Zwischen E-Commerce und eigenem Marketing

Mit den beiden Messen Euroshop und Cebit im Rücken konnte Intershop noch einmal ablesen, wie attraktiv das Unternehmen grundsätzlich ist. So lobte Bertelsmann-Vorstand Klaus Eierhoff die Intershop-Lösungen in höchsten Tönen. Auch auf der Cebit fanden sich für das Unternehmen prominente sowie zufriedene Testimonials. Bleibt eigentlich nur noch, dass sich dies auch in der Umsatzkurve des Jenaer Unternehmens widerspiegelt.


Herr Schambach, Händler sind in erster Linie geneigt, vor allen Dingen in Warenwirtschaftssysteme zu investieren. Beim Thema E-Commerce tun sie sich dagegen noch schwer. Wo sehen Sie die Hürden und wie kann man die Händler davon überzeugen statt in Warenwirtschaft in Vertriebssoftware für das Internet zu investieren?

Schambach:
Ich glaube, das kommt auf die Größe des Unternehmens an. Große Handelsunternehmen ziehen aus dem Einsatz von Electronic Commerce, wenn es richtig funktioniert, so viele Kostenvorteile, da stellt sich nicht die Frage, ob man vielleicht nur in ein Warenwirtschaftssystem investiert. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen kann ich durchaus nachvollziehen, dass E-Commerce-Investitionen sehr vorsichtig abgewogen werden, insbesondere dort, wo hoher Margendruck herrscht. Da muss dann ein Erfolgsbeispiel eines Unternehmens her, das genau so groß ist, in der gleichen Branche tätig ist und damit sehr gute Erfahrungen gemacht hat.

Ist das immer der Auslöser für eine Investition?

Schambach:
Ja dann weichen die Vorbehalte, wenn Erfolgsbeispiele vor liegen, wie beispielsweise im Bereich der sehr großen Handelsunternehmen. Alle unsere großen Kunden sind sehr erfolgreich und reden auch darüber, wie beispielsweise Herr Eierhoff von Bertelsmann. Da kommen dann Andere und tun das Gleiche.

Zurück zum Mittelstand. Wie kommt der kostengünstig an eine Shop-Lösung? Ist in diesem Zusammenhang auch Application Service Providing ein Thema?

Schambach:
Ja, wir arbeiten mit einigen ASP-Partnern zusammen. Und tatsächlich nutzen mittelständische Unternehmen ASP-Angebote sehr gern. Beispielsweise wird unser Kunde Tchibo bei Energis-ISION gehostet.


Ist Tchibo noch mittelständisch?

Schambach:
Es kommt darauf an, wie man es definiert. Tchibo ist ein Eigentümer-geführtes, gut gehendes Unternehmen, das wie ein Mittelständler kalkuliert. Und wenn es eine Möglichkeit gibt, günstiger zu investieren, wie hier mit einem ASP-Modell, dann wird das gemacht. Dort merkt man, dass man es mit dem klassischen Handel zu tun hat.

Zu Ihrem Unternehmen. Sie haben jetzt einiges restrukturiert, sprich zwei Managementebenen aufgelöst und Mitarbeiter entlassen und sich selber wieder in den operativen Arbeitsprozess eingegliedert. Werden Sie auch anfangen, über den Vertrieb nachzudenken? Sie haben ja im Moment Implementierungspartner und Hosting-Partner, von denen Sie gerade sprachen. SAP zum Beispiel denkt jetzt darüber nach, dieses Geschäft selber zu machen, indem sie sich eben nicht mehr auf Implementierungspartner verlassen. Ist bei Ihnen auch so etwas angedacht?

Schambach:
Nein, wir werden noch stärker auf unsere Implementierungspartner setzen. Stärker noch als in der Vergangenheit. Wir hatten ja auch eine ganze Reihe von größeren Projekten mit starker Eigenbeteiligung gemacht. Aber wir sind ein Softwarespezialist und sehen unseren Mehrwert vornehmlich in der Herstellung von hervorragender Software und teilen uns praktisch das Implementierungsgeschäft mit den Partnern. Das ist in aller Regel für den Kunden auch die bessere Lösung. Denn unser Kunde hat oft schon Beratungsunternehmen, mit denen er arbeitet, denen er vertraut.

