Zielgruppe Männer

Die Männer entwickeln gegenüber den Frauen ein neues Selbstverständnis. Mit Gelassenheit reagieren sie auf jegliche Art von Emanzipation ihrer weiblichen Kollegen. Auch muskelbetontes Bodybuilding reizt nicht mehr. Der Grund für die meisten Männer: keine Zeit, denn unverändert bleibt der enorme berufliche Druck, dem sie sich täglich ausgesetzt fühlen.

von Sandra Fösken

Grenzen weichen weiter auf: Typische Produkte für den Mann bedienen Klischees – doch der Alltag sieht anders aus.

Mehr als 37,5 Millionen Seiten zeigt die Suchmaschine Google beim Begriff Männer an, die Gegenprobe mit „Frauen“ präsentiert fast doppelt so viele, was ein Indiz dafür sein dürfte, wie groß die männliche Sehnsucht nach dem weiblichen Geschlecht ist. So ist es den Website-Betreibern nur recht, wenn der männliche Single-Markt wächst – eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Vermittlung von ukrainischen und russischen Frauen, die heute ganz simpel per Mausklick im Netz erfolgt. Einfach auswählen, die Herzdame aus dem „Frauenkatalog“ wählen und fertig. Kein Wunder also, dass auch Fernseh-Werbung mit weiblichen Testimonials bei den männlichen TV-Zuschauern gut ankommt. Immerhin wünschen sich 39 Prozent aller Männer attraktive weibliche Models in der Werbung. Demgegenüber favorisieren lediglich 27 Prozent der Frauen in der Werbung gut aussehende Männer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Hamburger Forschungsinstituts Media-Analyzer.

Diese Ergebnisse können nicht auf alle Produkte und Marken übertragen werden, sondern nur auf solche, die sich ihrer Bedeutung für Männer bewusst sind und ein entsprechendes Image aufgebaut haben und pflegen. Ein Beispiel dafür ist die Biermarke Holsten, die derzeit mit dem Slogan „Holsten. Auf uns, Männer“ wirbt. Holsten wird bereits als echtes Männerbier wahrgenommen. Dabei werden ganz bewusst eher traditionelle Werte angesprochen.

„Die Gesichtspflege Nivea Q10 Men muss indes eine andere Richtung einschlagen“, sagt Volker Neumann, Leiter Consulting bei der Mediaagentur JOM. „Null gestresst aussehen“ lautet die Werbebotschaft. Der beruflich erfolgreiche, aber gestresste Mann tut etwas für sein Aussehen. „Ein wunderbarer Weg, Männer dazu zu bringen, ein derartiges Produkt voller Überzeugung zu kaufen.
Und in beiden Fällen ein sehr guter Weg, über das entsprechende Markenimage Männer als Kunden langfristig zu binden“, resümiert der Experte.

Ob eine Feminisierung der Männer in der Werbung erfolgreich ist oder gar ein Trend, wurde bislang noch nicht untersucht.
Dabei ist es heute durchaus nicht ungewöhnlich, wenn Männer Elternzeit nehmen und sich Schönheitsoperationen unterziehen.
Frauen gehen heute auch ganz selbstverständlich in den Baumarkt, Männer stehen vor dem Kosmetikregal.

„Sie bewegen sich zwischen Machotum und neuen Wertvorstellungen, die häufig zu Unrecht mit dem Softie verbunden werden“, unterstreicht Neumann.
Was bleibt, ist die „Leitplankenfunktion“, die dem Geschlecht zugeschrieben wird und zur Abgrenzung dient, lautet ein Fazit des Trendreports Männer, den der ProSiebenSat.1-Vermarkter SevenOneMedia im Dezember 2008 herausgegeben hat.
„Ein Mann bleibt einfach ein Mann und möchte auch als Mann angesprochen werden, egal, ob es um Windeln, Rasierwasser oder Joghurt geht.“
Unternehmen sind also gefordert, Produkte zielgerecht in die Lebenswelten der Männer einzupassen.

