Die Produktempfehlung von nebenan – zu wenig erforscht?

Die einfache Mund-zu-Mund Propaganda erhält im Zeitalter wachsender Dienstleistungsmärkte neue Bedeutung. Wenn Konsumenten den werblichen Aussagen der Unternehmen nicht mehr vertrauen, holen sie Rat bei ihnen nahestehenden Personen.

Eine an der Fachhochschule Kiel durchgeführte Studie untersucht, ob Unternehmen mit einer positiven Mund-zu-Mund-Propaganda ihrer Kunden den Produktabsatz fördern und mit welchen Maßnahmen sie eine positive Weiterempfehlung stützen. Im Fokus der Studie steht die positive Mund-zu-Mund-Propaganda. Die Forscher arbeiten dabei mit Daten, die sie durch die Kundenbefragung bei einer ausgewählten Bank erhalten.

Zunächst einmal bestätigt die vorliegende Studie die Vermutung, dass Kunden einer Mund-zu-Mund-Propaganda mehr Glauben schenken als herkömmlicher Werbung: Über 73 Prozent der Befragten geben an, ein Finanzprodukt aufgrund einer Empfehlung bevorzugt nachzufragen. Die durchgeführten Interviews machen allerdings auch deutlich, dass die Kunden Finanzprodukte zögerlicher weiterempfehlen als Produkte anderer Branchen:

Wie die Studie weiterhin zeigt, sind die befragten Kunden im Durchschnitt bereit, ihre Erfahrungen mit sechs Personen zu teilen. Sie speichern diese Informationen auf lange Zeit. Und: Je weniger Wissen Kunden für einen Kaufprozess benötigen, je mehr sind sie bereit, sich auf eine Empfehlung zu verlassen. Damit wird das Potential der Mundwerbung deutlich. Auch die Zielgruppe für die Empfehlungen gewinnt an Kontur: Die Befragten äußern, ihre Empfehlungen nicht wie vielleicht angenommen, an Familienmitglieder, sondern meistens an Freunden abzugeben.

Die Kunden sind also bereit, Finanzprodukte aufgrund einer Empfehlung eher nachzufragen. Was aber beeinflusst eine positive Mund-zu-Mund-Propaganda? Was sind die Einflussfaktoren, die einen Konsumenten veranlassen, ein Unternehmen weiterzuempfehlen? Es stellt sich heraus, dass sich Bankkunden durch Prämien (Geld, Geschenke) nicht signifikant mehr motivieren lassen, Mund-zu-Mund-Propaganda zu betreiben. Positiv beeinflusst wird die Bereitschaft jedoch durch positive Erfahrungen, durch die Freundlichkeit, die die Kunden mit der Kontaktperson im Unternehmen erfahren, oder durch das positive Erlebnis, durch die zügige Abwicklung eines Geschäftes, Zeit zu sparen.

Ein erstes Fazit: Viele Unternehmen, die in Freundschaftswerbungsprogramme investieren und ihren Kunden als Gegenleistung für eine erfolgreiche Weiterempfehlung aus umfangreichen Katalogen Prämien anbieten, könnten sich diese Ausgaben sparen: Aufbau, Durchführung und Pflege des Programms sind mit Zeit- und Personalaufwand verbunden. Dabei sind die Kunden ohnehin bereit, für den sie überzeugenden Service eines Unternehmens zu werben. Die dafür aufzuwendenden finanziellen Mittel wären frei, um Kunden in anderer Form zu binden.

Zufriedenheit erhöht die Loyalität der Kunden. Das lässt sich in vielen Studien nachweisen. Dennoch ist Kundenzufriedenheit keine Garantie für treue Kunden. Auch die Annahme, dass Kundenzufriedenheit die Weiterempfehlungsbereitschaft erhöht, kann die Kieler Studie interessanterweise nicht nachweisen: Obwohl anzunehmen wäre, dass eine höhere Kundenzufriedenheit zu einer positiven Mund-zu-Mund-Propaganda führt, beobachten die Forscher, dass sich zufriedene Bankkunden hinsichtlich der Weiterempfehlungsbereitschaft nicht von unzufriedenen Bankkunden unterscheiden. Auch eine längere Kundenbindung scheint die Weiterempfehlungsbereitschaft nicht zu erhöhen. Dabei untersuchten die Forscher auch die Kundenklientel, der es gelungen ist, Bankkunden durch Mund-zu-Mund-Propaganda zu gewinnen. Sie zeichnet sich werder durch eine höhere Kundenzufriedenheit aus noch verfügt sie über längere Geschäftsbeziehungen als andere Bankkunden.

Bisher haben Banken die Mund-zu-Mund-Propaganda zumeist ignoriert und nicht in die Marketing-Pläne integriert. Eine tendenzielle Verschiebung der Ressourcen von medialer Werbung zur traditionellen Weiterempfehlung erscheint in Zeiten zunehmenden Wettbewerbs sinnvoll. Viele Fragen sind jedoch noch offen. Weiterführende, individuelle Studien könnten Unternehmen helfen, die Weiterempfehlungsbereitschaft ihrer Kundschaft zu analysieren und auch zu nutzen.


Dr. Matthias Dressler ist Professor am Institut für Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Kiel.

Pirjetta Stüven ist Diplomandin der Betriebwirtschaftslehre an der Fachhochschule Kiel mit 3 ½ Jahren Berufspraxis im Sparkassenmarketing.