Drei Learnings für Marketer von der Gaming-Messe E3

Die „Electronic Entertainment Expo“, kurz: E3, ist für das Gaming-Business eines der Highlights des Jahres. Vom 11. bis 13. Juni versuchten Publisher auch 2019, Gaming-Fans mit Inhalten und Inszenierungen zu überzeugen. Was können Marketer davon lernen? Ein Vor-Ort-Bericht aus Los Angeles.
Fortnite
Fortnite-Stand bei der E3: Es kommt auf die Inszenierung der Marke an. (© MSM.digital)

Autor: Torsten Oppermann, Gründer und Geschäftsführer MSM.digital

Bei der E3 2019 ist von Microsoft über Nintendo bis Ubisoft erneut das „Who is Who“ der Gaming-Branche am Start. Die Besucher sind eine bunte Mischung: 2017 gab die ehemals reine Fachmesse erstmals 15.000 Tickets für die Öffentlichkeit frei – seither sind Privatbesucher mit von der Partie. Das gefällt nicht jedem, denn die Messe wurde dadurch quirliger und schriller. 2018 besuchten 69.200 Menschen die Spielemesse, 200 Aussteller präsentierten mehr als 3.250 Produkte. Die E3 hat sich zum Publikumsmagnet gewandelt – und auch die gesamte Gaming-Welt ist im Wandel.

Gaming-Markt wächst, Verdrängungswettbewerb auch

Gaming wird immer mehr zum Massenvergnügen, weshalb große Tech-Player mit Nachdruck in das Business streben. Der Markt könnte sich dadurch, wie in den 90ern, stark verändern. Denn er wächst zwar insgesamt, doch immer mehr Marktteilnehmer wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Es droht ein Verdrängungswettbewerb.

Apple will demnächst mit aller Kraft sein neues Abo-Modell für alle iOS-User („Apple Arcade+“) etablieren. Facebook ist Platzhirsch mit Oculus im Bereich Virtual Reality. Im Streaming-Sektor wird mit besonders harten Bandagen gekämpft. Beim Streaming werden die Games mittels großer Serverfarmen auf die heimischen Bildschirme übertragen, große Hardware-Leistungen werden auf den lokalen Endgeräten überflüssig. Weiterhin will Google mit seinem Streaming-Gaming-Dienst Stadia den Markt aufrollen. Microsoft zeigt die xCloud, die es möglich macht, die neuesten Xbox-Spiele selbst auf Mobile Phones zu erleben. Sony hat bereits den Streaming-Dienst „Play Station Now“ eingeführt. Und auch die Rovio („Angry Birds“)-Tochter Hatch arbeitet am ersten 5G-Streaming-Dienst für die nächste Mobilfunk-Generation.

Aus den Entwicklungen in der Gaming-Branche ergeben sich für Marketingentscheider große Herausforderungen. Die folgenden drei Learnings von der E3 können Orientierung bieten.

Marketing-Learning 1: „Software sells Hardware“

Es mag sich plump anhören, aber: Das beste Marketing sind starke Marken und starke Inhalte – das hat sich auf der Messe wieder einmal bewahrheitet. Jeder Dienst und jede Plattform muss exklusive Inhalte anbieten, die so stark sind, dass Konsumenten die Konsole kaufen oder den Dienst abonnieren. Davon ist etwa Google mit Stadia noch weit entfernt. Und auch Microsoft hat nur wenige starke und exklusive Titel für die Xbox angekündigt. Die meisten Spiele werden auch für PC oder Play Station erscheinen, einige wenige Titel aus den eigenen Studios ausgenommen.

Der Mehrwert für den Gamer ist nie die Konsole oder der Streaming-Dienst, sondern der Spaß am Spiel. Es heißt nicht ohne Grund: „Software sells Hardware“. Und bei guten Spielen und starken Marken kann Nintendo derzeit am ehesten punkten.

Während Sony bei der diesjährigen E3 durch Abwesenheit glänzt und Microsoft seine Events außerhalb der Hallen zelebriert, zeigt Nintendo starke Spiele wie „Zelda“, „Luigis Mansion“ und „Super Mario Maker“. Fast ein wenig wie früher, ohne Streaming-Ankündigung oder Online-Schnickschnack. Diese Spiele verkaufen sich vor allem auf physischen Datenträgern im klassischen Handel – auch wie vor 30 Jahren. Damit ist Nintendo bei den Gamern und auch im Retail immer noch erfolgreich. Für alle Marketer ist das der Beweis, dass starke Marken und beständige Produktqualität eher zum Erfolg führen, als jedes Jahr eine andere „Marketing-Sau“ durchs Dorf zu treiben.

