„Obwohl oftmals kolportiert wird, dass Deutsche in dieser Hinsicht risikoavers sein sollen, belegt unsere Studie, dass dies keine Gesetzmäßigkeit darstellt und das Gegenteil der Fall sein kann“, erläutert Dietmar Grichnik, Lehrstuhlinhaber für Corporate Finance und Entrepreneurship an der Universität Witten/Herdecke. Vor allem soziale und kulturelle Normen könnten sich als ein Haupthemmnis unternehmerischer Bestätigung auswirken.
So sei die Angst, einem unternehmerischen Scheitern zu unterliegen und dem gesellschaftlichen Sanktionspotenzial ausgeliefert zu sein, in Deutschland weitaus höher als in den USA. Scheitere ein Jungunternehmer in Deutschland, so lege man dies unmittelbar als „Makel an der Persönlichkeit“ aus. Amerikaner hingegen seien weitaus häufiger nicht erfolgreich, könnten dies jedoch eher als „Erfahrungsschatz“ verbuchen.
„Wir müssen mit gängigen Stereotypen aufräumen, die ein positives Rollenverständnis des Unternehmers in Deutschland verhindern“, unterstreicht der Lehrstuhlinhaber. Somit sei weniger eine Konzentration auf die Risikofreude, als vielmehr die Wahrnehmung des mit der Gründung verbundenen Risikos entscheidend. Der Forscher zeigt sich davon überzeugt, dass ein von Anfang an verstärkt ausgeprägtes Selbstbewusstsein potenzieller Unternehmensneugründer die Risikowahrnehmung minimiert und die Neugründung wahrscheinlicher werden lässt.
Dieses in der Theorie der Entrepreneurship-Forschung häufig als irrational beschriebenes Verhalten böte dem Wissenschaftler zufolge erst die Voraussetzung, sich dem Wagnis einer Firmengründung überhaupt zu stellen. Demnach spielt es eine zentralere Rolle, wie sehr Risiken überhaupt wahrgenommen werden, als die generelle Einstellung zum Risiko selbst. „Hier bedarf die Entrepreneurship-Forschung einer Neuorientierung, die ein derartiges Verhalten nicht a priori als irrational einordnet, sondern im Einklang mit der jeweiligen Risikoeinstellung als vernünftiges Verhalten erfasst“, erklärt der Experte. pte