Aktuelle Trends im Key Account Management in der Konsumgüterindustrie

Das Key Account Management in der Konsumgüterindustrie wird heute und in Zukunft vor zunehmende Herausforderungen gestellt. Die Gründe hierfür liegen unter anderem in der durch Unternehmenskonzentration ständig wachsenden Handelsmacht, in der Durchsetzung des Verbots von Preisabsprachen zwischen Hersteller und Handel durch das Bundeskartellamt, in den nach wie vor ungelösten Problemen bei Efficient-Consumer-Response-Kooperationen sowie in einigen Branchen im boomenden Online-Handel.

Von Prof. Dr. Jürgen Lürssen

Das Ziel der Studie bestand darin, den Status Quo sowie aktuelle Trends bei zentralen Themen der Großkundenbearbeitung zu erheben. Dafür wurden Expertengespräche mit 17 Vertriebsführungskräften aus verschiedenen Branchen der Konsumgüterindustrie geführt. Zwölf von ihnen haben die Gesamtverantwortung für den Vertrieb in Deutschland, fünf leiten eine Key-Account- Management-Abteilung in ihrem Unternehmen oder sind Senior Key Account Manager. Daneben wurden zwei auf die Vertriebsberatung von Konsumgüterherstellern spezialisierte Unternehmensberater befragt.
Bei neun Herstellern handelt es sich um deutsche Firmen, bei acht um deutsche Töchter internationaler Unternehmen. Neun Hersteller gehören zur Nahrungs- und Genussmittelindustrie, fünf stellen andere Güter des täglichen Bedarfs (Near-Food) her und drei langlebige Gebrauchgüter. Zwölf Unternehmen haben einen Weltumsatz von mehr als einer Milliarde Euro, fünf liegen darunter. Alle Hersteller (bis auf einen reinen Handelsmarkenproduzenten) vertreiben Markenartikel, die in Deutschland einen hohen bis sehr hohen Bekanntheitsgrad haben.

1. Endverbraucherpreise: Das Ende der bisherigen Art der Preispflege wird nicht als Drama angesehen

Trotz der 2010 vom Bundes¬kartellamt verursachten starken Verunsicherung vor allem in der Lebensmittelbranche werden die Konsequenzen der neuen Preishoheit des Handels für den Markenwert und die Key-Account-Bearbeitung nicht als bedrohlich empfunden. Hinsichtlich der Folgen für den Markenwert zeigt sich somit ein gewisser Gegensatz zwischen Marketing-Theorie und Vertriebspraxis.

In der Marketingliteratur herrscht weitgehende Einigkeit, dass eine Marke idealerweise in allen Vertriebskanälen dauerhaft zum gleichen Preis angeboten wird, denn Konsistenz und Kontinuität im Markenauftritt und damit auch in der Preispolitik gehören zu den Erfolgsfaktoren der Markenführung (Homburg/Krohmer 2009, S. 620 ff). In vielen Konsumgütermärkten führt der Handel in Abstimmung mit seinen Lieferanten regelmäßig zeitlich befristete Verkaufsförderungsaktionen für Markenartikel mit abgesenkten Preisen durch. Dies scheint mit der Forderung nach Konsistenz und Kontinuität vereinbar, solange die Aktionen nicht zu häufig stattfinden, der Aktionspreis bei allen Handelspartnern derselbe ist und nicht zu stark unter dem Regalpreis liegt.
Hingegen führen Dauerniedrigpreise, häufige Preisaktionen, im Verhältnis zum Regalpreis sehr stark abgesenkte Aktionspreise sowie große Preisunterschiede zwischen Handelsunternehmen zu Irritationen der Konsumenten, indem sie das einheitliche Erscheinungsbild der Marke schädigen. Auf diese Weise schwächen sie den Markenwert (Zentes/Swoboda 2005, S. 1067 f). Kirchgeorg/Klante (2005, S. 335 ff) sehen in häufigen Preisaktionen im Handel eine der möglichen Ursachen für Markenerosion.

