Demoskopie reloaded 

Mit KI wird die Verbreitung von Fake News zum Kinderspiel. Meinungsforschung kann mit Fakten dagegenhalten – auch dank KI.
asw-kolumne-janina-muetze-blau
Janina Mütze ist Co-Gründerin und CEO von Civey, dem Tech-Unternehmen für digitale Markt- und Meinungsforschung. (© Civey, Montage: Olaf Heß)

Der abstrakte Begriff KI ist 2023 plötzlich für viele Menschen ganz konkret geworden – das ist erst mal eine gute Nachricht. Doch trotz ihrer steigenden Präsenz, beispielsweise durch das Textprogramm ChatGPT, sind die Technologie, ihr wahres Potenzial und ihre Auswirkungen für viele nach wie vor ein Rätsel.  

Die Meinungen darüber, ob KI positive oder negative Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben wird, gehen stark auseinander. Eine beunruhigende Zahl von Menschen glaubt, dass die Kontrolle über KI langfristig verlorengehen wird, und viele befürchten einen Rückgang von Arbeitsplätzen durch den Einsatz der Technologie. 

Weder Debatte über Potenzial noch über Gefahren

Trotz dieser Unruhen wird in Deutschland weder über die immensen Potenziale noch über berechtigte Sorgen in der Breite debattiert. Dabei sind manche Gefahren durchaus real: Selbst Medienprofis haben mitunter Schwierigkeiten, künstlich generierte Bilder von echten zu unterscheiden. KI erleichtert die Produktion und Verbreitung von Fake News erheblich. Je stärker unsere Diskurse und die öffentliche Meinungsbildung von KI beeinflusst werden, desto dringender benötigen wir Gegengewichte, um Fakten zu schaffen. Die Meinungsforschung kann hier eine wichtige Rolle spielen. 
 
Und dabei kann sich die Demoskopie KI sogar zunutze machen. Die Digitalisierung ermöglicht es der Meinungsforschung bereits seit Jahren, weiterhin genügend Menschen aus breiten und spezifischen Zielgruppen dazu zu bewegen, ihre Meinung in gesellschaftliche Debatten einzubringen – online statt am Telefon. Nun setzen einige Unternehmen KI ein, um die Teilnahmebereitschaft weiter zu steigern. Durch individuell zusammengestellte Fragestellungen zum Beispiel, die Befragte so interessant finden, dass sie nicht abspringen.  

Klare Standards und Transparenz gefragt

KI wird immer tiefer in die Meinungsforschung vordringen. Deshalb ist in der Markt- und Meinungsforschung – wie in anderen Branchen auch – die Zeit reif für einen gemeinsamen KI-Rahmen. Denn Demoskopen tragen eine hohe Verantwortung in öffentlichen Diskursen. Wenn KI künftig Fragen formuliert oder Antworten analysiert, bedarf es dafür klarer Standards und Transparenzregeln. 
 
Die zunehmende Verbreitung von KI wirft in nahezu allen Branchen und Lebensbereichen neue Fragen auf. Die Technologie wird vieles von dem verändern, was für uns heute noch selbstverständlich ist – damit es auch zum Guten ist, sollten wir dabei nicht nur zusehen. 

Janina Mütze ist Gründerin und Geschäftsführerin von Civey und schreibt in ihrer Kolumne über Markt- und Meinungsforschung. Die Kolumnistin gehörte zu den Marketing-Talenten 2021 der absatzwirtschaft.