Bei der Marken-Kommunikation ist aber zu berücksichtigen, dass die Unternehmen sich genau überlegen sollten, welche männlichen Attribute sie ihrem Produkt beziehungsweise der Werbebotschaft zuschreiben.
Denn Männer sind verunsichert, welche männlichen Eigenschaften heute erwünscht und etabliert sind.
„Es darf nicht das Gefühl aufkommen, der eigenen Männlichkeit mit dem jeweiligen Produktinteresse zu widersprechen“, heißt es im Report.
Hinzu kommt die Wahl des richtigen Kommunikationsmix.
Zeitschriften haben beispielsweise durch kontinuierliche Leser-Kontakte ein hohes Kundenbindungspotenzial.
Männer sind ihrer Tageszeitung und ihrer Zeitschriften-Marke besonders treu.
Unter den Kauftiteln favorisieren Männer vor allem „Bild“ und „Bild am Sonntag“ neben Nachrichten- und Wirtschaftsmagazinen sowie der Programmpresse und Wissenschaftszeitschriften.

Es sind vor allem exklusive Nachrichten und Geschichten, die nach Ansicht von „Focus“-Herausgeber und Chefredakteur Helmut Markwort die männliche Info-Elite überzeugen – und die entsprechende journalistische Umsetzung.
Die Auswahl der Themen sei Woche für Woche erfolgsentscheidend. Gut, dass zumindest die Themeninteressen von Männern weitestgehend beständig sind. „Politik, Wirtschaft, besonders Geld, Technik, Sport, Autos und Partnerschaft – je nach Alter in unterschiedlicher Priorität“, zählt Markwort auf.

Als Beispiel nennt der Chefredakteur Storys wie „Digital-Trends 2008“, „Die Testosteron-Story – Der Stoff, aus dem die Männer sind“ sowie aktuelle politische Hintergrundberichte: „Was ist dran an diesem Obama?“ und „Alles anders in Amerika“.
Alles spannende und fundierte Geschichten, die mehrheitlich Männer lesen wollen, sagt Markwort.
Der hohe männliche Leseranteil beeinflusst die Anzeigenvermarktung.
„Automobil, EDV, Telekommunikation sowie Finanzen sind die Branchen, die am meisten auf unsere Werbeträgerleistung vertrauen“, erläutert „Focus“-Geschäftsführer Frank Michael Müller.
„Allerdings sind diese Branchen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise besonders betroffen“, schränkt er ein.
Daher wünscht sich der Experte für 2009, dass die wirtschaftliche Erholung sich schnell einstellt und Unternehmen und Verbraucher investieren.

Reichlich Potenzial biete neben den typisch männlichen Branchen auch das Luxussegment, insbesondere Uhren.
„Das hat sich 2008 bereits erfreulich entwickelt“, ergänzt Müller. Wenn es Dinge gibt, auf die Männer nicht mehr verzichten wollen, dann sind es das Auto und das Internet. Auf die Frage, ob die heute 20-Jährigen in zehn Jahren die Online-Variante – also focus-online – bevorzugten, winkt Markwort ab: „Wir sind bestrebt, in allen Angeboten und auf allen Plattformen junge und einkommensstarke Männer anzusprechen.“

Hingegen stelle er sich lieber die Frage, was Print und was Online im Bereich Crossmedia leisten.
Markwort hat dafür auch kein Patentrezept, beherzigt aber das, was viele Verlage tun.
Print biete umfassenden Hintergrund und „News to use“, Online die schnelle Nachricht einer Tageszeitung, Bewegtbild und Interaktion.
Der Wettbewerbsvorteil liege auch hier wieder im Detail, in der Aktualität, in der Themenkompetenz und in der Art der journalistischen Aufbereitung.

Neue Themeninteressen bei seinen Lesern macht Wolfgang Melcher, Chefredakteur von „Men’s Health“ aus dem Verlag Rodale Motorpresse, aus, weil sich das Rollenbild der Männer in der Gesellschaft verändert hat.
Mehr Männer interessieren sich für Themen, die früher klar feminin besetzt waren: Kochen, Einkaufen, Gesundheit, Körperpflege, Mode und last, but not least das Thema soziale Kompetenz (Familie, Kinder, Erziehung, Vaterrolle).
„Immer mehr (junge) Männer wollen eine aktive Rolle als Vater spielen, entscheiden sich für Elternzeit“, sagt Melcher.
Ein Grund dafür seien die neuen Regelungen zum Elterngeld, die es Männern erleichtern, den Job vorübergehend gegen das einmalige Erlebnis Kind einzutauschen. Melcher schränkt aber ein, dass ein Treiber auch die Frauen selbst seien, die selbstbewusster geworden seien und sich eine aktivere Rolle in der Berufswelt eroberten.
Zudem forderten sie von den Männern einen höheren Anteil an vormals typisch weiblichen Aufgaben ein wie Familie, Kindererziehung – aber auch Kochen oder das Einrichten der Wohnung.
Diese gesellschaftlichen Veränderungen schlügen sich im Blattkonzept nieder.

