Von Michael Brandtner und Al Ries
Vor 40 Jahren erschien eine dreiteilige Artikelserie mit dem Titel “Die Positioning-Ära kommt“ in der amerikanischen Marketingzeitschrift Advertising-Age. Die Autoren Al Ries und Jack Trout sorgten damit für einen Aufschrei in der Werbe- und Marketingszene, und viele führende Werbeexperten stellten sich gegen dieses Konzept.
Selbst Bill Bernbach, der selten etwas für die Medien schrieb, fand Zeit für einen Gegenartikel. Und David Ogilvy, der zuerst die Idee unterstützte, entschied sich schlussendlich mit dem Kommentar „Pfui über Positioning“ klar gegen das Konzept.
Und diese Kontroverse ging und geht weiter. „Hüten Sie sich vor den sogenannten Positionierern“, warnte Larry Light vor einigen Jahren. „Diese sagen, dass eine Marke nur für eine Eigenschaft in der Wahrnehmung des Marktes stehen kann“, sagte der damalige Marketingguru von McDonald’s und weiter: „Die eine Position der Marke zu identifizieren, um diese dann wiederholend zu kommunizieren, ist eine altmodische, unmoderne und nicht mehr zeitgerechte Art der Markenkommunikation.“
Ist Positioning wirklich altmodisch und nicht mehr zeitgerecht?
Dazu sollte man einen Blick auf die drei Originalartikel aus dem Jahre 1972 werfen, um diese aus heutiger Sicht zu beleuchten. Dabei stechen vor allem elf Punkte oder Zitate besonders hervor:
1. Werbung wie früher funktioniert heute nicht mehr
Die Märkte heute sprechen nicht mehr auf die Werbung an, die früher funktionierte. Es gibt einfach zu viele Produkte, zu viele Unternehmen und zu viel „Marketinglärm“. Um in dieser überkommunizierten Gesellschaft Erfolg zu haben, muss ein Unternehmen sich eine „Position” in der Wahrnehmung der Kunden schaffen. Eine Position, die nicht nur die eigenen Stärken und Schwächen mit einbezieht, sondern auch jene der Mitbewerber.
Das liest sich so, als wenn es gerade jetzt geschrieben worden wäre. Werbung funktioniert heute einfach nicht mehr so wie früher. Warum ist das so? Die meisten Marketingleute sehen Positioning heute als einen wesentlichen Teil ihrer Marketingprogramme. Aber was viele dabei übersehen, ist, dass man unbedingt auch die Stärken und Schwächen des Mitbewerbs mit einbeziehen muss. Viele Unternehmen werben aber heute immer noch so, als ob es den Mitbewerb nicht geben würde. (Das funktioniert aber nur dann, wenn man ein Marktführer wie McDonald’s ist.)
Man gewinnt im Marketing nicht aufgrund der Stärken und Schwächen der eigenen Marke. Denn die Kunden wählen bei ihren Kaufentscheidungen immer zwischen verschiedenen Marken aus. Bei Hamburgern ist McDonald’s dabei die erste Wahl. McDonald’s besitzt, wie wir es ausdrücken, die „Hamburger-Position“ in den Köpfen der Kunden. Nur genau das ist aber auch das Problem von Burger King. BK steht ohne eigene Position im Schatten von McDonald’s.
Das heißt: Sie brauchen heute eine Position, die Sie entweder über Ihre Mitbewerber stellt oder eine, die Sie klar von Ihren Mitbewerbern differenziert. Genau eine letztere sollte Burger King anstreben, wenn man nicht weiterhin gegen Big Mac verlieren will. Denn zurzeit wirbt Burger King so, als ob es McDonald’s in den Köpfen der Kunden nicht geben würde.
2. Kommunizieren Sie eine Position, nicht die Vorteile oder Eigenschaften des Produktes
Früher wurde Positioning in einem engeren Sinn verstanden. Es ging darum, was der Werber zum Produkt hinzufügte. Heute müssen wir Positioning in einem erweiterten Sinn verstehen, bei dem es darum geht, was die Werbung für das Produkt in der Wahrnehmung der Kunden macht. Anders ausgedrückt: Heute versucht ein erfolgreicher Werber das Produkt mit Werbung in den Köpfen der Kunden zu positionieren und nicht die Vorteile oder Eigenschaften zu kommunizieren.