Preispflege bei Aktionspreisen
Bisher war es üblich, dass Hersteller ihren Handelspartnern nicht nur Empfehlungen für den Regalpreis („Unverbindliche Preisempfehlung“ UPE), sondern auch für den Aktionspreis gaben. Um Preisschlachten zwischen den Großkunden zu verhindern und um vor allem bei den Aktionspreisen bundesweit ein einheitliches Niveau zu erreichen, haben die meisten Hersteller durch sogenannte „Preispflege“ versucht, den Handel mit Anreizen zu einheitlichen Aktionspreisen zu bewegen – in der Regel mit Erfolg.

Eine solche Vorgehensweise schützte nicht nur den Markenwert vor Erosion, sondern erleichterte auch dem Key Accounter das Leben. Denn ein Preisverriss durch einen Händler brachte unweigerlich viel Ärger mit anderen Handelskunden. Diese forderten in der Regel Zusatzkonditionen, um denselben Tiefpreis ohne Margenverlust realisieren zu können.

Die gängige Praxis der Preispflege wertet das Bundeskartellamt als Eingriff der Hersteller in die Preissetzungsautonomie der Handelspartner und als illegale vertikale Preisabsprache. Dies ist der Inhalt eines Schreibens, das die Behörde 2010 an Hersteller und Händler der Lebensmittelbranche geschickt hat. Vorangegangen waren Hausdurchsuchungen durch das Bundeskartellamt bei vier Industrie- und elf Handelsunternehmen der Branche.

Das Vorgehen und die Stellungnahme des Bundeskartellamts haben sowohl bei Herstellern als auch bei Handelsunternehmen große Unsicherheit über die Rechtslage hervorgerufen. Dies wurde in den meisten Gesprächen deutlich. So wurde von fast allen Gesprächspartnern betont, dass keinerlei Absprachen über Regal- und Aktionspreise mehr möglich seien. Lediglich das Überreichen einer UPE-Liste sei noch erlaubt. In der Folge gäbe es deutlich mehr Preisverriss als früher. Allerdings würde sich anders als früher auch kein Einkäufer mehr über einen Preisverhau eines Wettbewerbers beschweren – aus Angst vor dem Kartellamt.

Keiner der Befragten schien die neu eingetretene Situation im Hinblick auf die Preiswahrnehmung ihrer Marken durch die Konsumenten zu bedauern. Schädliche Auswirkungen auf Ihre Marken schlossen zwei Gesprächspartner sogar explizit aus. Von mehreren Gesprächspartnern wurde betont, dass die Höhe des Aktionspreises auch ohne Absprache beeinflusst werden könne, nämlich über die Höhe der Aktionskonditionen und damit des Netto-Netto-Preises. Allerdings böten auch erhöhte Netto-Netto-Preise keinen absoluten Schutz vor Preisverriss einzelner Handelspartner. Dieser schade aber dem Markenwert nicht.

Ein Gesprächspartner wies darauf hin, dass die Aktionspreisempfehlungen zwar nicht mehr wie früher schriftlich fixiert werden können, dass mündliche Vereinbarungen aber nach wie vor möglich seien.

Etwas Klarheit in die Rechtslage brachte ein Interview, das der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, der Lebensmittelzeitung im September 2010 (Mundt 2010, S. 25 ff) gab. Darin stellte er klar, dass Hersteller und Händler über den Endverbraucherpreis reden dürfen. „Problematisch wird das erst, wenn über irgendwelche Mechanismen – und die können vielfältig sein – die Preise im Laden oder ein Preisgefüge festgeschrieben wird. Dem Händler darf auf keinen Fall die Möglichkeit genommen werden, seinen Preis zu jeder Zeit selbst zu bestimmen.“

Dauerniedrigpreise
Eine andere Problematik können die Dauerniedrigpreise für Markenartikel darstellen, die im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) von Discountern wie Lidl oder Netto und unter den Drogeriemärkten von dm praktiziert werden. Die Mehrzahl der Befragten sieht das Thema allerdings als wenig problematisch an – mit unterschiedlichen Begründungen. Im LEH verfügen die beiden Vollsortimenter Edeka und Rewe mit Netto bzw. Penny selbst über Discountschienen, in denen Markenartikel zu Dauerniedrigpreisen verkauft werden. Deshalb seien sie prinzipiell bereit, Dauerniedrigpreise auch bei Lidl zu akzeptieren.

Ein kleinerer Teil der Befragten arbeitet aber grundsätzlich nicht oder nur in sehr geringem Umfang mit Lidl zusammen, u.a. weil Lidl bei Markenartikel-Aktionen den Preis nochmals unter den Dauerniedrigpreis senkt.

