Von ihren Forschungsergebnissen berichten Prof. Dr. Gianfranco Walsh von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Prof. Boris Bartikowski von der Euromed Business School in Marseille im aktuellen „European Journal of Marketing”.
Ob in der schicken Boutique, an der Käsetheke im Supermarkt oder am Schalter des örtlichen Nahverkehrs: Als Kunde kann man erwarten, von freundlichem Personal bedient zu werden. Zwar kommen Dauerlächeln und übertrieben enthusiastische Standardfloskeln auch nicht immer gut an. Fest steht jedoch: Der in der Vergangenheit häufig geäußerte Vorwurf, der Dienstleistungssektor in Deutschland sei zu wenig kundenorientiert, stimmt so nicht mehr. Walsh erklärt: „Heute erwarten Dienstleistungsunternehmen von ihren Mitarbeitern, dass sie die Kunden zuvorkommend und freundlich behandeln – egal in welcher Gemütsverfassung sie selbst gerade sind.“ Diese „Emotionsarbeit“ stelle erhebliche Anforderungen an die Mitarbeiter, schließlich „kann die nach außen gezeigte Emotion ja gänzlich im Widerspruch zu den eigenen Gefühlen stehen“, betont der Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing.
Gefühle steuern oder authentisch handeln?
In ihrer Arbeit unterscheiden Walsh und Bartikowski zwei Strategien zur Bewältigung von Emotionsarbeit: das sogenannte „Surface Acting“ und das „Deep Acting“. Beim „Surface Acting“ bemühen sich die Mitarbeiter um die bewusste und angemessene Steuerung ihres mimischen und gestischen Ausdrucks, während ihre Gefühle davon unberührt bleiben. „Deshalb bezeichnet man diese Art des Emotionseinsatzes auch als Faking – als Täuschung“, sagt Walsh. Im Unterschied dazu gehe es beim „Deep Acting“ nicht um das Vortäuschen von Gefühlen, sondern um tatsächliches Empfinden. „Die Dienstleistungsmitarbeiter versuchen, die erforderlichen Gefühle tatsächlich nachzuempfinden und in ihrer Arbeit authentisch zu zeigen.“ So könne sich beispielsweise die Stewardess einen pöbelnden betrunkenen Passagier einfach als jemanden vorstellen, der auf seinem ersten Flug in Panik gerät und deshalb Ärger macht.
Strategie der Emotionsarbeit beeinflusst Kündigungsabsicht
Welche Strategie die Mitarbeiter für die Emotionsarbeit wählen, entscheidet in erheblichem Maße darüber, wie zufrieden oder unzufrieden sie mit ihrem Job sind. Wie die Wirtschaftsforscher in ihrer Untersuchung mit über 230 Dienstleistungsmitarbeitern in Deutschland belegen, steigert – wie erwartet – das „Deep Acting“ gegenüber dem „Surface Acting“ zwar die Arbeitszufriedenheit, „allerdings nur bei männlichen und jüngeren jedoch nicht bei weiblichen und älteren Mitarbeitern“, wie Prof. Walsh erläutert. Zugleich beeinflusse bei weiblichen Mitarbeitern das „Surface Acting“ die Arbeitszufriedenheit negativ.
„Dies deutet darauf hin, dass Männer den Einsatz nicht-authentischer Emotionen als weniger belastend empfinden als Frauen“, sagt Walsh. Für alle Untersuchungsteilnehmer konnten die Forscher zudem einen negativen Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und einer Kündigungsabsicht nachweisen. Der Wissenschaftler erklärt: „Insofern lässt sich sagen, dass die Strategien der Emotionsarbeit indirekt die Kündigungsabsicht beeinflussen können.“
Diese Ergebnisse, so die Empfehlung der Forscher, sollten sich Dienstleistungsunternehmen bei der Rekrutierung und Weiterbildung von Mitarbeitern zunutze machen. „Konkret kann es sich lohnen, die Deep Acting-Kompetenzen von männlichen und jüngeren Mitarbeitern zu stärken, da sich diese positiv auf die Arbeitszufriedenheit auswirken“, resümiert Walsh. (asc)