Eine Führungsposition etwa ist viel stärker als eine Position, die auf den Vorteilen oder Eigenschaften einer Marke beruht. Coca-Cola bei Cola. McDonald’s bei Fastfood, Nespresso bei Kaffeekapselsystemen oder Google bei Suchmaschinen.
Trotzdem sind die meisten Marketingprogramme heute rund um Produkteigenschaften und deren Vorteile aufgebaut. Das Problem dabei: Wenn sich herausstellt, dass eine Eigenschaft für die Kunden extrem wichtig ist, kann diese der Marktführer immer sofort kopieren. Was aber ein Verfolger nie kopieren kann, ist die „Führungsposition” des Marktführers.
„Man bekämpft Feuer mit Feuer” lautet eine alte Weisheit. Nur wie viele Beispiele zeigen, bekämpft man Feuer besser mit Wasser. Das gilt auch für das Marketing. Sie gewinnen nicht gegen einen Marktführer, indem Sie besser sind. Sie gewinnen, indem Sie anders sind.
Red Bull wurde in der kleinen 250 Milliliter Dose eingeführt. Monster konterte als erste Marke in den USA mit der ersten 500 Milliliter Dose. Obwohl es zu diesem Zeitpunkt bereits über tausend Energydrink-Marken in den USA gab, wurde Monster schnell zu einer starken Nummer zwei mit einem Marktanteil von 35 Prozent. Red Bull hat in den USA einen Marktanteil von 43 Prozent.
Dasselbe Bild bei Medikamenten für erektile Dysfunktion. Viagra war das erste ED-Medikament und eroberte sich die „Führungsposition” in den Köpfen der Kunden. Das zweite Medikament am Markt war Levitra mit der grundlegenden Botschaft „mehr Wirkung mit weniger Nebenwirkung“. Hier standen klar die eigenen Produkteigenschaften und Vorteile im Vordergrund. Anders das dritte ED-Medikament Cialis: Dieses wurde als das erste „36-Stunden-Medikament“ gegen die herkömmlichen „4-Stunden-Medikamente“ Viagra und Levitra positioniert. Heute ist Cialis auf dem Sprung Viagra als Weltmarktführer abzulösen. Das ist die Macht der Positionierung.
3. Das Problem, in die Köpfe der Kunden zu gelangen
Das Gehirn agiert wie eine Art Abwehrmechanismus gegen das heutige Kommunikationsvolumen. Es filtert und weist die meiste dargebotene Information zurück. In der Regel wird nur jene neue Information akzeptiert, die zum bisherigen Wissens- und Erfahrungsschatz passt. Alles andere wird herausgefiltert.
Seit dem Erscheinen dieser Artikelserie im Jahr 1972 sind unzählige neue Marken lanciert worden. Die meisten davon sind nicht mehr unter uns. Ein wesentlicher Grund dafür ist dieser Abwehrmechanismus unseres Gehirns, der speziell Werbung für neue und damit für die Kunden unbekannte Marken betrifft.
Die Lösung für dieses Problem lautet, wie wir gelernt haben, PR. Denn PR ist ideal, um neue Ideen und Marken mit Nachrichten glaubwürdig in die Köpfe der Kunden zu bringen. Der beste Weg eine neue Marke zu etablieren lautet daher „zuerst PR, dann Werbung“. (Niemand beherrschte dies besser als Steve Jobs. Er folgte dieser Regel beim iPod, beim iPhone und beim iPad.)
Zurzeit ist Social Media eines der besten PR-Werkzeuge. Denn PR lebt vorrangig von der Mundpropaganda, nicht von der allgemeinen Mediaabdeckung. Und Social Media ist ideal für Word-of-Mouth. Oder sollten wir besser Word-of-Fingers sagen? Die Konsumenten teilen gerne ihre Meinung über neue, andersartige und ungewöhnliche Produkte und Dienstleistungen. (Sie teilen aber so gut wie nie ihre Gedanken über Werbelinien von neuen Produkten.)
