Mein erstes Mal im autonomen Supermarkt 

So fühlt sich ein Besuch im autonomen Supermarkt an. Über ein Modell mit Potenzial, bei dem Bedenken bleiben.
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Sascha Nehm ist Principal Omnichannel Experience Strategist bei Deutsche Telekom MMS. (© Ruth Forrester)

Vor meinem Besuch im autonomen Supermarkt bin ich neugierig und vorfreudig, aber auch angespannt und durchaus skeptisch. Ein Geschäft ganz ohne Personal? Kann das funktionieren? 

Challenge accepted. Vor dem Filialbesuch erst mal die App downloaden und registrieren. So weit alles easy. Motivierendes Feedback von der App. Gut gemeint. Dann Eingabe der Bankdaten. Wie immer begleitet mich bei diesem Schritt ein leicht mulmiges Gefühl. Zum Glück geht auch Paypal. Dann endlich geschafft. 

Los geht’s, rein in den Store. Hinter mir geht die Türe zu. Fühle mich im ersten Moment eingeschlossen und hoffe, dass mich die Technik nachher auch wieder rauslässt.  

Alles automatisch

Jetzt aber auf Entdeckungstour! Ich nehme etwas aus dem Regal. Sofort erfolgt die automatische Erfassung der Ware in meiner digitalen Einkaufsliste. Auf dem Display in der App finde ich zusätzlich eine Schritt-für-Schritt-Anleitung. Cool! Prinzip verstanden, fühle mich sicherer. Artikel zwei und drei wandern ebenfalls in den Einkaufskorb. Meine Gedanken: Was passiert, wenn mehrere Personen gleichzeitig nebeneinanderstehende Produkte herausnehmen? Funktioniert das dann immer noch? Lässt sich die Technik austricksen?  

Schaue mich um. Neben mir sind weitere Personen im Laden. Eine davon offensichtlich auch zum ersten Mal. Agiert unbeholfen, wie ich zu Beginn auch. Bin froh, nicht alleine zu sein. Wie sich das wohl abends oder nachts anfühlt? Den Gedanken, hier um vier Uhr morgens mit zwielichtigen Menschen allein zu sein, verdränge ich schnell wieder.  

Zurück ins Hier und Jetzt. Noch einen letzten Artikel einpacken, die Einkaufsliste aktualisiert sich. Die Technik, eine Mischung aus Künstlicher Intelligenz, Bilderkennung sowie Bewegungs- und Gewichtssensoren, scheint gut zu funktionieren. Dann ab zur Kasse. Doch es gibt keine. Ich kann einfach rausgehen, ohne Bargeld oder die Karte zücken zu müssen. Fühlt sich komisch an und ich habe das Gefühl, wie ein Dieb davonzuschleichen. Die Bezahlung erfolgt über die App. Alles gut. Die Tür öffnet sich und ich verlasse den Laden. Geschafft. Wow! 

Potenzial mit Bedenken

Challenge mastered. Anfangs etwas wackelig, dann immer sicherer. Eine neue Art des Einkaufens, basierend auf Selbstbedienung, Bequemlichkeit und Flexibilität. Sehr cool: keine Schlange an der Kasse, kein Ablegen aufs Kassenband. Alles sehr zeitsparend und praktisch. Und ziemlich nice, rund um die Uhr einkaufen zu können. Bezahlung ist noch gewöhnungsbedürftig. In Summe bin ich überrascht, wie gut und reibungslos alles funktioniert.  

Klar, aus Sicht des Handels bieten autonome Stores enormes Potenzial für Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerung. Und es ist offensichtlich, dass sich durch Kundendaten und Analysen das Einkaufserlebnis verbessern wird – siehe personalisierte Empfehlungen und Angebote. Dem gegenüber stehen allerdings auch hohe anfängliche Investitionen in die Technologie. Und die Frage nach deren Zuverlässigkeit. Autonome Systeme sind anfällig für technische Störungen, die den Geschäftsbetrieb beeinträchtigen oder gar lahmlegen können. Bedenken bleiben: Was passiert, wenn die Technik versagt oder die Abrechnung fehlerhaft ist? Was, wenn ich eine Frage habe oder Hilfe benötige? Oder im Notfall? Und wie steht es um den Datenschutz angesichts der vielen Sensoren und der KI?  

Mir ist bewusst geworden, welche Bedeutung der Faktor Mensch hat. Das fehlt hier. Die Zukunft mag autonom sein. Doch insgeheim freue ich mich auf meinen nächsten analogen Einkauf und das Piepsen der Waren beim Einscannen durch einen Mitarbeitenden.