Rechtliche Risiken reduzieren

Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und einstweilige Verfügungen kosten Zeit, Nerven, Gerichtsgebühren und Anwaltshonorare. Dr. Matthias Schröder und Dr. Stefan Meßmer, Rechtsanwälte der Partnerschaft Menold Bezler in Stuttgart, sehen in einem Verhaltenskodex der Konkurrenten die Chance, den oft jahrelangen Streitigkeiten vorzubeugen.

von Dr. Matthias Schröder und Dr. Stefan Meßmer

Nicht selten kommt es in der Praxis vor, dass Konkurrenten auf kleinen Märkten sich über Jahre hinweg gegenseitig mit wettbewerbsrechtlichen Klagen überziehen. Dies ist für die Beteiligten meist mit erheblichen Nachteilen verbunden. Denn abgesehen von den daraus resultierenden Kosten, binden diese Auseinandersetzungen Ressourcen, die bei anderweitigem Einsatz höheren Nutzen versprechen. Hinzu kommt, dass von Rechtsstreitigkeiten oft nur die anderen Mitbewerber profitieren und letztlich die lachenden Dritten sind. Denn die aus solchen Streitigkeiten resultierenden Unterlassungserklärungen oder gerichtlichen Verbote engen letztlich nur den Handlungsspielraum der Parteien ein, nicht jedoch denjenigen der übrigen Konkurrenten.

So zahlreich sind wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten nicht zuletzt aufgrund juristischer Unsicherheiten. Zwar definiert beispielsweise § 6 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) anschaulich, wann vergleichende Werbung ausnahmsweise verboten ist. Im konkreten Fall lässt sich aber oft streiten, ob sich ein Vergleich objektiv auf wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften eines Produkts bezieht. Verneint hat dies das Oberlandesgericht München beispielsweise für einen Geschmackstest, bei der einer größeren Anzahl von Testpersonen überwiegend der „Whopper“ von Burger King besser schmeckte als der „Big Mäc“ von McDonalds.

Rechtliche Risiken reduzieren
Unternehmen müssen vor einer Marketingkampagne also nicht nur Kosten und Nutzen sorgfältig abwägen, sondern auch die rechtlichen Risiken. Hierzu zählen Abmahngebühren, Verwaltungsaufwand für die Abwehr wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen oder einstweiliger Verfügungen, die zu einem Werbeverbot führen, Gerichtsgebühren und Anwaltshonorare. Etwaigen juristischen Nachteilen können die Marktteilnehmer aber vorbeugen. So ist ein denkbarer Weg aus der Abmahnspirale, mit dem betreffenden Wettbewerber präventiv eine Art „Verhaltenskodex“ zu vereinbaren, um künftige Auseinandersetzungen zu vermeiden. Inhalte können beispielsweise sein:

  1. Welche Kommunikationsmittel wie Broschüren, Anzeigen, TV- und Radiospots, Präsentationen, Muster, PR, Internet, Werbebriefe etc. sind Gegenstand der Vereinbarung? Nicht zu vergessen ist, dass Abmahnungen oder einstweilige Verfügungen wegen eines Wettbewerbsverstoßes bereits drohen, wenn Außendienstmitarbeiter Kundengespräche führen, bei denen die Leistung eines oder mehrerer Wettbewerber mit dem eigenen Angebot verglichen wird.
  2. Inhaltlich liegt es zunächst nahe, Regelungen über das beiderseitige Werbeverhalten zu treffen. So könnte vereinbart werden, dass mit Testergebnissen nur dann geworben werden darf, wenn diese repräsentativ und reproduzierbar sind. Aber Vorsicht: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs umfasst die nach § 1 GWB geschützte Freiheit des Wettbewerbs auch die Freiheit des Unternehmens, sein Warenangebot in wettbewerbsrechtlich zulässiger Weise zu bewerben. Alle Beschränkungen, die über die bereits im UWG verankerten gesetzlichen Werbebeschränkungen hinausgehen, sind daher kartellrechtlich unzulässig. Sie sind damit nicht nur rechtlich unwirksam, sondern können sogar mit einem Bußgeld belegt werden. Unzulässig sind beispielsweise wechselseitige Informationspflichten oder gar Einsichtsrechte hinsichtlich geplanter Werbeveröffentlichungen eines Wettbewerbers.
  3. Wie werden die Verhaltensregeln implementiert, z.B. durch Schulung der Mitarbeiter? An wen richtet sich der Kodex? Empfehlenswert ist, dass entsprechende Richtlinien den Vertriebsmitarbeitern der beteiligten Unternehmen kommuniziert werden, da insbesondere im Vertriebsbereich vielfach Unkenntnis über die Rechtslage herrscht.
  4. Wichtig sind klare Spielregeln für den Fall, dass es dennoch zu wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen kommt, die beteiligten Unternehmen sich aber außergerichtlich einigen möchten. Hierzu gehört beispielsweise, dass grundsätzlich zuerst das persönliche Gespräch zur Konfliktlösung gesucht wird. Auch sollten Antwortzeiten definiert werden, um die Abläufe zu beschleunigen, sowie Reihenfolge, Zeitpunkt und Form für die notwendigen Zugeständnisse jedes Beteiligten. Falls die Auseinandersetzung weiter eskaliert, kann es auch sinnvoll und kostengünstig sein, die Anrufung einer Einigungsstelle bei einer Industrie- und Handelskammer oder den Einsatz eines Sachverständigen als Schlichter vorzusehen. Jedoch sind auch hier die kartellrechtlichen Grenzen zu beachten: Keiner Partei darf durch den Verhaltenskodex die Möglichkeit einer uneingeschränkten rechtlichen Verfolgung von Wettbewerbsverstößen genommen werden.

Die Möglichkeiten, wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten mit Hilfe von Vereinbarungen bereits im Vorfeld vorzubeugen, sind aus kartellrechtlichen Gründen zwar durchaus begrenzt. Dennoch kann ein Verhaltenskodex der Marktteilnehmer ein probates Mittel für die Praxis sein, um das wettbewerbsrechtliche Konfliktpotenzial zu vermindern und den oft Jahre dauernden, zermürbenden Streitigkeiten vorzubeugen.

Autoren:
Dr. Matthias Schröder ist Rechtsanwalt und Partner, Dr. Stefan Meßmer Rechtsanwalt bei Menold Bezler Rechtsanwälte Partnerschaft in Stuttgart.