Marketing-Learning 2: Der Stern der Influencer steigt

Ein weiterer starker Trend ist der Fokus der PR-Abteilungen auf die sogenannten „Content Creators“, also Influencer beziehungsweise Streamer. Die Streamer auf Youtube, Twitch und Co. werden hier in LA geradezu hofiert. Sie erhalten die Aufmerksamkeit, die noch vor zehn Jahren den klassischen Medien aus TV, Print und Internet vorbehalten war. Heute stattet nahezu jeder große Publisher auf der Messe seinen Stand mit ausgeleuchteten Räumen, Übertragungstechnologie und Webcams aus – so können die „Content Creators“ die neuesten Games auf ihren teils enorm reichweitenstarken Kanälen live von der Messe streamen.

Für ein Game gibt es kaum besseres Marketing als Bewegtbild-Kommunikation und Live-Kommentare. Streaming-Plattformen wie Facebook, Instagram, Youtube Live und Twitch sind schon lange ein wichtiger Treiber für den Verkaufserfolg eines Spiels. Neben bezahlten Promotions, die im Influencer-Kosmos heute üblich sind, sind auf der E3 auch journalistisch-anmutende Aufbereitungen zu sehen, etwa von Mikro-Influencern, die in LA mit offenen Armen empfangen werden. Dieser Trend ist auch in Deutschland zu beobachten. Neben den großen, meist sehr gut vergüteten Influencer-Partnerschaften werden Kontakte zu den Mikro-Influencern bedeutsamer, die wichtige spitze Zielgruppen sehr erfolgreich ansprechen.

Marketing-Learning 3: Es kommt auf die Inszenierung an

Auf eines verstehen sich die meisten Gaming-Unternehmen längst meisterhaft, davon können andere Branchen noch lernen: Die lebendige Inszenierung ihrer Marken. Diese zeigt sich in atemberaubenden Spiele-Trailern oder auch in ausgefallenen Messeständen. Der Publisher Epic Games erweckte sein Spiel „Fortnite“ wahrhaftig zum Leben (siehe Foto oben). Aber auch gamingfremde Marken wie Mercedes-Benz fördern ihre eigene Inszenierung, indem sie im Gaming- und eSport-Umfeld mitmischen. Der Automobilhersteller hat längst Budgets aus dem klassischen Sport umgeschichtet. Mit cleveren Aktivierungen lassen sich Gamer von Partnern überzeugen, solange die Produkte und ihre Story sich nahtlos in den Gaming-Kosmos einfügen.

Für das Games-Marketing gilt: Inszenierung und Glaubwürdigkeit kommen bei Influencern und Fans gleichermaßen an. Statt klassischer Banner geht der Trend deshalb auch zu einer zielgerichteten Ansprache der Fans mit vorhergehender Zielgruppensegmentierung, damit die Marke die Nutzer auf der passenden Plattform mit den passenden Angeboten erreicht. Längst werden Zielgruppen auch crossmedial getrackt, sodass etwa ein Nutzer, der im Elektronikfachhandel einen leistungsfähigen PC und eine Gaming-Maus gekauft hat, auf seinen bevorzugten Websites und Social Channels mit individuellen Werbemitteln angesprochen werden kann – allen voran Videos.

Die Spieler sind so individuell wie die Spielkategorien, vom Strategen über den Entdecker und Sportler bis hin zum Kämpfer ist alles dabei. Marken, denen es gelingt, diese Zielgruppen individuell, glaubwürdig – und über deren bevorzugte Gaming-Influencer – anzusprechen, werden auf dem Gaming-Markt der Zukunft gute Karten haben.

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Wirtschaftsfaktor Gaming in Deutschland

  • Weltweit spielen 2,2 Milliarden Menschen Computer- und Videospiele, in Deutschland gibt es 34,4 Millionen Gamer
  • 74 Prozent der 14- bis 29-Jährigen gamen und verbringen dafür mehr Zeit auf Plattformen wie Facebook, Instagram, Twitch und Youtube
  • 47 Prozent der Gamer sind mittlerweile weiblich
  • Die Spieler nutzen heute alle Kanäle, vor allem mobil: Über 23 Millionen Spieler spielen auf Mobilgeräten und Tablets, rund 17 Millionen auf dem PC
  • In Deutschland wurden 2017 rund 3,3 Milliarden Euro mit Games umgesetzt, damit ist Deutschland der größte Markt für Computer- und Videospiele in Europa und liegt beim Umsatz global betrachtet auf Platz fünf hinter China, den USA und Japan

Quelle: Game – Verband der deutschen Games-Branche