Bei den Drogeriemärkten arbeitet dm mit Dauerniedrigpreisen für Markenartikel, seine Wettbewerber hingegen mit Regalpreisen über dm-Niveau und Aktionspreisen darunter. Solange es insgesamt nur wenige Aktionen für einen Markenartikel pro Jahr gäbe, könnten beide Handelsseiten mit dieser Situation leben. Andernfalls senke dm seinen Preis auf das Aktionspreisniveau seiner Wettbewerber.

2. Große Branchenunterschiede beim E-Commerce als Vertriebskanal des Handels

Während die Vertriebsverantwortlichen der Hersteller von Gütern des täglichen Bedarfs kein nennenswertes E-Commerce-Potential bei ihren Handelspartnern sehen, wächst der Online-Handel in vielen Branchen der langlebigen Konsumgüter stark. Hier verursacht die Preis¬aggressivität der Online-Händler für Markenartikelhersteller Probleme mit ihren stationär operierenden Handelspartnern.

Güter des täglichen Bedarfs
Unter den neun Vertriebsleitern und zwei Unternehmensberatern mit Expertise im Food-Bereich überwiegt deutlich die Skepsis, dass der Online-Handel mit Lebensmitteln und Getränken merklich wachsen wird – und dies, obwohl LEH-Unternehmen wie Tesco in Großbritannien und LeShop.ch in der Schweiz hohe Wachstumsraten aufweisen. Mehrere Gründe werden dazu angegeben:

  • Frische, gekühlte und tiefgefrorene Lebensmittel eigneten sich aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht gut für den Versandhandel.
  • Ähnliches gelte für typische Impulsartikel wie beispielsweise Süßwaren. Hier befürchte der LEH, dass diese von Online-Kunden weniger gekauft würden als von Laden-Kunden. Dies reduziere sein Interesse am Online-Geschäft.
  • Im Vergleich zur Schweiz und zu Großbritannien sei das Lebensmittel-Preisniveau in Deutschland deutlich geringer. Die hier weitverbreitete Discount-Mentalität, die dafür mit verantwortlich sei, lasse das Online-Geschäft mit seinen zusätzlichen Logistik-Kosten unattraktiv erscheinen.
  • Deutschland habe eine hohe LEH-Filialdichte, und die Discounter hätten an vielen Orten Nahversorgerfunktion übernommen. Fast überall brauche man nicht weit zu fahren, um Lebensmittel einzukaufen. Auch das reduziere die Attraktivität des Distanzhandels mit Lebensmitteln.

Von den wenigen Befragten, die an ein Wachstum des Online-Geschäfts mit Lebensmitteln glauben, wird zum einen der demografische Wandel ins Feld geführt: Die Anzahl älterer Konsumenten, die die Vorteile der Hauslieferung schätzten und bereit seien dafür zu bezahlen, wachse ständig. Zum anderen wird argumentiert, dass die Anzahl der Supermärkte in Deutschland längerfristig zurückgehen werde.

Im Bereich Nearfood verzeichneten zwar die Drogeriemärkte Wachstum im Online-Geschäft, aber die befragten Lieferanten glauben nicht an eine große Zukunft dieses Geschäfts. (Laut einem Gesprächspartner soll sich der Internet-Umsatz von z.B. Rossmann und Schlecker, die beide über einen etablierten Online-Shop verfügen, in einer Größenordnung von 1 % ihres Gesamtumsatzes bewegen.)

Langlebige Gebrauchsgüter
Ein ganz anderes Bild ergibt sich im Bereich der langlebigen Gebrauchsgüter. Hier hat sich der Online-Handel als Vertriebskanal fest etabliert und wird von allen betroffenen Gesprächspartnern als stark wachsend bezeichnet. Dabei gibt es sowohl stationäre Händler, die zusätzlich einen Online-Shop betreiben, als auch reine Online-Handelsunternehmen wie amazon oder ebay. Dabei sind die meisten Betreiber von Online-Shops bei der Vermarktung von Markenartikeln sehr preisaggressiv. Im Bereich der Unterhaltungselektronik und Haushaltgeräte sind es aber auch nicht selten kleinere Fachmärkte oder Fachmarktgruppen, die im Netz eine ausgesprochene Niedrigpreispolitik betreiben.

