So will der DIY-Markt HORST urbane Zielgruppen ansprechen

Der Hamburger DIY-Markt HORST will eines explizit nicht sein: ein Baumarkt. Und das, obwohl sein Erfinder Philipp Möller Geschäftsführer von sieben Hagebau-Märkten ist. Im Interview erklärt Möller, warum und wie er mit HORST eine junge, urbane Zielgruppe und eher Mieter als Eigenheimbesitzer ansprechen will.
Horst
DIY-Markt HORST in Hamburg: "In Baumärkten vergleichbarer Größe liegt die Aufenthaltsdauer des Kunden bei 10 bis 15 Minuten – bei uns sind es 30 bis 45 Minuten." (© HORST)

Von Johannes Bohmann

MOIN! steht in dicken Lettern auf dem Teppich, über den man den Laden betritt. Und der wirkt schon auf den ersten Blick ganz anders, als man erwartet hatte. Helles Holz, freundliche Farben, wabenartige Regal, Pulte, an denen man sich unterhält – aber keine Regaltürme in Reih und Glied und keine langen Gänge.

Aber was hatte man erwartet? Das Falsche offenbar, weil man dachte, einen Baumarkt zu betreten. Doch das will HORST explizit nicht sein, wie sein Erfinder und Geschäftsführer Philipp Möller im Interview erklärt.

Herr Möller, was ist an HORST anders als an Obi, Hornbach & Co?

PHILIPP MÖLLER: Zuerst einmal: Wir sind kein Baumarkt, sondern ein DIY-Markt. Ein Platz also, an dem es ums Selbermachen geht, ums Do It Yourself. Ein Ort, der das Zuhause schöner macht – und ein Ort, an dem man lernen kann, wie das geht. Damit spielen wir Themen, die mit klassischen Baumarktrepertoires nichts zu tun haben. Voran sind das unsere Workshops. Da vermitteln wir: Du schaffst es selber mit uns. Und gleichzeitig vermitteln wir Dir die Fertigkeiten dafür.

Können Sie uns ein Beispiel dafür geben?

Nehmen wir mal das Balance Board aus Holz, das ist gerade ein Bestseller. Im Workshop sägt man das selber aus, schleift und bemalt es – und trägt nicht nur das persönliche Board nach Hause, sondern auch das Wissen, wie man sowas macht.

Die Workshops sind also ein zentraler Baustein Ihres Konzepts.

Ja, unbedingt. Wir haben sie nicht nur hier abgehalten, sondern auch außerhalb, an sechs unterschiedlichen Locations in Hamburg – und die waren ausgebucht. Sie liefen oft an vier, fünf Tagen die Woche. Mittlerweile haben wir circa 35 Workshop-Module zu allen möglichen Themen, und das wollen wir weiter ausbauen. Aber nun haben wir ja leider Corona – da sind die Workshops nicht möglich.


Philipp Möller, Geschäftsführer von HORST

Was hat sich durch Corona noch verändert?

Der Store konnte zum Glück die ganze Zeit geöffnet bleiben, wir hatten also Publikumsverkehr. Rasant angestiegen ist aber der Online-Verkauf. Das Balance Board, um bei dem Beispiel zu bleiben, kann man sich da als „DIY Kit“ nach Hause schicken lassen, mit Schleifpapier und Farben. Oder auch ein fertiges Board ordern. Wichtig bei solchen Produkten ist: Was da gemacht wird, muss tauglich für Social Media sein. Denn auf Instagram, Facebook und Co. ist unsere Zielgruppe unterwegs und lässt sich inspirieren.

Sie schaffen also auch eine HORST-Community?

Auf jeden Fall. Denn HORST ist zwar einerseits klassischer Handel, aber andererseits wollen wir auch Dienstleister mit Event-Charakter sein – mit den Workshops, mit der Werkstatt im Laden … Und perspektivisch sehen wir uns auch als Event-Location, für Incentives zum Beispiel. Das fällt jetzt leider auch Corona zum Opfer, aber an dem Konzept bleiben wir dran.

Sie bieten auch einen Werkzeugverleih.

Ja, denn wie oft braucht man eine Bohrmaschine denn wirklich! Und wenn man eine kauft, dann sollte es eine vernünftige seine, die lange hält. Die kriegt man bei uns. Wir legen Wert auf vernünftige Produkte.

Die teurer sind als anderswo?

Nein, überhaupt nicht. Produkte, die Sie in Baumärkten auch finden, sind bei uns nicht teurer als dort. Was uns aber wichtig ist, ist auch ein wachsendes Angebot an ökologischen Produkten, und die sind oft teurer; das ist es den Leuten aber wert. Und, was noch dazukommt, sind Partnerschaften mit regionalen Anbietern, die als Start-ups nicht unbedingt mit klassischen Baumärkten arbeiten möchten, sondern mit einer Firma wie uns, die eben auch ein Start-up-Image hat. Wichtig dabei ist natürlich, dass die Qualität stimmt, sonst funktioniert es nicht. Denn dann ergibt sich der Mehrwert für den Kunden daraus, dass das Produkt eine gewisse Regionalität hat – bei gleichzeitiger Qualität.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Unser „Knister Grill“ – das ist ein portabler Grill, den man am Fahrrad festmachen kann. Das hat sich ein Start-up in Süddeutschland ausgedacht. Mit denen zusammenzuarbeiten, das ist mehr als nur eine Lieferantenbeziehung. Ein anderes Beispiel ist Rankwerk aus Kiel. Die machen Saatgut-Sets und „Seedbombs“ für bunte Beete, die aus Ton, Erde und Saatgut bestehen und die man einfach auswirft. Wenn man deren Website anschaut, dann sieht man, warum die zu uns passen.