SAP hat die Erfahrung gemacht, dass Implementierungspartner nicht ideal sind, weil sie möglicherweise nicht ganz SAP-konform arbeiten und möchten zudem jetzt auch die Gewinne aus diesen Geschäften abschöpfen. Gerade das Thema Gewinn müsste Sie doch interessieren.

Schambach:
Wir haben ein riesengroßes Potenzial vor uns. Und wir möchten nicht unseren Partnern, die viel in Enfinity-Implementierung investiert haben, das Geschäft wegnehmen.
Wir haben ein ganz klares Partnermodell. Und wir haben ja nicht das Problem, dass unsere möglichen Lizenzumsätze gekappt werden. Für uns ist es im Gegenteil wichtig, dass wir überall besonders kundennahe Vor-Ort-Betreuung liefern können. Und das kann oft nur ein entsprechend qualifizierter Partner.


Was machen Sie derzeit im Marketing, um die Kundenpotenziale für sich weiter zu erschließen?

Schambach:
Das wichtigste Ziel in diesem Jahr ist sicherlich auf der Seite der wirtschaftlichen Gesundung zu sehen. Wir wollen dieses Jahr zur Profitabilität zurückkehren und machen natürlich gezielte Marketingmaßnahmen und Investitionen dort, wo es besonders gut passt.

Wo zum Beispiel?

Schambach:
Wir haben das Glück, dass wir in vielen Bereichen, nicht nur im Handel übrigens, sondern auch im High Tech und im Manufacturing Bereich, zufriedene Kunden haben. Und das hilft mehr als jede Marketingmaßnahme, um zusätzliches Potenzial zu erschließen. Denn im Moment ist die Investitionszurückhaltung doch sehr groß. Und ein Gießkannen-Marketing bringt bei diesen Kategorien von Software wenig. Hier ist es tatsächlich einfacher, Großkunden direkt anzusprechen und eine Möglichkeit zu haben, beispielsweise den Return on Investment und die Total Cost of Ownership der existierenden Lösung mit einer Intershop-Lösung gegenüber zu stellen und zum Beweis auf erfolgreiche Beispiele in der gleichen Branche zu verweisen.

Aber Sie werden doch weitere Marketing-Maßnahmen machen?

Herr Schambach:
Neben Messen machen wir viel Direktmarketing. Das ist der überwiegende Teil unseres Marketings im Moment. Wir machen relativ wenig Anzeigen. Wir wissen ganz genau, wo unsere Kunden sitzen und gehen direkt auf unsere Kunden zu. In gewissem Maße machen wir auch Referenzkunden-Marketing oder mit anderen Worten: Es gibt Kunden, die sind so glücklich über unsere Lösungen, dass sie bereit sind, in der Öffentlichkeit darüber zu reden. Und das sind die effektivsten Mittel für uns im Moment.

Ja, in der Akquisition von Kunden haben Sie – siehe Otto, Tchibo oder BOL – generell gute Erfolge vorzuweisen…..

Schambach:
(lacht) Haben wir.


Woran liegt es, dass Sie das letztlich noch nicht ganz in unternehmerischen Erfolg ummünzen können? Sie haben zwar den Barmittelverbrauch und die Kosten senken können, aber warum wirkt sich das noch nicht in gewünschtem Maße auf die Erlösseite aus?

Schambach:
Ich kann einen einzigen Satz vielleicht dazu sagen. Wir sind eines der Unternehmen, die sich in einer ungewöhnlichen Situation befinden, dahingehend, dass 2000 unser bestes Geschäftsjahr war und 2001 unser schlechtestes in der zehnjährigen Firmengeschichte gewesen ist. Und das ist selten so nah beieinander. Da muss man irgendwann mal sagen: Das war gestern. Wir trimmen die Firma wieder auf Wachstum. Wir haben zufriedene Kunden und hervorragende Produkte. Und wir sehen auch erste Anzeichen einer Erholung in den USA. Und dazu kommt: heute kann kein Großunternehmen den Einsatz von Electronic Commerce mehr aufschieben oder sogar unterlassen.