Trotzdem benutzen die meisten Unternehmen Social Media als „Werbeinstrument” für etablierte Marken. Die drittpopulärste Marke auf Facebook ist Coca-Cola mit 40 Millionen Fans. (Das Unternehmen selbst gibt 20 Prozent des Werbebudgets für Social-Media aus.) Nur wie viel Mundpropaganda-Potential hat wirklich eine alte Marke wie Coca-Cola? „Probieren Sie Coke, es schmeckt wirklich gut“, ist nicht wirklich eine Nachricht, die man heute noch unbedingt teilen muss. In den USA etwa ist auch im letzten Jahr der Absatz von Coca-Cola um zwei Prozent gesunken.
4. Greifen Sie einen Marktführer nie frontal an
In der Positioning-Ära geht es um Strategie. Es macht wenig Unterschied, wie clever die Werbeanzeigen von RCA, General Electric oder Brystol-Myers waren. Oder wie perfekt Layout, Text und Typografie umgesetzt wurden. Die Strategie, den Marktführer frontal anzugreifen, war falsch.
Noch immer begehen Unternehmen diesen fundamentalen Strategiefehler. Trotz des Fehlschlags von RCA und General Electric bei Großrechnern, wiederholte Xerox denselben Fehler und attackierte IBM frontal bei Computern mit „Xerox Data Systems“.
Das Ganze endete für Xerox in einem Milliardenverlust. Das heißt aber nicht, dass man einen Marktführer nicht attackieren sollte. Es bedeutet, dass man das nicht frontal tun sollte. Früher war Blackberry in den USA das führende Smartphone. Heute ist es das iPhone von Apple, das erste Smartphone mit einem Touchscreen. Mit dem Touchscreen verdoppelte sich nicht nur die Bildschirmgröße eines Smartphones, das iPhone wurde vor allem von den Kunden nicht mehr als herkömmliches Smartphone wahrgenommen.
Es ist nicht unbedingt besser. So gibt es immer noch Menschen, die einen Blackberry bevorzugen. Aber es ist sicher anders.
5. Die Bedeutung des Namens
In der Positioning-Ära wird der Name eines Unternehmens oder eines Produktes immer wichtiger. Der Name ist der Haken, an dem die Marke an der Produktleiter in den Köpfen der Kunden festmacht wird. Mit einem schwachen Namen hat selbst die beste Marke in der Welt keine Chance, in den Köpfen der Kunden klar verankert zu werden.
<p<Eines der Beispiele in den Originalartikeln war Eastern Airlines, die sich damals als „die zweitgrößte Fluglinie in der freien Welt“ positionierten. Eastern war eine „nationale“ Fluglinie, aber der Name suggerierte, dass es sich um eine regionale Fluglinie handelte, die nur an der Ostküste der USA tätig war. 19 Jahre später ging Eastern in Konkurs. Ein weiteres Opfer eines schlechten Markennamens.
Wenn eine Produkt- oder Dienstleistungskategorie neu ist, dann lockt diese in der Regel hunderte neue Marken an. Alleine bei PCs gab es am Beginn über 300 verschiedene Marken. Diejenigen, die überleben, haben in der Regel einen guten Namen. Einen Namen, der kurz, einfach, leicht zu buchstabieren und leicht auszusprechen ist. Ein weiterer Aspekt eines guten Namens ist, dass er sich einfach visualisieren lässt, wie etwa Apple, Polo Ralph Lauren oder Twitter.
6. Man kann nicht jedem gefallen
„Gier” ist eine menschliche Emotion, die häufig Werber zu einem anderen Fehler verführt. Eines der besten Beispiele für diese „Jedermann“-Falle ist die Einführung der Hornet von American Motors. Sie mögen sich vielleicht noch an die Werbung erinnern: „The little rich car. American Motors Hornet: 1,994 to 3589 Dollars.” Ein Produkt, das versucht jeden anzusprechen, spricht letztendlich niemanden an. Menschen, die für ein Auto 3.500 US-Dollar ausgeben, kaufen keinen Hornet, weil sie nicht wollen, dass ihre Freunde denken, dass Sie ein 1.900 US-Dollar-Auto fahren. Menschen wiederum, die ein 1.900 US-Dollar-Auto wollen, wollen keines, bei dem die Ausstattung um 1.600 US-Dollar reduziert wurde.