Eine solche Preissituation mache dem rein stationären Handel zu schaffen, z.B. dem traditionellen Fachhandel, aber auch einer großen Fachmarktgruppe wie MediaMarkt/Saturn. Ein Gesprächspartner berichtet beispielsweise, dass manche Verbraucher mit Kaufabsicht sich zunächst in einem Fachmarkt über das Angebot in der sie interessierenden Warengruppe beraten ließen und anschließend das gewählte Produkt bei einem Internethändler günstiger einkauften. Die betroffenen stationären Händler seien über Markenartikelunternehmen, die auch ihre Online-Konkurrenten beliefern, sehr verärgert.

Eine Möglichkeit, den Konflikt zu entschärfen, besteht im Angebot unterschiedlicher Sortimente für beide Kundengruppen. Dabei werden wichtige Artikel aus dem Produktprogramm in zwei Versionen angeboten: den preisaggressiven Online-Kunden die Standardvariante und dem nur stationären Handel mit persönlicher Beratung eine etwas besser ausgestattete Version mit einem höheren EVP, der im Beratungsgespräch gerechtfertigt werden kann. (Diese Politik wurde schon vor Jahrzehnten in verschiedenen Märkten für langlebige Konsumgüter praktiziert, um den unterschiedlichen Interessen des Fachhandels und der SB-Warenhäuser gerecht zu werden.)

Direktvertrieb der Hersteller
Das Internet als Vertriebskanal für ein Direktgeschäft mit Konsumenten kommt für fast alle befragten Unternehmen nicht in Frage. Nur eines betreibt einen eigenen Shop, und auch nur für eine seiner Marken. Bei Gütern des täglichen Bedarfs ist der wesentliche Grund, dass ein Online-Vertrieb sich kaum lohnt.

Die meisten Hersteller langlebiger Gebrauchsgütern befürchten hingegen negative Reaktionen der Großkunden. Nur einer der Gesprächspartner verkauft über einen sogenannten Markenshop bei ebay direkt an Endverbraucher.

3. Hersteller-Handels-Kooperationen im Bereich Efficient Consumer Response (ECR) sind heute zum Teil Tagesgeschäft, aber „die Luft ist raus“

Zwar gibt es Beispiele gut funktionierender ECR-Partnerschaften, vor allem im Bereich Efficient Replenishment und teilweise auch im Category Management, aber insgesamt scheint bei dem Thema eine gewisse Ernüchterung eingetreten zu sein. Der Aufwand ist beträchtlich und die Interessengegensätze zwischen Hersteller und Handel erschweren eine vertrauensvolle Kooperation. In vielen Fällen werden unter der Bezeichnung „ECR“ Serviceleistungen der Hersteller wie etwa Sortimentsempfehlungen oder Analysen von durchgeführten Verkaufsförderungsaktionen verstanden, die man den Handelspartnern – auch ohne sie ECR zu nennen – sinnvollerweise anbieten sollte.

Die Zielsetzung des ECR-Konzepts besteht in der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Handelsunternehmen, um zum beiderseitigen Vorteil besser auf die Konsumentenachfrage reagieren zu können. Das ECR-Konzept umfasst nach Ahlert/Kenning (2007, S. 203 ff) vier Basisstrategien (vgl. Abb.1), von denen eine die Supply- Side, also Logistik und Auftragsadministration, betrifft und die drei anderen die Demand-Side, also das Marketing bzw. Category Management im weiteren Sinn:

  • Efficient Replenishment ist eine nachfragegetriebene Logistik-Konzeption, die eine jederzeitige Warenverfügbarkeit im Laden sicherstellen soll. Zu seinen Instrumenten zählen der elektronische Datenaustausch (Electronic Data Interchange EDI) und die Festlegung der optimalen Liefermengen durch den Lieferanten auf der Basis von tagesaktuellen Abverkaufs- und Bestandsdaten des Handelskunden (Vendor Managed Inventory).
  • Effiicient Store Assortments bezweckt die Optimierung der Zusammensetzung der einzelnen Warengruppen (Categories) im Hinblick auf Kundenorientierung und Rendite (Category Management im engeren Sinne). CM bedeutet unter anderem, die von einem Handelsunternehmen angebotenen Warengruppen nach Konsumentenbedürfnissen zusammenzustellen und nicht – wie oftmals üblich – nach herstellerbezogenen Kriterien, wie etwa nach Marken oder Materialien (Schröder/Rödl 2006, S. 571).
  • Efficient Promotions zielt auf die maximale Systemeffizienz von Verkaufsförderungsaktionen im Handel ab. Diese liegt im beiderseitigen Interesse von Hersteller und Händler (van der Gathen 2007, S. 86).
  • Efficient Product Introductions bezweckt eine „effizientere Gestaltung der Produktentwicklungs- und -einführungsprozesse“ (Specht/Fritz 2005, S. 192).