Thema Gärtnern: Gibt es dazu auch Workshop-Ideen?

Ja, einer hieß: Wie baue ich ein Insektenhotel? Und der lief so gut, dass wir beschlossen haben, das Workshop-Ergebnis auch ins Sortiment zu nehmen. Man kann also ein fertiges Insektenhotel jetzt auch bei uns kaufen. Das zeigt sehr schön, wie unsere Workshops auch ein lernendes System für unser Sortiment sind. Das ist ein handfester Vorteil: Ich bin vier, fünf Stunden in direktem Kontakt mit meinem Kunden und kann von ihm lernen, was er will.

Noch mal zu der Community: Ist das auch aktive Nachbarschaftspflege?

Absolut. Zum einen bleiben die Leute bei uns relative lange und tauschen sich untereinander aus. In Baumärkten vergleichbarer Größe liegt die Aufenthaltsdauer des Kunden bei 10 bis 15 Minuten – bei uns sind es 30 bis 45 Minuten. Und auf die Workshops bezogen: Auch da lernen sich Menschen ja kennen, und sie lernen oft auch voneinander. Und ein gewisses Dating-Potenzial haben solche Workshops, nebenbei bemerkt, natürlich auch …

Wie ist denn da die Verteilung zwischen Männern und Frauen?

Je nach Thema unterschiedlich. Aber insgesamt deutlich mehr Frauen als Männer. Was aber gut ist, denn bei der Frage „Wie mache ich mein Zuhause schöner?“ sind es ja in der Regel die Frauen, die die Richtung vorgeben.

Kann man sagen, dass HORST eher femininer ist als ein klassischer Baumarkt?

Ja, der klassische Baumarkt hat eine maskuline Aura – das ist bei uns nicht so.

Glauben Sie, dass Corona die Haltung zum Konsum verändert?

Ich glaube, dass Corona bereits vorhandene Tendenzen bestärkt. Zum einen mehr Online-Handel. Zum anderen aber auch: Es wird hinterfragt, brauche ich das jetzt wirklich schon wieder neu oder kann ich dieses Kleidungsstück, diesen Gegenstand nicht noch länger benutzen? Und beim Neukauf darauf achten, dass es ein wertiges, langlebiges Produkt ist. Aber wir dürfen auch nicht übersehen, dass Corona vielen ja auch so zusetzt, dass sie jetzt mehr auf den Preis achten müssen. Gerade Selbermachen hat ja auch mit Preissensibilität zu tun! Und diese Aspekte: selber machen und wissen, wo es herkommt – das ist etwas, was durch Corona meiner Meinung nach verstärkt wird.

Sie vermitteln also eine neue Art von Wertigkeit?

Ich glaube schon. Denn wenn Sie, sagen wir mal, ein Memoboard für Ihr Arbeitszimmer bauen – wie wir das in einem Workshop hier gemacht haben –, dann liegt dessen Wertigkeit, was das Material betrifft, bei rund 30 Euro. Aber wenn Sie es selbst ausgesägt, gebaut und bemalt haben, dann geht die Wertigkeit für Sie gegen unendlich. Das ist doch der Sinn an der Sache. Wenn ich etwas mit meinen eigenen Händen gebaut habe, bin ich doch viel stolzer darauf, als wenn ich es mir aus China habe liefern lassen.

Wann und wo wird der nächste HORST eröffnet?

Wir waren schon länger auf der Suche, bevor Corona kam. Und wenn wir damit weitermachen können – vielleicht in Berlin oder in Köln oder in einer Studentenstadt wie Freiburg – dann auf jeden Fall an Standorten, an denen was los ist. An denen es eine lebendige Community gibt, die wir involvieren können.


Das ist HORST

„HORST – DEIN DIY-MARKT“ wurde im Oktober 2018 in Hamburg-Bahrenfeld eröffnet. Das Sortiment in dem rund 800 Quadratmeter großen Store ist bewusst reduziert: Es umfasst mit circa 15.000 Artikeln ein Drittel dessen, was ein mittelgroßer Baumarkt führt. Statt 20 verschiedener Bohrmaschinen etwa findet man nur drei oder vier. Baustoffe oder Rasenmäher dagegen gibt es gar nicht. Und neben Leuchtmitteln, Farben, Holz, Badutensilien, Kleinmöbeln oder Werkzeug gehören auch Bastelbedarf, Kerzen und Pflanzen für die Wohnung oder den Balkon dazu. Außerdem gibt es einen Geräte- und einen Lastenfahrradverleih, eine Werkstatt, in der man Holz oder Kunststoffe selbst bedrucken oder gravieren kann.