American Motors geriet in ernsthafte Schwierigkeiten und wurde an Chrysler verkauft, die ebenfalls in ernsthafte Schwierigkeiten kamen und an Daimler-Benz verkauft wurden. Aber auch das funktionierte nicht. Deshalb ging Chrysler an einen Investor, der letztendlich Chrysler in den Konkurs schickte. Heute ist Chrysler ein Teil von Fiat. Nur ist das Kernproblem von Chrysler immer noch nicht gelöst. Die Marke will immer noch jeden ansprechen, hat aber keine klare Position in den Köpfen der Verbraucher.
Der gemeinsame Weg hinter all diesen Desastern heißt Markendehnung, also der Versuch, mit verschiedenen Produkten unter einer Marke jeden zu erreichen.
Was ist ein Chevrolet? Es ist ein großes, kleines, billiges, teures Auto oder Kleinlastwagen. Die Verluste von Chevrolet, einer Marke die circa 60 Prozent des Umsatzes von General Motors ausmacht, war der Hauptgrund, warum GM in Konkurs ging. Dies sollte GM auch bei seiner deutschen Tochter Opel bedenken, denn auch diese Marke ist überdehnt.
Markendehnung ist der Feind des Konzepts Positioning. Je mehr ein Unternehmen seine Produktlinien und seine Dienstleistungen unter einer Marke ausdehnt, desto schwieriger wird es eine Position für diese Marke in den Köpfen der Kunden zu finden und zu etablieren.
Positioning ist heute in den meisten Unternehmen eine anerkannte und angewandte Marketingstrategie, genauso verhält es sich aber auch mit dem Konzept Markendehnung. Wie schafft es ein Marketingverantwortlicher, dass er gleichzeitig an zwei diametral gegensätzliche Konzepte glaubt, und diese auch noch in vielen Fällen gleichzeitig anwendet?
Das verwundert uns immer und immer wieder.
7. Denken Sie langfristig
Der Wandel ist wie eine Welle im Ozean der Zeit. Kurzfristig sorgen die Wellen für Aufregung und Verwirrung. Langfristig gesehen sind die grundlegenden Strömungen darunter von viel größerer Bedeutung. Um mit dem Wandel richtig umzugehen, ist es wichtig, langfristig zu denken, um das eigene Kerngeschäft genau zu definieren. Positioning ist ein kumulatives Konzept, das seinen Vorteil aus der langfristigen Wirkung der Werbung zieht.
Langfrist-Denken ist eines der wichtigsten Positionierungsprinzipien. Wir fordern unsere Klienten daher immer wieder auf, in Jahrzehnten und nicht in Jahren zu denken. Das ist extrem schwierig in Unternehmen, in denen ständig die Verantwortlichen wechseln.
In den letzten 25 Jahren hatte etwa Burger King 13 verschiedene CEOs und noch mehr verschiedene Werbekampagnen. Kein Wunder, dass die Marke immer weiter hinter McDonald’s zurückfällt.
Unser Spitzenkandidat für die beste langfristige Positioning-Kampagne aller Zeiten ist BMW. Es ist wirklich bemerkenswert, was diese Konstanz für die Marke BMW bewirkt hat. 1974 etwa verkaufte BMW in den USA 15.007 Autos. Damals war BMW auf Platz elf unter den Importen aus Europa. Im darauf folgenden Jahr startete BMW seine berühmte “The ultimate driving machine”-Werbekampagne in den USA. (Den deutschen Langzeitslogan „(Aus) Freude am Fahren“ gibt es schon sogar seit 1969.)
Mit dieser konsequenten Markenführung wurde BMW weltweit zur Nummer 1 im Premiumsegment. Letztes Jahr verkaufte der Automobilhersteller weltweit 1.222.800 Autos, Mercedes hingegen 1.167.700 und Audi kam auf 1.092.400. Nicht schlecht für eine Marke, die noch in den 1970er Jahren von so manchem spöttisch als Bayrischer Mistwagen bezeichnet wurde.
