About You Influencer Awards: Ein neues Vermarktungsformat wird erwachsen

Eine Preisverleihung für Influencer, die Stars des Internets und der sozialen Medien, im klassischen Fernsehen übertragen, das klingt zunächst total "old school". Dennoch ist die Otto-Tochter About You damit erfolgreich und erzeugt ein enormes Medienecho. Die Preisverleihung selbst hatte ihre Schwächen. Ein Gastkommentar.
Victoria's Secret-Engel Doutzen Kroes moderierte den „Empowerment“-Award für Viva con Agua und Greta Thunberg an. (© imago/Future Image)

Aus den Kindern und Jugendlichen, die über YouTube, Instagram, Facebook und Twitter Millionen Fans und Follower aufgebaut haben, sind junge Unternehmer und Unternehmerinnen geworden, die mit Sport, Spaß, Speisen und viel Charme und Sexiness ihren Lebensunterhalt bestreiten. Da liegt es nahe, auch einen eigenen Award für die neue Mediengattung der Content Creators zu erschaffen. Diese Gelegenheit hat das trendige Tochterunternehmen der Otto Group, About You, bereits vor drei Jahren ergriffen und die About You Awards initiiert.

Groß geworden ist der Hamburger Online-Modehändler, der mehr als 1000 Marken in seinem Repertoire hat, mit kuratiertem Shopping – und dem professionellen Einsatz von Influencern. Nachdem die Awards-Show 2018 erstmals auf ProSieben ausgestrahlt worden ist, folge dieses Jahr die erneute Ausstrahlung mit neun Preisen in acht Kategorien und im Ergebnis fast doppelt so hoher Online-Reichweite wie im Vorjahr.

Influencer treten immer öfter im linearen TV auf

Bemerkenswert dabei ist, dass die aus der digitalen Welt bekannten Influencer zunehmend in TV-Shows auftreten und in klassischer TV-Werbung zu sehen sind. Eigentlich müsste man erwarten, dass man, um die junge Zielgruppe zu erreichen, gar nicht mehr auf die Idee kommen würde, im linearen Fernsehen eine Preisverleihung auszustrahlen, da das ja im Prinzip total „old school“ ist.

Aber offensichtlich schauen auch die 14- bis 19-Jährigen noch linear fern, zumindest wenn etwas für sie Hochrelevantes zu sehen ist, zum Beispiel ein Award für die von ihnen verehrten Influencer. Wenngleich die Show am 18. April erst spätabends um 22:50 Uhr ausgestrahlt wurde, lag der Marktanteil bei den Teenagern bei beachtlichen 27 Prozent, was zeigt: lineares TV ist quicklebendig!

Online-Reichweite auf 950 Millionen fast verdoppelt

Zugleich zeigte sich aber auch, dass die Verknüpfung von klassischen und Online-Medien zielführend ist. Ganz konkret brachte das den About You Awards eine Online-Reichweite von 950 Millionen, cross-medial sogar 1,5 Milliarden. Mit dazu beigetragen haben 1500 Influencer, die Nominierten und zahlreiche Stars und Sternchen, die vor allem via Instagram, Instagram Stories und YouTube im Vorfeld, während der Show und im Nachgang über den Award berichtet haben. Hilfreich war sicherlich auch der Ausstrahlungstag, ein Donnerstag direkt vor einem Feiertrag. Zudem dürften viele Teenager die Show online mitverfolgt oder zeitversetzt angeschaut haben.

Insgesamt waren die About You Awards vom Bühnenaufbau, bis auf einen DJ und einen Catwalk in der Hallenmitte, wenig überraschend. Auch vom dramaturgischen Aufbau her ähnelten sie mit Einspielern und Showacts zwischendurch den meisten Award Shows mit den Oscars als unerreichbarem Benchmark. Allerdings waren viele Anmoderationen eher schwach und die meisten Dankesreden schlecht improvisiert. Besonders peinlich war die Anmoderation von Fußballstar Jérome Boateng, der ein großartiger Kicker, für Ansagen auf einer Showbühne aber denkbar ungeeignet ist.

Anzahl der Follower wird zentrale menschliche Maßzahl

Die Sendung machte aber auch deutlich, in was für einer oberflächlichen Zeit wir heute leben in der es primär um das nächste Foto für den nächsten Post geht und in der Menschen mit Preisen ausgezeichnet werden, einfach nur weil sie viele Abonnenten haben. Die Anzahl Follower scheint zur zentralen menschlichen Maßzahl, zum KPI unseres Lebens geworden zu sein. Wie viel Follower hast Du? Ach echt? Krass!

