Brad Rencher, Adobe: „Wir müssen lernen, unsere Kunden besser zu verstehen“

Adobe ist nicht nur Marketing-Dienstleister sondern selbst eine große Marke – und zwar eine, die sich wandelt. Wie der Konzern der Transformation unterworfen ist, was er heute sein möchte und wo die Wachstumschancen liegen, erzählt Executive Vice President und Digital Marketing-Chef Brad Rencher im Interview mit absatzwirtschaft.

Herr Rencher, Adobe verkündet jeden Monat neue Produktinnovationen oder Zukäufe. Wofür steht der Name heute noch?

BRAD RENCHER: Adobe ist eine Marke, die sich ständig verändert. Vergleichen Sie uns mit der Situation vor acht Jahren: Damals waren wir eine Firma für Desktopsoftware, Photoshop, Flash und PDF. Heute vereinen wir das das gesamte Marketing-Business. Wir wollen Unternehmen als Wegbereiter der Digitalisierung dienen. Da ist egal, ob es um kreative Gestaltung oder Marketingprozesse geht. Adobe will seinen Kunden dabei helfen, digitale Prozesse zu realisieren oder zu verbessern.

Auf dem Summit haben wir beispielsweise gezeigt, wie wir Displays in Modeläden mit digitalen Systemen ausstatten oder eine Kommunikation zwischen digitalen Geräten im Auto mit einem Bestellservice für Essen verbinden. Und natürlich gibt es Bereiche, wie zum Beispiel die Behörden, wo noch lange Jahre viele Projektschritte zu gehen sind, bis die Digitalisierung erreicht ist. Warum sollte eine handgeschriebene Unterschrift auf einem Formular sicherer sein als eine digitale? Das wollen wir ändern.

Adobe steht als Marke für eine der umfassendsten Lösungen im Markt und wird vor allem als Partner für internationale Großkunden gesehen. Da aber tummelt sich auch Ihr direkter Wettbewerb. Bietet nicht der Mittelstand mehr Wachstumschancen?

Wir sind tatsächlich erste Wahl für internationale Marken. Auf Veranstaltungen mag es so aussehen, als bedienen wir auch nur diese. Das stimmt aber nicht. Die Antwort auf Ihre Frage ist also: Ja, wir sind schon da. Wir haben eine komplette Produkt- und Marketingstrategie, die sich nur auf den Mittelstand ausrichtet, gerade im Hinblick auf Deutschland – der Mittelstand ist das Herz der deutschen Wirtschaft. Und viele von denen haben nicht die ganz großen Budgets. Eventuell müssten wir das aber im Marketing noch stärker kommunizieren.

Würde man das besser kommunizieren können, wenn es eine eigene Produktlinie für den Mittelstand gäbe? Die Marketing Cloud Express?

Tatsächlich gibt es große Unterschiede innerhalb der Produktlinien. Analytics Standard ist viel einfacher und verzichtet auf die meisten der Cutting Edge-Funktionen, wie den neuen virtuellen Analysten.

Wissen das die potentiellen Kunden?

Vielleicht fehlt es ein bisschen an Kommunikation. Die Menschen müssen wissen, dass die Tools auch für sie funktionieren und sie den nötigen Support bekommen.

Support zumindest bei der Implementierung, leisten Partner wie Accenture, Sapient, CapGemini. Die sind nicht dafür bekannt, dass sie preiswerte Angebote für den Mittelstand haben.

Das stimmt allerdings. Beim Mittelstand setzen wir auf regionale Partner und kleinere Agenturen, die uns unterstützen. Dafür gibt es auch ein Vertriebsmodell mit Wiederverkaufslizenzen und Sublizenzen. Viele Mittelständler wollen unsere Lösung gar nicht selbst bedienen, die sind froh, wenn das ein Partner für sie macht. Solche Nutzungen machen in etwa die Hälfte unseres Umsatzes aus. Davon brauchen wir noch mehr.

Im Marketing predigen Sie das Aufbrechen von Silos, aber was ist mit Adobe selbst? Ihr Chief Technology Officer sagt, dass eine der wichtigsten Strategien ist, Creative Cloud und Marketing Cloud näher zusammen zu führen. Davon sieht man nicht viel.

Ich nenne Ihnen zwei Anwendungsszenarien, wo es schon stattfindet: Das Assetmanagement im Experience Manager ist ja die Basisschicht sowohl für Creative als auch für die Marketing Cloud. Hier haben wir jetzt auch eine Verbindung zu Analytics eingebaut. Dadurch können sowohl Grafiker als auch Marketer bei der Assetauswahl sehen, welches Bild zum Beispiel besser funktioniert als ein anderes.

Der zweite Anwendungsfall zeigt die Integration von Document Cloud und Marketing Cloud. Die Royal Bank of Scotland hat den Registrierungsprozess für Neukunden gewaltig vereinfacht, in dem man Daten automatisch aus dem Personalausweis in das Formular überträgt und sogar digital signieren kann. Also: Die Integration der Clouds findet statt.

Das ist nicht besonders viel. Warum nimmt man nicht die kreative Kraft der Adobe-Community als verlängerte Werkbank der Marketing Cloud? Man könnte das Outsourcing von Kreation stark beschleunigen.

Zum Teil machen wir das ja bereits. Behance und Adobe Stock gehören beispielsweise zusammen. Die erste Anlaufstelle für die Marketer ist Adobe Stock, wenn man bei den eigenen Bildern nicht das findet, was man braucht. Findet man dort auch nichts, haben wir Links zu Behance und zu TalentSearch integriert. Behance, die Kreativ-Community, liefert unglaublich gutes Material und vielleicht finde ich nicht direkt, was ich will, aber einen Grafiker der das machen kann.

Wir sind schon wieder bei den Produkten angelangt. Gehen wir eine Ebene höher: Wie hart ist Adobe der digitalen Transformation unterworfen?

Wir transformieren permanent. Die Technologie ist eher der einfache Teil. Und trotzdem ist es nicht leicht. Es geht um Test- und Experimentierkultur im Unternehmen. Wir haben schon ein paar Fortschritte gemacht, in dem wir Produkt-, Vertrieb- und Support-Team näher zusammen gebracht haben. Aber wir müssen noch viel mehr tun. Im Moment fokussieren wir uns darauf, die Customer Journey unserer Kunden zu optimieren und zu personalisieren.

Was ist mit Adobe.com: Wie personalisiert ist das Online-Angebot?

Adobe.com ist für die Endkunden so ziemlich das Beste, was sie finden können. Für Geschäftskunden ist das nicht so. Seit neun Monaten arbeiten wir daran, genau das zu ändern.

Geht es dabei um eine stärkere vertikale Fokussierung?

Ja. Aber das reicht nicht. B2B-Entscheidungsprozesse sind sehr variabel und folglich schwer mit Targeting zu fassen. Für mich spielt eine Aufgabenzentrierung eine große Rolle. Ich nenne das die „I want to …“. Da ist die Branche unbedeutend, es geht um Aufgaben wie: Ich will personalisieren, ich brauche mehr Traffic etc. Wir müssen lernen, alle Signale, die uns vom Kunden gegeben werden, besser zu verstehen.

Braucht Adobe dafür einen Chief Transformation Officer?

Man könnte sagen, dass wir längst einen haben: unseren CEO Shantanu Narayen.  Er ist niemals mit dem Status Quo zufrieden und will immer weiter. Beste Voraussetzungen für Transformation jeglicher Art.