So ist Red Bull seit 1987 der Original-Energydrink, der Flügel verleiht, Dr. Best seit 1988 die nachgebende Zahnbürste, Ryanair seit 1985 die Diskontfluglinie in Europa, Geox seit 1995 der Schuh, der atmet und Nespresso gibt es auch bereits seit über 20 Jahren. So gesehen macht es keinen Sinn, dass Marlboro zurzeit den „Cowboy“ und Marlboro-Country in der Werbung zugunsten von „Maybe“ aufgibt.
8. Die Bedeutung „Erster zu sein”
Wenn man die Geschichte zurückverfolgt, wie Führungspositionen etabliert wurden, von Hershey bei Schokolade bis Hertz bei Autovermietung dann sind weder die Marketingfähigkeiten noch die Produktinnovation der gemeinsame rote Faden. Die Gemeinsamkeit ist das Ergreifen der Initiative, bevor der Mitbewerb überhaupt die Chance hat, sich zu etablieren. IBM zum Beispiel hat den Computer nicht erfunden. Das war Sperry Rand. Aber IBM besitzt die Computer-Position, weil man die eigene Computerfestung baute, bevor der Wettbewerb auf dem Schlachtfeld erschien.
Dieses Prinzip wird weltweit in vielen Managementpublikationen wie etwa der Harvard Business Review heiß diskutiert. Aber man übersieht dabei einen wesentlichen Punkt. Denn in Managementkreise spricht man vom „First-Mover-Advantage“. Nur ist dieser in der Regel kein Vorteil, wie auch das Beispiel Sperry Rand zeigt.
Das ist der große Unterschied zwischen Management- und Marketingdenken: Das Management denkt in Produkten: „Der Erste, der einen Großrechner am Markt einführte.“ Das Marketing denkt in Kundenwahrnehmungen: „Der erste Großrechner in der Wahrnehmung der Kunden.”
Die Positionierungsartikel von damals hätten dieses Konzept “First-Minder-Advantage” nennen sollen. Und es gibt viele Beispiele, die dieses Konzept belegen: Die Creative Nomad Jukebox war der erste MP3-Player mit Harddisc am Markt, aber der iPod war der erste in den Köpfen der Kunden. Powells.com war die erste Internetbuchhandlung am Markt oder besser im Internet. Amazon war die erste Internetbuchhandlung in den Köpfen der Kunden.
Genau das passiert in vielen Kategorien. Zu Beginn gibt es Dutzende von Marken in einer neuen Kategorie. Der Sieger dabei ist nicht unbedingt die beste Marke, sondern die Marke, der es als Erster gelingt, die Führungsposition in den Köpfen der Kunden einzunehmen.
9. Strategien für Mitläufer
Vereinfacht ausgedrückt lautet die erste Positioning-Regel: „Sie können nicht frontal ein Unternehmen attackieren, das eine starke Position etabliert hat. Sie können um diese Position herumgehen, sie können sich darunter oder darüber positionieren, aber niemals frontal dagegen. Der Marktführer besitzt die Anhöhe, also die Nummer-eins-Position in den Köpfen der Kunden, den ersten Rang auf der Produktleiter.
Ein anderer Weg diese Idee auszudrücken lautet: „Seien Sie anders!“ In den USA gibt es seit Jahrzehnten dutzende Joghurtmarken, die um die Gunst der Kunden kämpfen. Vor fünf Jahren kaufte ein türkischer Emmigrant ohne jegliche Joghurterfahrung eine leerstehende Joghurtfabrik und startete mit der Produktion von „griechischem Joghurt“. Verkauft unter dem Markennamen „Chobani” beträgt der Jahresumsatz mittlerweile 750 Millionen US-Dollar. Chobani ist heute der drittmeistverkaufte Joghurt in den USA. Griechisches Joghurt hat in Summe bereits einen Marktanteil von 35 Prozent am Gesamtjoghurtmarkt. Chobani besitzt davon 47 Prozent, gefolgt von Danone mit 20 Prozent.