Abb.: Die vier Basisstrategien des Efficient-Consumer-Response-Konzepts
(Quelle: Ahlert/Kenning 2007, S. 206)

Efficient Replenishment. Die große Mehrheit der Befragten wickelt die Verkaufsadministration zumindest mit einigen Kunden über EDI ab. Die Spannweite der Angaben ist recht groß und reicht von „EDI mit einzelnen Kunden“ bis zu „EDI mit fast allen Kunden“. Ganz anders stellt sich die Situation beim Vendor Managed Inventory (VMI) dar. Hier gibt es nur drei Unternehmen, die dieses praktizieren – aber auch nur jeweils mit einzelnen Kunden. Zwei weitere Firmen führen zur Zeit gerade VMI-Tests mit Kunden durch.

Effiicient Store Assortments. Nur etwa die Hälfte der Unternehmen setzt Category Management in der Key-Account-Bearbeitung ein, teilweise noch im Rahmen von Pilotprojekten. Unter den Gesprächspartnern, die CM einsetzen, gibt es kein einheitliches Verständnis des Begriffs. Die Mehrheit versteht darunter die Empfehlung einer abverkaufsorientierten Platzierung der eigenen Produkte in den Regalen des Kunden.

Die eigentliche Definition von CM besteht aber in einer nachfrageorientierten umfassenden Empfehlung der Sortimentszusammensetzung in der betreffenden Warengruppe im Sinne eines Regallayouts (Planogramm) einschließlich der Wettbewerbsprodukte und Eigenmarken des Handelspartners. Offensichtlich teilen aber auch nicht alle Händler dieses Verständnis von CM, bzw. es wollen nicht alle diesen Service. Einige erwarten Sortimentsempfehlungen ohne Einbeziehung ihrer Eigenmarken, andere ganz ohne Einbeziehung der Wettbewerbsprodukte.

Die Zusammenarbeit mit den Handelspartnern im CM ist nicht unproblematisch. Die Gesprächspartner nannten folgende Problembereiche:

  • Die grundsätzlichen Interessengegensätze zwischen Industrie und Handel blieben bestehen. Jeder Hersteller wolle natürlich auch als Category Captain seinen Umsatz und Ertrag mit dem Handelskunden maximieren (zulasten seiner Wettbewerber). Dies erschwere eine interessenfreie, objektive Beratung. Der Handel verfolge zwar auch die Ziele der Umsatz- und Ertragssteigerung, aber lieferantenübergreifend. Durch Eigenmarken werde der Interessengegensatz im Hinblick auf die Zusammenstellung der Warengruppe noch verschärft. Ein von einigen befragten Unternehmen verfolgter Lösungsansatz besteht in der Einrichtung einer eigenständigen CM-Abteilung, die strikt getrennt vom Key Account Management mit den Kunden zusammenarbeitet.
  • Es bestehen von Herstellerseite Befürchtungen, dass Handelspartner das warengruppenspezifische Know-how, das sie im Rahmen der CM-Zusammenarbeit erhalten, an andere Hersteller weitergeben könnten.

Insgesamt scheint es so zu sein, dass gemeinsame CM-Projekte im oben genannten umfassenden Sinne nur von relativ wenigen, vor allem großen Industrieunternehmen mit großen Handelspartnern durchgeführt werden. Dies bestätigt auch einer der befragten Berater.