Stichwort E-Commerce. Es ist ja viel über die Erfolgsfaktoren philosophiert worden. Wie ist Ihre Einschätzung? Was sind letztlich die wichtigsten Erfolgsfaktoren für den Absatz über das Internet?

Schambach:
Man muss B2B und B2C erst einmal voneinander trennen. Denn im Grunde genommen sind es unterschiedliche Geschäftsmodelle. Im B2B lässt sich praktisch jeder externe Geschäftsprozess automatisieren. Jedes Unternehmen, das in irgendeiner Weise Produkte herstellt oder Produkte handelt, kann durch den Einsatz von Electronic Commerce sehr starke Rationalisierungspotenziale schaffen. Die hängen zusammen mit der Verkleinerung von Call Centern beispielsweise, der drastischen Verringerung von manuellem Bearbeitungsaufwand von Geschäftsvorgängen, der Reduzierung der Fehlermöglichkeiten, Steuerung, Kontrolle und Transparenz beim Einkauf sowie der Beschleunigung der Wertschöpfungsprozesse. Das sind alles Vorteile, die Electronic Commerce mittelbar und unmittelbar liefert. Im B2B-Bereich, um das zusammenfassend zu sagen, kann jedes Unternehmen profitieren. Im B2C-Bereich können nur diejenigen Unternehmen profitieren, die überhaupt stationär beim Kunden präsent sind. Denn in aller Regel handelt es sich beim Internet um einen zusätzlichen Vertriebskanal. Mit einer einzigen Ausnahme, Amazon. Die machen wirklich nur Online-Vertrieb. Wobei es mich ehrlich gesagt nicht wundern würde, wenn Amazon in den nächsten Jahren eine Ladenkette aufmachen würde, denn der Brand Value muss mehrfach genutzt werden. Wenn das eine Geschäft profitabel ist, wird Amazon früher oder später auf die Idee kommen, mit dem Brand andere Dinge zu tun.


Roland Berger hat jetzt eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Marktplätze vor einer Konsolidierungswelle stehen. Wie schätzen Sie das Thema ein?

Schambach:
Genau so. Wir sehen einen ganz klaren Mehrnutzen in der Anwendung von Electronic Commerce in Großunternehmen. Viele der B2B-Marktplätze sind aber aus reiner Gier entstanden, ohne dass sie einen sinnvollen wirtschaftlichen Hintergrund hatten. Und die werden sich natürlich nicht halten. Wir haben noch ein paar andere Herausforderungen, wie beispielsweise das Formate-Wirrwarr. Die Lieferanten finden sich in einer Situation wieder, wo von ihnen verlangt wird, sich an 30, 40 oder 50 verschiedene Marktplätzen – mit ganz unterschiedlichen Anforderungen an ihre EDV – anzudocken. Also es ist ganz klar, dass die schiere Anzahl der B2B-Marktplätze verringert werden muss, um überhaupt zu einer sinnvollen Zusammenarbeit zu kommen und das bedeutet auch Konsolidierung.

Noch ein kleiner Ausblick. Sie haben sich jetzt auch wieder stärker in die operative Arbeit reingestürzt, habe ich gelesen. Was bedeutet das ganz konkret für Sie?

Schambach:
Wir sind flacher geworden, da zwei Managementebenen herausgefallen sind. Alle wichtigen Bereiche berichten jetzt direkt an mich. Zudem haben wir unsere Strategie fertig. Und im Wesentlichen geht es nun um die Umsetzung. Wir wollen ein wesentlich kunden- und marktnäheres Unternehmen werden und da kann man sich nicht den Luxus von zu vielen Managementebenen leisten und in diesem Sinne verkaufe ich natürlich auch noch selbst unsere Software.

Das Gespräch führte Christian Thunig.