Für viele Männer sind diese Themen höchst spannend und willkommen – allerdings besteht auch viel Unsicherheit: Wie erledige ich das gut, wo finde ich Informationen, was denken die anderen darüber?
„Und da kommt eine Zeitschrift wie Men’s Health gerade recht, die wie ein großer Bruder Ratschläge gibt und sich nicht scheut, vermeintlich unmännliche Themen so aufzubereiten, dass Männer daran großen Spaß haben“, betont Chefredakteur Melcher.

So bringt „Men’s Health“ seit Kurzem im Ressort Benefit eine eigene Rubrikseite mit Familien- und Erziehungsthemen.
Im Herbst griff die Redaktion auch Themen wie „Depressionen bei Männern“ oder „Gewalt gegen Männer“ auf.
Im Mai-Heft erscheint erneut das Wohnen- und Design-Special Living als Flipcover.

Dass dadurch womöglich traditionelle Leser dem Heft den Rücken kehren, befürchtet Melcher nicht.
„Nein, denn wir gehen diese neuen Themen auf die typische Men’s-Health-Art an: mit Neugier und jeder Menge Expertenwissen, mit Spaß und wo nötig auch einer Portion Selbstironie.“
Die komplette Abdeckung der vielfältigen Themeninteressen ist für die Anzeigenvermarktung vorteilhaft.
So gehören zu den Top-Five-Branchen von Men’s Health neben Automobil, Technik und Sport auch Mode sowie Düfte.

Keine grundlegende Veränderung der Interessenlage bei seinen Lesern stellt Sven Schrader, Chefredakteur von „GQ“ aus dem Verlag Condé Nast, fest.
„Daher gibt es auch keine Anpassungen im Blattkonzept“, sagt Schrader.
„GQ“ konzentriert sich im Kern auf die Themen Fashion, Stil & Design neben Reisen, Autos, Unterhaltungselektronik und Prominente.
Daneben publiziert der Verlag regelmäßig Spezialhefte wie „GQ Style“, „GQ Uhren“ sowie „GQ Grooming“, „GQ Cars“ oder „GQ Sport & Style“.
Außerdem gibt es verschiedene markenbildende Maßnahmen.
Die „GQ Männer des Jahres“-Gala ist sicher das bekannteste Beispiel.

Das Online-Angebot ist eine weitere wichtige Marken-Säule.
Dabei werden Print-Themen in der Online-Ausgabe verlängert und durch ein Bewegtbildangebot auf der Website angereichert.
Um mehr Leser auf die Marke aufmerksam zu machen, bewarb der Verlag das Januar-Heft im Fernsehen, online und am Point of Sale.
Mutig war vor allem der Zeitpunkt.
„In einer Zeit, die von einer massiven Werbe- und Wirtschaftsrezession gebrandmarkt ist, wollten wir bewusst einen Gegenpunkt setzen und unserem Premiummännertitel auch marketingseitig Rückhalt geben“, unterstreicht Schrader.

Auch der Verlag Hubert Burda Media baut sein Geschäft rund um die Marke „Playboy“ konsequent auf allen Kanälen aus.
So bietet „Playboy“ mit dem Cyberclub exklusive Bilder und Videos von attraktiven Models in HD-Qualität als kostenpflichtiges Abo an.
Weitere Erlöse bringen das Lizenzgeschäft, mobile Angebote und die Eventserie „Playboy Club“ sowie Kooperationen im Video-on-Demand-Bereich.

Diversifikation ist nicht nur ein Schlagwort für die Verlage, sondern eine notwendige Überlebensstrategie.
Insgesamt ist der Markt der Männer-Lifestyle-Magazine hart umkämpft.
Einige Verlage zogen frühzeitig die Notbremse und nahmen Titel vom Markt.
So stellte der Verlag Rodale Motorpresse das Zweimonatsmagazin „Best Life“ ein, die Bauer Verlagsgruppe zog den Schlussstrich unter „Matador“, Axel Springer Mediahouse verkaufte „Maxim“ an den Verlag Marquard Media.
Seitdem ringen „Playboy“, „Men’s Health“, die neue „Maxim“, „GQ“ und „FHM“ um die Gunst der anspruchsvollen Leser.

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