Einhorn-Gründer: Schwangere bekommen eine Gehaltserhöhung

Die Berliner Einhorn-Kondome sind bekannt geworden durch aberwitzige Marketing-Ideen und eine Marktpositionierung, die komplett gegen das Kondom-Establishment ging. Auch fünf Jahre nach dem Start leben die Berliner Start-up-Flair, vor allem gegenüber ihren Mitarbeitern, wie Gründer Waldemar Zeiler im Interview erklärt.
"Warum nicht planen, ein dauerhaft erfolgreiches, mittelständisches Unternehmen aufzubauen?", fragt Einhorn-Gründer Waldemaer Zeiler.

Herr Zeiler, werden wir es schaffen, die nächsten zwanzig Minuten nicht über Sex zu sprechen?

WALDEMAR ZEILER: Ja, das schaffen wir. Sex ist immer der Teaser, aber jetzt reden wir mal nicht über Sex.

Sie sind jetzt fünf Jahre dabei. Ist Einhorn immer noch ein Start-up?

Ich glaube schon. Ich glaube, wir kommen nie aus der Start-up-Phase raus, weil für mich bedeutet Start-up immer, die Dinge zu hinterfragen. Und die größte Gefahr, die ich sehe, ist, wenn man Angst hat, etwas zu verlieren. Ich unterhalte mich ja viel mit anderen und viele sagen, dass es bei uns so geil ist, dass wir uns Dinge trauen. Und dass die früher auch so waren. Und jetzt haben sie zu viel zu verlieren und trauen sich nicht mehr.  In diese Phase will ich nie reinkommen.

Sie selbst sind aber aus dem operativen Geschäft herausgegangen. Warum?

Ich glaube, viele können das besser. Jeder muss sich auf seine Stärken konzentrieren und ich trage am meisten zum Erfolg von Einhorn bei, indem ich mache, was ich mache. Und das ist viel „rumspinnen“. Ich bin auch gerne der devils advocat und stelle alles in Frage oder ich bringe die Leute zum Lachen. Und diese Rolle kann man nur ausführen, wenn man etwas raus ist aus dem Operativen. Manchmal kehr ich aber auch voll ins Operative zurück, zum Beispiel, sobald es ans Produktdesign geht. Aber ich zoome mich eben gerne raus.

Besteht da die Gefahr, dass der Teufelsanwalt irgendwelche Reden schwingt und die aus dem Operativen sagen: Lass ihn mal reden, den alten Mann? 

Ja, total. Das passiert ständig. Ich erzähle über New Work und dann sagen die aus dem Team: Was erzählst Du da eigentlich, das funktioniert noch gar nicht. Und ich finde es super wichtig, dass wir genau diese Kultur haben und uns immer gegenseitig challengen. Und trotzdem glaube ich, dass wir uns total unter Wert verkaufen. Wir machen viele Fehler, wir experimentieren andauernd, aber im Vergleich zu anderen Firmen machen wir sehr viel richtig. Tatsächlich ist unser Weg eben auch kein einfacher. Demokratie ist schwierig, diskutieren ist schwierig. Das fühlt sich manchmal zäh an, aber das muss man aushalten. Problematisch wäre es, wenn ich diese Kritik nicht mehr annehme. Da kenn ich auch einige, bei denen das so geworden ist.

Was passiert, wenn sich bei einem Teammitglied wichtige Lebensparameter ändern, man zum Beispiel eine Familie gründet und nicht mehr mit dem vollen Einsatz mitspielen kann oder will?

Wenn jemand Familie bekommt, kommt er eigentlich noch dichter an Einhorn heran. Wenn man Kinder bekommt, hat man einen ganz anderen Sinn im Leben. Dann fragt man sich ja: Zu was für einer Welt trage ich bei? Und die sind umso froher, dass sie bei Einhorn arbeiten, weil da diese Sinnfrage zum Teil schon beantwortet ist. Wir sind jetzt alle um die 30 und es ist klar, dass eine ganze Kinderwelle auf uns zu rollt. Und wir haben relativ früh gesagt, dass wir uns als Firma da mitentwickeln wollen, und deshalb bekommt jede, die ein Kind bekommt, automatisch 400 Euro netto mehr. Wir wollen diese Spirale der Ungleichheit auflösen, die dazu führt, dass eher die Frau zuhause bleibt, weil sie ja weniger verdient, als der Mann. Bei uns bekommt sie eine Gehaltserhöhung.

Wie erkennen Sie selbst, wo Ihre Grenzen sind, wo Sie eher auf Dritte zurückgreifen müssen? 

Wer mich besonders eicht, wenn ‚Du‘ mal wieder in Hybris verfällst – und das passiert immer wieder – ist mein Mitgründer Phillip. Wir mögen uns sehr, kennen aber auch kein Pardon. Wir fighten und kämpfen für die Sache. Da holen wir uns gegenseitig runter. Und meine Partnerin natürlich. Die findet es ab und zu mega-nervig und holt mich auf den Boden zurück. Da muss man offen sein, und ich empfehle wirklich eine Psychotherapie. Einen Experten draufschauen lassen.

Täuscht mich das Gefühl, oder sind die Themen Nachhaltigkeit und vegan auf der Website etwas in den Hintergrund gerückt?

Uns ist wichtig, mit dem Produkt zu überzeugen. Das ist unser Trojanisches Pferd. Wenn wir in den Lifestyle-Märkten überzeugen, kaufen die Leute unsere Produkte und dann können wir unserer Geschichte erzählen. Du wirst reingezogen in unsere Blase und wir werden Dich kriegen. Wir werden über Nachhaltigkeit sprechen. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, das Thema Nachhaltigkeit noch nicht ganz in den Vordergrund zu schieben. Wir wollen Fans gewinnen, die dann dahinter schauen wollen. Die Zeit ist noch nicht ganz reif, um nur mit Nachhaltigkeit da raus zu gehen. Das verändert sich gerade in den Köpfen. Wir haben eine Mainstream-Strategie gewählt.

Was würden Sie einem Start-up aus Ihrer Erfahrung von acht Gründungen und sieben Fails mitgeben?

Man sollte sich relativ früh fragen: Was ist der Sinn? Man muss viel reinstecken und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern. Wenn Du diese Frage mit: Ich mache einen Exit beantwortest, dann lass es lieber. Davon haben wir genug. So romantisch das klingt, aber Du schaffst Dir den schönsten Arbeitsplatz der Welt, wenn Du da Sinn reinbringst.

Sie raten auch zu extremer Vorsichtig im Umgang mit Investorengeld?

Zurzeit ist viel Geld in Umlauf und gerade Gründer sollten um jedes Prozent der Beteiligung kämpfen. Ich habe viele gesehen, die haben bereits mit dem ersten Invest, das sie angenommen haben, ihren persönlichen Misserfolg  mitverursacht. Und warum gibt es dieses Denken in „fünf bis sieben Jahre“? Das wird Dir künstlich aufgezwungen. Warum nicht planen, ein dauerhaft erfolgreiches, mittelständisches Unternehmen aufzubauen, dass auch 50 Jahre nach dem Tod des Gründers noch existiert?

Und was macht Sie glücklich?

So einiges. Aber beruflich betrachtet: Ein leerer Terminkalender.