Efficient Promotions. Zwei Drittel der befragten Unternehmen arbeiten bei der Planung von Verkaufsförderungsaktionen mit ihren Handelspartnern zusammen, aber auch hier gibt es unterschiedliche Ausmaße der Intensität. Das Spektrum reicht von einzelnen Kooperations-Projekten, wie etwa gelegentliche maßgeschneiderte Aktionen, über die regelmäßige Analyse von Promotion-Resultaten und Diskussion mit den Kunden mit dem Ziel der kontinuierlichen Ergebnisverbesserung bis hin zum Fall eines Category Captain, der seinem Kunden nicht nur den optimalen Sortimentsaufbau, sondern auch die gesamte Verkaufsförderungsplanung für die Warengruppe vorschlägt.

Efficient Product Introductions. In diesem ECR-Bereich kooperiert nur knapp die Hälfte der befragten Unternehmen mit ihren Handelspartnern. Folgende Gründe für ihre Zurückhaltung nannten die anderen Gesprächspartner:

  • Notwendigkeit der Geheimhaltung von Entwicklungsprojekten, u.a. aus patentrechtlichen Gründen
  • Desinteresse auf der Seite der Einkäufer
  • Produktentwicklung wird von der ausländischen Muttergesellschaft durchgeführt, die deutsche Tochter ist nur für die Vermarktung zuständig

Einige befragte Unternehmen arbeiten mehr im Bereich der Neuproduktentwicklung, andere mehr bei der -einführung zusammen. Im Rahmen der Entwicklung geht es um die gelegentliche oder regelmäßige Diskussion eigener Produktideen mit Handelspartnern bzw. um das Aufgreifen entsprechender Anregungen des Kunden. Dagegen bedeutet Zusammenarbeit bei Neuprodukteinführungen das Gespräch über die Optimierung von Einführungsaktivitäten, in einem Fall sogar über die optimale Positionierung und Preisstellung von neuen Produkten.

Grundsätzliches Interesse des Handels an ECR-Kooperationen. Grundsätzlich scheint das Interesse auf Handelsseite je nach Branche unterschiedlich stark ausgeprägt zu sein: Beispielsweise ist es im LEH stärker als im Baumarktbereich. Unabhängig davon scheint im Konsumgüterhandel insgesamt beim Thema ECR eine gewisse Ernüchterung eingetreten zu sein. In den Worten eines Vertriebsleiters aus dem Bereich langlebige Gebrauchsgüter: „ECR war vor vier bis fünf Jahren hochaktuell, jetzt nicht mehr.“ Und einer der befragten Berater sagt: „ECR ist schon fast ein Schimpfwort geworden.“

Des ungeachtet äußerten mehrere Befragte, dass Ihre Kunden nach wie vor besonders an Kostenreduzierungen im Logistikbereich interessiert seien. Die befragten Berater sehen darüber hinaus auch ein großes Handelsinteresse an Efficient Promotions. Hier seien durch intensivere Zusammenarbeit noch erhebliche Effizienzsteigerungen möglich. Außerhalb des LEH scheint es nur vereinzelt Interesse am Ausbau der Kooperationen im Category Management zu geben.

4. Steigende Anforderungen an das Key Account Management heute und zukünftig führen zu einer großen Herausforderung: Gute Key Accounter gewinnen und halten

Die Anforderungen an Key Account Manager sind heute schon hoch und werden weiter steigen. Es wird deshalb immer wichtiger, sehr gute Mitarbeiter zu gewinnen oder im eigenen Unternehmen aufzubauen und diese im Interesse einer optimalen Kundenbearbeitung längerfristig zu halten.

Anforderungen an Key Account Manager heute
Eine der interessantesten Fragen im Zusammenhang mit den Anforderungen an Key Account Manager ist die, ob ein Hochschulstudium zwingend erwartet wird. Bei etwa der Hälfte der befragten Unternehmen ist ein Studium nicht unbedingt notwendig, um intern zum KAM befördert zu werden oder als solcher eingestellt zu werden. Dies traf bei allen fünf kleineren Unternehmen zu sowie bei drei der größeren. Tendenziell lässt sich also sagen: je größer das Unternehmen, desto eher ist ein Hochschulabschluss unabdingbar.

