrößten Suchmaschinen-Betreibers genutzt. Die Autoren prognostizieren dem grenzüberscheitenden Onlinehandel in den kommenden Jahren enormes Wachstum und zeigen, welche Unternehmen im internationalen Wettbewerb derzeit führend sind.
„Wir erwarten, dass das Exportvolumen von Onlinehändlern in den sechs weltweit größten E-Commerce-Märkten von aktuell 19 Milliarden Euro bis 2020 auf rund 96 Milliarden Euro ansteigen wird“, sagt Dr. Gregor Enderle, der für die Studie verantwortliche Partner bei OC&C. Der grenzüberschreitende E-Commerce-Warenverkehr werde damit im Mittel circa 18 Prozent des gesamten Online-Umsatzes eines Landes erzielen. „Dieses Potenzial werden vor allem Anbieter abschöpfen, die früh auf eine Auslandsexpansion ihres Shops setzen“, betont Enderle.
Starke Position britischer Unternehmen
Die sechs untersuchten Märkte Großbritannien, USA, Deutschland, Frankreich, Niederlande und Skandinavien erzeugen über die Hälfte des weltweiten E-Commerce-Umsatzes. Dabei zeigt sich, dass gerade Onlinehändler aus Großbritannien 2013 erfolgreich Ware exportiert haben: Britische E-Retailer versenden grenzüberschreitend Ware im Wert von 1,805 Milliarden Euro in die untersuchten Märkte und haben sich eine starke Position insbesondere im Bereich Bekleidung erarbeitet. Zum Erfolg des britischen Onlinehandels tragen auch die deutschen Verbraucher bei, die im Jahr 2013 Pakete im Wert von knapp 200 Millionen Euro bei Anbietern in UK geordert haben.
Nur Onlinehändler aus den USA stehen bei den Bundesbürgern noch höher im Kurs: Die Deutschen haben 2013 Ware für insgesamt 263 Millionen Euro bei Anbietern in den USA bestellt. Dementsprechend fällt die deutsche „Handelsbilanz“ im E-Commerce bescheiden aus: Die Ausfuhren liegen saldiert nur rund 13 Millionen Euro über den Einfuhren der deutschen Konsumenten. Die Exportnation Deutschland hat im E-Commerce noch Nachholbedarf, denn die Vergleichswerte aus Großbritannien (869 Millionen Euro) und den USA (132 Millionen Euro) fallen deutlich positiver aus.
Vertrauen in ausländische Händler wächst
Dass im weltweiten E-Commerce große Potenziale liegen, bestätigt auch Petri Kokko, Director Retail bei Google: „Die Zahl der Menschen mit Internetzugang steigt global stark an, und das Vertrauen der Konsumenten in ausländische Händler wächst. Dies sind ideale Marktvoraussetzungen für internationalen E-Commerce und bieten Onlinehändlern die Chance, signifikantes Umsatzpotenzial jenseits des Heimatmarktes zu erschließen.“
Der größte Nettoimporteur der in der Studie untersuchten Märkte ist Frankreich: Französische Verbraucher beziehen grenzüberschreitend Pakete im Wert von 1,154 Milliarden Euro bei E-Commerce-Anbietern aus den anderen untersuchten Ländern, während französische Onlinehändler Produkte für nur 461 Millionen Euro an internationale Kunden verkaufen. Auch deutsche Onlinehändler profitieren von den konsumfreudigen Franzosen und versenden Waren im Wert von 423 Millionen Euro nach Frankreich. Erfolgreich sind deutsche Onlinehändler auch in den Niederlanden, wo sie Produkte für 175 Millionen Euro verkaufen.
Reine Onlinehändler: Ebay und Amazon an der Spitze
Die – gemessen an ihren Suchanfragen – international führenden E-Retailer in der Kategorie Pureplayer/Versender sind unangefochten die US-Unternehmen Ebay und Amazon. Beide Konzerne dominieren die Märkte und sind Musterbeispiele für eine erfolgreiche Globalisierung von Handelsformaten. Aber auch „Category-Killer“-Formate wie Zalando und Zooplus, die auf breite Auswahl in einem Sortimentsbereich setzen, schneiden im Ranking gut ab. Außerdem schaffen es verschiedene kleine, aber innovative Handelskonzepte bereits in die Top-15-Liste. Die 15 bestplatzierten internationalen Online-Pureplayer kommen aus den USA, Großbritannien und – mit etwas Abstand – Deutschland. Dies spricht für die hohe Innovationskraft und Expansionsdynamik des E-Commerce-Sektors in diesen Ländern.
„Anders als im stationären Handel findet im E-Commerce oft schon kurz nach der Gründung die internationale Expansion statt. Dabei sind nicht die Waren, sondern erstklassige Handelskonzepte und E-Commerce-Know-how die wichtigsten Exportartikel – in dieser Hinsicht liegt Deutschland trotz einiger Erfolgsbeispiele noch deutlich hinter den USA und Großbritannien“, kommentiert Dr. Gregor Enderle.
Multi-Channel: H&M und Ikea vorn
Ein ganz anderes Bild zeigt sich bei E-Commerce-Anbietern, deren Wurzeln im stationären Handel liegen: Anbieter aus den USA, Großbritannien und Deutschland sehen sich hier einem stärkeren Wettbewerb aus Skandinavien und Frankreich gegenüber. Die Spitzenplätze gehen in dieser Kategorie an Ikea und H&M. Mit dem Stationär-Riesen Media Markt findet sich nur ein deutscher Vertreter unter den Top 15. Nicht zufällig finden sich bei Multichannel-Händlern viele vertikale Konzepte auf den Spitzenplätzen: „Ein Sortiment aus starken Eigenmarken bietet Differenzierungschancen und Margenschutz gegenüber aggressiven E-Commerce Pureplayern mit breiter Herstellermarkenauswahl“, erläutert Rolf Pensky.
Sport-, Mode- und Luxusmarken: Adidas überzeugt
Für viele Markenhersteller ist das Internet eine große Chance, direkte Konsumentenbeziehungen aufzubauen. Vor allem etablierte Anbieter können hiervon profitieren, weil Verbraucher im Internet vor allem große, klar profilierte Marken suchen. Daher finden sich viele bekannte Marken aus den Bereichen Sport, Fashion und Luxus-Accessoires im internationalen Top-15-Ranking. Adidas nimmt hier international die Spitzenposition ein, gefolgt von Louis Vuitton, Hermès, Burberry und Puma. Mit Montblanc und Hugo Boss schaffen es weitere deutsche Marken unter die Top 15.
E-Commerce bietet die Chance, mit überschaubaren Investitionen international zu expandieren. Eine solche „schlanke Internationalisierung“ wird nicht zuletzt durch Marktplätze wie Ebay, Amazon, Farfetch oder Etsy, die fertige Lösungen für Payment, Logistik und Traffic-Generierung bieten, auch für kleinere Händler erreichbar. Der relativ geringe Kapitalbedarf, das begrenzte Risiko und vorhandene Infrastruktur-Angebote machen Auslandsexpansionen auch für kleinere Onlinehändler und Start-ups attraktiv. Allerdings ist nach Überzeugung Enderles das Tempo und der richtige Grad der Anpassung an die ausländischen Märkte gefragt: „Nur wer schnell und im passenden Umfang expandiert, kann sich einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil verschaffen.“
(OC&C Strategy Consultants / asc)