Die Essenz von Positioning lautet „Seien Sie anders”. Trotzdem versuchen die meisten Unternehmen immer noch „besser als der Mitbewerb zu sein“.
10. Denken Sie global
Marketing wird schnell zu einem weltweiten Spiel. Ein Unternehmen, das heute eine Position in einem Land besitzt, kann diese nutzen, um in ein anderes Land vorzudringen. IBM besitzt 62 Prozent des Computermarktes in Deutschland. Überrascht? Das sollte man nicht sein. IBM macht über 50 Prozent seiner Gewinne außerhalb der USA. Unternehmen, die heute anfangen, ihr globales Potential zu nutzen, müssen nur leider oft erkennen, dass diese ein Namensproblem haben. U.S. Rubber ist dafür ein typisches Beispiel, ein Unternehmen, das weltweit zahlreiche Produkte vermarktet, die nicht aus Gummi sind. Mit dem Namenswechsel auf Uniroyal löste man dieses Problem, indem man eine neue Identität schuf, die man weltweit nutzen konnte.
Wirklich niemand wird heute dem widersprechen, dass Marketing ein globales Spiel ist. Viele Marketingverantwortliche tragen sogar das Wort “global” in ihrer Berufsbezeichnung.
Genau so wie die Geschäftswelt global wurde, wurde auch Englisch zu einer globalen Sprache. Englisch wurde zu der Zweitsprache dieser Erde. Daraus resultiert, dass man einen globalen Markennamen verwenden sollte, der entweder aus englischen Worten besteht oder in der englischen Sprache funktioniert. Aus diesem Grund änderte Matsushita Electric seinen Namen in „Panasonic“ und Tokyo Tsushin Kogyo änderte seinen Namen in „Sony“.
Viele andere Unternehmen und Marken sollten dasselbe tun. Gerade wenn man eine neue Marke lanciert, denken viele Gründer zu national. Das ist etwa auch ein großes Problem der Marke Fressnapf.
11. Der Kult rund um die Kreativität
Der Kult rund um die Kreativität ist hartnäckig. So sagte kürzlich der Chef einer Werbeagentur: „Ja, wir setzen immer Positioning ein. Aber nachdem wir die Position entwickelt haben, übergeben wird diese an die Kreativabteilung.“ Und in vielen Fällen natürlich macht die Kreativität nichts anderes als die Position zu verschleiern. Aber in der Positioning-Ära ist der Schlüssel zum Erfolg die Kommunikation des nackten Positioning-Statements, ohne dass dieses von der sogenannten Kreativität beeinträchtig wird.
Advertising-Age, die Zeitschrift, in der die Artikel über Positioning im Original erschienen, wählte die VW Beetle-Kampagne zur besten Werbekampagne des 20. Jahrhunderts. Die eine Werbung, die wirklich stellvertretend für diese Kampagne steht, zeigt ein kleines Bild von einem VW Käfer mit der Headline: „Think small“.
In einer Ära, in der alle amerikanischen Autos riesige Straßenkreuzer waren, war diese Werbeanzeige wirklich das „nackte Positioning-Statement ohne jeglichen kreativen Firlefanz.“ Ähnlich brillant ist aktuell die Geox-Werbung, die einen Schuh zeigt, der wie ein Dampfbügeleisen aussieht. Der Claim dazu: „Der Schuh, der atmet.“ Perfekt in dieser Hinsicht war auch die Dr. Best-Kampagne mit dem Slogan „Die klügere Zahnbürste gibt nach“ und dem Schlüsselbild mit der Tomate.
Trotzdem ist der Kreativitätskult immer noch rund um uns herum. Und viele Marketingverantwortliche kämpfen auch heute noch mit ihren Kreativagenturen, um sicherzustellen, dass die Kreativität die Positionierung nicht verschleiert und überdeckt. Es ist ein Kampf, der nie enden wird.
Über die Autoren: Michael Brandtner ist Spezialist für strategische Markenpositionierung in Rohrbach, Österreich, und Associate im Beraternetzwerk von Al und Laura Ries. Positioning-Guru Al Ries gehört zu den führenden Marketingvordenkern weltweit und ist Chairman der Markenstrategieberatung Ries & Ries.