Die drei am häufigsten genannten Anforderungen an Nachwuchs-Key Account Manager sind Außendiensterfahrung, Marketingerfahrung sowie analytische und konzeptionelle Fähigkeiten. Außendiensterfahrung sei einerseits wichtig, um überhaupt erlebt zu haben, was verkaufen bedeutet. Andererseits erleichtere sie auch wesentlich die notwendige Zusammenarbeit mit der Feldorganisation. Marketingerfahrung und Markenverständnis andererseits erleichterten die von den meisten Unternehmen angestrebte enge Zusammenarbeit mit dem Produktmanagement bzw. Marketing. Die geforderten analytischen und konzeptionellen Fähigkeiten spiegeln die Tatsache wider, dass die Arbeit eines Key Accounters immer stärker entsprechende Aufgaben umfasst, wie etwa die permanente Analyse der Kundensituation, unter anderem anhand von teilweise komplexen Paneldaten, und die Erstellung des Key Account-Entwicklungsplans.

Weitere, seltener genannte Anforderungen waren Verhandlungsstärke (was angesichts der Bedeutung von Verhandlungen für den Erfolg des Key Account Managers einigermaßen erstaunlich ist), Branchenerfahrung und Controllingkenntnisse. Letztere sind nach Angaben der Befragten in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Als Einzelnennungen kommen noch hinzu: gute Englischkenntnisse wegen der Zusammenarbeit mit ausländischen Unternehmenseinheiten im Rahmen der internationalen Key-Account-Bearbeitung, Fähigkeit zur Koordination und unternehmerisches Denken.

In fast allen befragten Unternehmen werden die Key Accounter durch interne und externe Seminare und Trainings weitergebildet. Im Zentrum stehen Trainings der Verhandlungsführung in schwierigen Situationen, z. B. bei Jahresgesprächen. Diese werden in vielen Fällen von ehemaligen Einkäufern des Handels durchgeführt.

Herausforderungen für das Key Account Management der Zukunft
Auch bei dieser Frage gibt es unterschiedliche Nennungen. Mehrere Teilnehmer hoben hervor, dass Key Account Manager sich zukünftig noch stärker zu Beratern Ihrer Kunden entwickeln müssten. Ein Befragter aus der Lebensmittelindustrie spricht von „Food Industry Consultants“. Die Aufgabe werde weniger darin bestehen, einzelne Produkte zu verkaufen, sondern vielmehr darin, den Kunden von Vermarktungskonzepten zu überzeugen. Hierfür müsse der KAM die Instrumente des Category Managements perfekt beherrschen. Darüber hinaus müsse er aber auch in Zukunft dem starken Konditionendruck seiner Kunden widerstehen können.

Mehrere Teilnehmer erwarten, dass das Key Account Management noch stärker als bisher in Fragen des Trade Marketing und des Consumer Marketing kompetent sein müsse. Ein Vertriebsleiter eines großen Konzerns erwartet zudem, dass das Key Account Management in seiner Denkweise in Zukunft stärker als bisher international ausgerichtet sein müsse, damit ein Key Accounter, z.B. als Lead Country Manager, Jahresgespräche auf internationalem Niveau führen könne.

Fazit
In der Summe zeigen die Einschätzungen, dass die Anforderungen an Key Account Manager zukünftig in vielen Unternehmen merklich höher sein werden als heute. Daraus kann sich folgende Problematik für die Vertriebsleitungen ergeben: Sehr gute Key Accounter, die den hohen Anforderungen gerecht werden, sind in der Regel auch ehrgeizig und wollen schnell befördert werden – intern oder durch Firmenwechsel. Die daraus resultierende Fluktuation in der Kundenbetreuung könnte das Verhältnis zum Großkunden belasten und/oder zu steigenden Konditionen führen. Hierauf weisen mehrere Gesprächspartner hin. In den Worten eines Vertriebsleiters der Foodindustrie: „Jeder Wechsel in der Kundenbetreuung kostet das Unternehmen einen Prozentpunkt höhere Konditionen.“ Die Herausforderung besteht also darin, sehr gute Key Accounter länger als bisher zu halten, z. B. über Job Enrichment.

Über den Autor: Jürgen Lürssen ist Professor für BWL mit den Schwerpunkten Marketing und Vertrieb an der Leuphana Universität Lüneburg. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Themenfeldern Vertriebsmanagement, internationales Marketingmanagement und Werbewirkungsforschung. Darüber hinaus befasst er sich in Forschung und Lehre intensiv mit den Karrierevoraussetzungen in Organisationen.

Literaturhinweise

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