Da verwundert es nicht, dass Moderator und Fotograf Paul Ripke über sich selbst sagt, er sei “der Instagram-Papst und Style-Gott”. Weniger Bescheidenheit geht kaum noch. Aber so sind sie halt, die selbsternannten Influencer, die vor Selbstbewusstsein nur so strotzen – und gut davon leben. Manchmal ist es halt nur etwas „too much“.

So passt auch die Flugreise von drei der Nominierten nach Los Angeles für einen gut sechsminütigen Einspieler nicht wirklich zum in der gleichen Show verliehenen „Empowerment“-Award für Viva con Agua und Greta Thunberg, die mit viel Einsatz versuchen, die Welt ein Stück lebenswerter zu machen. 56.000 unnötige Flugkilometer tragen dazu nicht bei. Da hilft es dann auch nicht, wenn Victoria’s Secret-Engel Doutzen Kroes mitteilt, dass zum Ausgleich für die nicht immer umweltfreundliche Preisverleihung 2200 Bäume gepflanzt werden. Es wirkte eher wie eine plumpe Beruhigung des schlechten Gewissens. Besser wäre es gewesen, die drei Nominierten zum Beispiel in Hamburg, der Heimatstadt von About You, zu filmen und zu fotografieren, vielleicht sogar, ganz im Stil von Preisträgerin Greta, auf der Zugfahrt dorthin.

Unterwäschemodel in High Heels gegen Elfenbeinhandel

Völlig deplatziert war der Ausspruch von Viva con Agua-Mitgründer Michael Fritz, der sich wünschte, dass wir „Viva con Agua in den Social Media Himmel zerficken” sollten. Zudem passte Model Doutzen Kroes in ihrem kurzen roten Kleid mit tiefem Ausschnitt nicht wirklich zur Anmoderation der Kategorie „Empowerment“, wenngleich oder gerade weil sie sich, wie sie ausführlich erläuterte, gegen Elfenbeinhandel einsetze, was bei einem Unterwäschemodel in High Heels wenig glaubwürdig erscheint.

Dafür entschädigte dann der „Idol oft the year“ Award-Gewinner Riccardo Simonetti mit seiner Dankesrede. Das war vermutlich der authentischste Moment in der Sendung und ein würdiger Abschluss der Preisverleihungen. Ganz zum Schluss kamen, wie in fast allen abendlichen TV-Shows seit Anbeginn des Fernsehens, alle Stars und Sternchen noch einmal für ein Schlussfoto auf die Bühne. Was aber bleibt von den About You Awards außer vielen auf Hochglanz polierten Posts? Die Erkenntnis, dass das Influencer Marketing langsam erwachsen wird – und teilweise fast schon etwas langweilig.

Update, 6. Mai 12:35 Uhr: In einer früheren Version dieses Textes war ein Zitat fälschlicherweise Viva con Agua-Gründer Benjamin Adrion in den Mund gelegt worden. Benjamin Adrion war aber weder vor Ort noch auf der Bühne. Stattdessen stammt das Zitat von Viva con Agua-Mitbegründer Michael Fritz. Wir bitten den Fehler auch im Namen unseres Gastkommentators Karsten Kilian zu entschuldigen.

Des Weiteren nimmt eine Sprecherin von Viva con Aqua zu der Textpassage wie folgt Stellung: „Erlauben Sie mir zudem ganz klare Worte – von Frau zu Mann, Frau zu Frau und von Mensch zu Mensch: In dem hier angeführten Textbaustein denunzieren Sie nicht nur die falsche Person, sondern auch Frau Doutzen Kroes auf schlimme Art und Weise. Geradezu respektlos, sexistisch und menschenverachtend – wie gesagt dies von Mensch zu Mensch – urteilen Sie hier über Frau Kroes als Person und Engagierte. Werter Herr, wir sind doch in der Entwicklung schon viel weiter: Im Jahre 2019 darf meines Wissens jeder und jede genau das Outfit tragen und den Beruf ausüben sowie sich in dem Feld engagieren, wie es beliebt, ohne dafür abgewertet und denunziert zu werden.“