Der perfekte Pitch

Inspiriert von einem persönlichen Austausch mit Frédéric Raillard, berichtet unser Kolumnist von einem ganz besonderen Auswahlverfahren.
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Roland Bös ist Geschäftsführer und Partner bei Scholz & Friends. (© Privat, Montage: Olaf Heß)

Über Pitches ranken sich in Agenturen stets viele Geschichten und viel wurde darüber bereits geschrieben. So vor wenigen Wochen auch von Frédéric Raillard, Gründer der internationalen Kreativ-Agentur Fred & Farid. Hier sind seine Gedanken dazu: 

Ich erinnere mich… ein Einkäufer hatte unsere Agentur angefragt. Nette Mail. Wir fühlten uns plötzlich nicht als unbedeutender Dienstleister, sondern als potenzieller Partner auf Augenhöhe. Das persönliche Kennenlernen in einem sogleich verabredeten Zoom-Call war sehr inspirierend. Dieser Kunde wusste wirklich, wie man das Team einer Agentur für ein Briefing begeistert. 

Transparenter Wettbewerb und Vergütung für Unterlegene

Im Call wurde uns der geplante Auswahlprozess erläutert: 

1. Wettbewerb: „Wir werden drei Agenturen zum Pitch einladen, alles ähnlich renommierte Agenturen wie Sie. Sie haben also eine statistische Gewinnchance von 33 Prozent.“ 

2. Timing: „Wir planen ein kurzes Auswahlverfahren, da es nicht um einen Retainer, sondern erstmal einen Projektauftrag geht. 3 Wochen, 1 Sprint. Fertig.“ 

3. Transparenz: „Wir nennen Ihnen die beiden anderen Agenturen und zahlen allen Teilnehmenden eine Aufwandsvergütung. Sie haben also alle Parameter, um zu entscheiden, ob Sie dabei sein wollen.“ 

4. Ausarbeitung: „Es ist nicht erforderlich, fertige ausgearbeitet Konzepte zu präsentieren. Das wäre so, als würde man einen Architekten bitten, das Haus zu bauen, bevor man ihn beauftragt“, erklärt der Kunde lächelnd. 

5. Nutzungsrechte: „Niemand wird Ihre Ideen verwenden, sollten Sie den Pitch nicht gewinnen. Wir wissen, dass Ideen das zentrale Kapital von Kreativagenturen ist.“ 

6. Pitch-Honorar: „In der Regel vergeben wir für größere Projekte oder Retainer jeweils 100.000 Euro an die beiden nicht ausgewählten Agenturen. Damit wollen wir für die Ihnen entstandenen Kosten für die Arbeit der Kreativen, Strategen, Berater usw. aufkommen. Für kleinere Projekte wie dieses erhalten die beiden nicht ausgewählten Agenturen jedoch eine reduzierte Vergütung von jeweils 25.000 Euro.“ 

Motiviertes Team und ausreichend Zeit zur Präsentation 

Wir fanden das nachvollziehbar für ein kleines Projekt und begannen also mit der Arbeit. Von ganzem Herzen. Wir haben alles gegeben. Ich habe die Teams in unserer Agentur noch nie so motiviert gesehen und dieser Spirit hat sich auf unsere Arbeit für die Aufgabe übertragen. 

Dann kam die finale Präsentation mit der CMO. Das erste, was sie sagte: „Nehmt Euch Zeit. Ich werde nicht nach den vereinbarten 60 Minuten abbrechen, denn ich weiß, wieviel Arbeit so eine Präsentation ist.“ Sie scherzte sogar: „Sich für so ein wichtiges Projekt nur 60 Minuten Zeit zu nehmen wäre so, als würde man einen Elefanten in einen Mini-Cooper zwingen.“ 

Diese CMO war wirklich beeindruckend. Sie hat uns bei unserem Termin bis zur letzten Sekunde ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt. Nicht ein einziges Mal schaltete sie ihre Kamera aus oder schaute auf ihr Handy. Sie war so interessiert und respektvoll gegenüber uns und unserer Arbeit. 

Umfassende Wertschätzung im Pitch 

Nach dem Pitch hat uns der Kunde nicht warten lassen. Nur ein paar Tage später rief sie mich persönlich an. Wir haben verloren. Wir waren enttäuscht, respektierten aber ihre Entscheidung. Sie wissen, wie Kreative sind; emotional, sensibel, manchmal undiplomatisch – aber auch großzügig und leidenschaftlich. Und wenn ein Unternehmen oder ein Kunde uns gut behandelt, geben wir alles. Diese CMO, sie könnte mir um Mitternacht ein Briefing schicken, wir würden uns für sie zerreißen. 

Ich sagte: „Vielen Dank. Es ist das erste Mal, dass wir in einem Pitch eine so umfassende Wertschätzung erleben.“ Sie war überrascht: „Wirklich? Wir sollten uns in unserer Branche zusammentun. Ich bin mir sicher, dass die führenden Köpfe in Agenturen, engagierte CMOs aus relevanten Unternehmen, Einkaufsexperten und Agency Consultants gerne dabei sind, wenn es darum geht so ein Regelwerk gemeinsam auf die Beine zu stellen. Dann lachte sie: „Hey, Life is a pitch. Wir sollten uns SAG nennen – die Advertising Saving Guild! 

Und dann wachte ich auf. Voller Hoffnung. 


Frei nach einem Text von Frédéric Raillard, CEO der FRED & FARID Advertising Group mit Offices in New York, Paris, Los Angeles und Shanghai. 
 
Übersetzt und redigiert von Roland Bös, Geschäftsführer und Partner bei Scholz & Friends. 

Roland Bös ist Chief Growth Officer und Partner bei Scholz & Friends. Der Kolumnist schreibt über Kollaborationen von Agenturen und Kunden.