Marketing, Vertrieb und Finance sollten strategische Preisentscheidungen gemeinsam treffen

Eine Studie mit den 500 größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen ergab, dass im Durchschnitt eine Preissenkung um ein Prozent zu einem Gewinnrückgang um 12,3 Prozent führt. Schon geringe Preissenkungen können demnach drastische Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben. In Deutschland sind vor allem Industriegütermärkte von einem zunehmenden Preisverfall betroffen. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, diesem Preisdruck durch ein systematisches Management von Preisentscheidungen entgegenzuwirken.

Die achte Ausgabe der Forschungsreihe „Research Insight“ des Mannheimer Institutes für Marktorientierte Unternehmensführung (IMU) untersucht die Organisation des Pricing in Industriegüterunternehmen und deren Einfluss auf den Unternehmenserfolg. „Leider gibt es zu wenige Studien und Benchmarks darüber, wie Unternehmen intern am effektivsten das Pricing aufhängen und Preisentscheidungen treffen. Das Pricing und dessen Implikationen auf die Unternehmensperformance werden nach meiner Erfahrung zu selten kritisch hinterfragt“, stellt Harald Klaiber, Geschäftsführer der Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH, zum Nutzen der vorliegenden Studie fest.

Wer verfügt über die Autorität zur Preisfestsetzung?

Die zentrale Entscheidung hinsichtlich der Organisation des Pricing im Unternehmen ist die Frage, wer letztlich über die Preise entscheidet. Die Autoren der IMU-Studie unterscheiden dabei zwei Arten der Preissetzungsautorität: die vertikale Delegation der taktischen Preissetzungsautorität an einzelne Vertriebsmitarbeiter im Außendienst sowie die horizontale Verteilung der strategischen Preissetzungsautorität über die Bereiche Marketing, Vertrieb und Finance.

Hinsichtlich der taktischen Preissetzungsautorität gilt: Vertriebsmitarbeiter mit hoher Preissetzungsautorität sind auf der einen Seite motivierter, sie können darüber hinaus durch individuelle Verhandlungen mit Kunden deren jeweilige Zahlungsbereitschaft besser abschöpfen sowie auf geänderte Marktbedingungen schneller reagieren. Weiterhin reagiert ein Kunde positiv darauf, wenn ein Vertriebsmitarbeiter schnell und unkompliziert angepasste Preisangebote abgeben kann.

Psychologischer Stress für Vertriebsmitarbeiter

Auf der anderen Seite kann eine hohe Preissetzungsautorität der dezentralen Vertriebsmitarbeiter dazu führen, dass Preisentscheidungen isoliert von Kostenüberlegungen und übergreifenden strategischen Entscheidungen getroffen werden. Auch wird Vertriebsmitarbeitern mit einer solchen Verantwortung psychologischer Stress auferlegt: Sie gewähren teilweise schneller Rabatte, um ihre Umsatzziele zu erreichen. Nervöse Überreaktionen auf Wettbewerbspreise können außerdem schnell zu Preiskriegen führen und das Wissen der Kunden um diese Entscheidungshoheit führt zu einer unangenehmen Anspruchsinflation. Eine hohe Preissetzungsautorität der dezentralen Vertriebsmitarbeiter ist also sowohl mit Vor- als auch mit Nachteilen für Unternehmen verbunden.

Hinsichtlich der horizontalen Verteilung der Preissetzungsautorität argumentieren die Autoren, dass eine stärkere Einbindung der drei Unternehmensbereiche Marketing, Vertrieb und Finance die Qualität strategischer Preisentscheidungen erhöht. Diese Entscheidungen umfassen die strategischen Bepreisung neuer Produkte, die Anpassung von Listenpreisen, die Gestaltung von Rabattsystemen und das langfristige Preiscontrolling. Jede dieser Abteilungen hat spezifische, für die strategische Preisfindung wichtige Informationen und interpretiert Preisinformation mittels eigener Sichtweisen und Methoden. Die Integration dieser Informationen in die strategische Preisfindung sollte daher die Qualität dieser Entscheidungen erhöhen.

Anreizsystem auf Margenziele ausrichten

Eine branchenübergreifende Befragung von 338 Industriegüterunternehmen zeigt, dass aufgrund der Vor- und Nachteile ein mittleres Maß an vertikaler Delegation von taktischer Preisautorität an Vertriebsmitarbeiter gewinnoptimal ist. Der positive Effekt dieser Pricing-Organisation wird zusätzlich verstärkt, wenn Anreizsysteme für Vertriebsmitarbeiter auf Margen- und nicht auf Umsatzzielen basieren. Somit wird verhindert, dass Vertriebsmitarbeiter vorzeitig oder unnötig Rabatte gewähren. Möchte ein Unternehmen hingegen – beispielsweise aus Gründen der strategischen Marktdurchdringung – gezielt den Umsatz und nicht den Gewinn erhöhen, so empfehlen die Autoren auf Basis der Ergebnisse eine einseitige Fokussierung auf das System der vertikalen Preisdelegation.

Die Studienergebnisse zeigen weiterhin, dass eine höhere horizontale Verteilung von strategischer Preisautorität ebenfalls positive Effekte auf Umsatz und Gewinn ausübt. Die Autoren empfehlen deshalb, gleichzeitig Vertrieb, Marketing und Finance in den strategischen Preisbestimmungsprozess mit einzubinden. Dies gilt vor allem für Unternehmen in sehr dynamischen Märkten, da dort eine gezieltere und differenziertere Reaktion auf Marktentwicklungen erfolgskritisch ist.

Abteilungsübergreifende Informationsweitergabe stärken

Entscheidend für die gewinnoptimale Gestaltung der Pricing-Organisation ist die Koordination dieser beiden Systeme. So stellt Dr. Alexander Hahn, Mitautor der Studie, zusammenfassend fest: „Unsere Studie zeigt, dass die Organisation des Pricing in Industriegüterunternehmen sowohl Profitabilität als auch Umsatzwachstum beeinflusst. Dabei sollten die zwei unterschiedlichen Dimensionen der Preissetzungsautorität im Unternehmen koordiniert gestaltet werden. Eine stärkere vertikale Delegation der taktischen Preissetzungsautorität an die Vertriebsmitarbeiter im Außendienst sollte mit einer stärkeren horizontalen Verteilung der strategischen Preissetzungsautorität über Marketing, Vertrieb und Finance einhergehen. Dies stärkt abteilungsgreifend die gegenseitige Informationsweitergabe und -analyse und fördert somit die unternehmerische Koordination und Marktausrichtung“.