Die Perspektive des Users

Was für ein Hype! Momentan scheint halb Deutschland der Faszination kleiner Monster zu erliegen – gebückt schleichen sich Kinder, Jugendliche, aber auch eine Menge älterer Erwachsener wie Schmetterlingsjäger durch Straßen und Parks, um nach Pokémons zu suchen. Pokémon GO zeigt eines: Die mobile Mediennutzung hat längst auch die entlegensten Winkel unseres Alltags erreicht.
Felix Holzapfel

Von Gastautor Felix Holzapfel, CEO Germany Zone

Das Augmented-Reality-Abenteuer Pokémon GO bereichert derzeit die digitale Branche um weitere Superlative, beispielsweise den, dass die Zahl der aktiven Nutzer bereits höher ist als beim Kurznachrichtendienst Twitter. Und es zeigt, dass man einstige digitale Speerspitzen wie Nintendo nie abschreiben sollte, auch wenn es mal einige Zeit still um sie war.

Unternehmen versuchen, am Bestehenden festzuhalten

Während die Hersteller von Games virtuelle Welt und Wirklichkeit scheinbar spielerisch verbinden, behandeln viele Unternehmen in ihren Kommunikationsstrategien den Smartphone-Screen so, als ob es sich dabei um eine lästige Randerscheinung handeln würde und nicht um ein Massenphänomen. Häufig erinnern deutsche Briefings an das Internet 1.0 in den neunziger Jahren. Der gedruckte Prospekt soll auf die mobile Website übertragen werden, die Website so adaptiert werden, dass irgendwie auch alles auf den mobilen Screen passt. Die Unternehmen versuchen, am Bestehenden festzuhalten und ihren Content ohne große Veränderungen ins mobile Web zu übertragen. Solche Konzepte sind allerdings zum Scheitern verurteilt.

Es geht nicht mehr darum, was das Unternehmen dem Kunden bieten kann

Denn hier ist ein grundlegender Sinneswandel nötig. Das Beispiel Pokémon GO zeigt, dass man alte Konzepte – oder Games – nicht einfach auf ein neues Medium übertragen kann. Um erfolgreich zu sein, muss sich der Fokus vollständig auf den User richten, egal ob es sich dabei um Machart, technische Finessen oder Content handelt. Um auf die Briefings zahlreicher Unternehmen zurückzukommen: Es geht nicht mehr darum, was das Unternehmen dem Kunden bieten kann, sondern darum, was sich der Kunde wünscht. Und das ist keinesfalls eine auf den Smartphone-Screen verkleinerte Unternehmens-Website, wie sie heute im deutschsprachigen Raum leider noch viel zu oft auftaucht. Internationale Marken sind da weiter: Unternehmen in Großbritannien oder Amerika analysieren inzwischen disruptive Geschäftsmodelle und ziehen ihre Schlüsse daraus. Im nächsten Schritt adaptieren sie gut funktionierende Ansätze und bieten, wenn möglich, sogar noch bessere Systeme an. Ausgangspunkt vieler neuer Services ist dabei ganz selbstverständlich das Smartphone. Als Standard-Schnittstelle, über die Benutzer mit der digitalen Welt interagieren, werden bereits häufiger als hierzulande Chatbots eingesetzt. Nicht zu Letzt wird der Standort des Users berücksichtigt und location-basierte Dienste angeboten.

Das ideale mobile Web-Konzept

Auch wir als Agentur sind immer wieder herausgefordert, wenn es um das ideale mobile Web-Konzept einer Marke geht, das mit der digitalen Gesamtstrategie eines Unternehmens und bestehenden Systemen in Einklang gebracht werden muss. Wir versuchen deshalb stets über den Tellerrand zu schauen. Das gelingt uns, da wir mit unseren Niederlassungen in den USA und UK vertreten und damit über internationale Trends sehr früh informiert sind. In unseren Konzepten können wir demnach Erkenntnisse aus anderen Ländern einfließen lassen und gute Ideen adaptieren. So haben wir beispielsweise für den Relaunch die Modemarke Eterna über Google-Cardboard-Brillen virtuell erlebbar gemacht, für die Eisenbahngesellschaft South West Trains eine Buchungsplattform entwickelt oder für Unilever eine Kampagne konzipiert, die dazu auffordert, Kinder ruhig im Dreck spielen zu lassen. Alle Ansätze waren erfolgreich, weil sie das mobile Internet optimal einbinden – und zwar aus der Perspektive des Users.

Mobile-Konzepte und -Lösungen aus aller Welt werden übrigens Mitte September auf der dmexco in Köln präsentiert, der internationalen Leitmesse für die Digitale Wirtschaft. Spannende Vorträge von Jack Dorsey, CEO Twitter, James Quarles, Global Head of Business and Brand Development, Instagram oder von Imran Khan, Chief Strategy Officer, Snapchat, sind zu erwarten. Unsere Mitarbeiter von Zone werden vor Ort sein. Wir freuen uns, Sie dort zu treffen.

Zum Autor: Felix Holzapfel ist Jahrgang 1978, hat an der Fachhochschule Köln studiert und seine Karriere als Webdesigner angefangen. Im Jahr 2002 gründete Holzapfel die deutsch-amerikanische Digital-Agentur conceptbakery. Die Agentur galt als Pionier für alternative Marketing-Strategien und avancierte schnell zu einer der führenden Social Media Agenturen in Deutschland (lt. Top-10-Ranking BVDW). 2016 fusionierte conceptbakery mit der britischen Agentur Zone. Seither ist Holzapfel CEO in Deutschland und Teil des „International Committee“. Er ist gefragter Referent und Autor zahlreicher Branchen-Handbücher für digitale Markenführung, darunter „Digitale Marketing Evolution: Wer klassisch wirbt, stirbt“.