„Wurstpate“ und „Pasta Patrone“: Die Mafia als Marke

Die Mafia wird in Deutschland immer noch als etwas Verruchtes, irgendwie als cool angesehen. Warum sonst heißen so viele Restaurants und Produkte nach Italiens berühmtem Exportartikel? Doch nicht alle finden das witzig.
Petra Bratu, Besitzerin des italienischen Restaurants "Cosa Nostra", steht vor ihrem Lokal in Köln. (© dpa)

Von Annette Reuther und Christoph Driessen, dpa

„Cosa Nostra“ steht über dem Eingang zu einem Restaurant am Kölner Rheinufer. Daneben sieht man das Profil eines Mannes mit Schlapphut und darunter den Schriftzug: „Für ehrenhafte Gäste!“. „Cosa Nostra“ ist der Name für die sizilianische Mafia. Unzählige Morde wurden in ihrem Namen verübt. Den Appetit verdirbt das den Gästen anscheinend nicht. Denn in Deutschland und in vielen anderen Ländern werden Namen, die in Verbindung mit der Mafia stehen, gerne zu Werbezwecken benutzt.

Vom Hannoveraner Pizzalieferdienst „Mafia Pizza Express“, über den Berliner Imbiss „Wurstpate“, die Dresdner Dinnershow „Mafia Mia“ bis zu Pasta in Pistolenform namens „Pasta Patrone“, der scharfen Gewürzmischung „Palermo Mafia Shooting“ oder der Berliner Sprachschule „Sprachmafia“: Scheinbar endlos sind die Namensschöpfungen.

Italienischer Agrarverband befürchtet Image-Schaden

Der italienische Agrarverband findet die Namensspielereien nicht komisch. „Der Missbrauch von Mafia-Namen ist ein Geschäft, das dem Image von Produkten ‚Made in Italy‘ Schaden zufügt“, erklärte unlängst der Präsident des Verbandes Coldiretti, Ettore Prandini. Die Stereotype spielten ein Problem hinunter, „das dem ganzen Land Schmerz und Trauer gebracht hat“. Dem Kampf gegen dieses Problem widmete sich vergangene Woche auch die Europol-Konferenz zum organisierten Verbrechen: Gemeinsam mit der Anti-Mafia-Einheit der italienischen Polizei wurde in den Haag über Strategien im Kampf gegen die Banden beraten.

„Ich dachte, es muss etwas Italienisches sein, was man sich direkt merken kann“, erklärt Petra Bratu, die Besitzerin des Kölner Restaurants „Cosa Nostra“. Der Name bleibe im Gedächtnis. Um klarzustellen, dass es keine Verbindungen zur Mafia gebe, habe sie den Zusatz „Für ehrenwerte Gäste“ gewählt.

Anti-Mafia-Behörde spricht von Banalisierung

Rund 1500 Kilometer weiter südlich sitzt Paola Pentassuglia in einem riesigen grauen Bau in der Peripherie von Rom. Hier schlägt das Herz aller Mafiajäger. In Italiens Anti-Mafia-Behörde laufen alle Fäden zusammen, auch internationale Razzien werden hier koordiniert. Pentassuglia leitet die Abteilung für präventive Ermittlungen. Sie findet es „absurd“, wenn im Ausland Pizzerien nach der Mafia benannt werden. „Man banalisiert damit ein kriminelles Phänomen, (…) das viele, viele Tote gebracht hat“, sagt sie. „Es ist, als würde man damit die Wahrnehmungsschwelle senken.“

Sie zeigt auf ein Bild auf ihrem Computer von einem Barbier-Shop in Irland namens „Corleone Barbers“. Corleone ist die sizilianische Stadt, in der einige der berühmtesten Mafiosi zur Welt kamen. Die Mafia-Familie in dem Filmklassiker „Der Pate“ ist nach dem Ort benannt. Und in Paris öffnete zuletzt die Tochter des verstorbenen sizilianischen Mafiabosses Totò Riina ein Restaurant namens „Corleone“. In Italien wäre es „naiv“, einen Laden nach der Mafia zu benennen, weil das sofort die Aufmerksamkeit der Ermittler auf sich ziehen würde, sagt Pentassuglia. Andererseits gibt es auch dort unzählige Souvenirs mit Motiven aus dem Mafia-Kultfilm „Der Pate“.

Kaffe-Becher mit dem Konterfei des US-Schauspielers Marlon Brando in der Rolle als Mafia-Boss Don Vito Corleone aus dem Mafia-Film „Der Pate“ von 1972 sind im Regal in einem Souvenir-Geschäft auf Sizilien zu sehen. dpa

Mittlerweile hat die Mafia in ihrer Heimat auch das untergraben, was den Italienern wie ein Heiligtum am Herzen liegt: ihr Essen. Ob Mozzarella, Olivenöl, Wein: Die sogenannte Agromafia verdient dabei kräftig mit. Im vergangenen Jahr setzte sie damit laut Agrarverband sagenhafte 24,5 Milliarden Euro um.

Im deutschen Bewusstsein schwankt immer noch eine gewisse Faszination mit. Zwar gibt es immer wieder Razzien, die zeigen, dass die Mafia in Deutschland längst Fuß gefasst hat. Spätestens seit den Mafia-Morden von Duisburg im Jahr 2007, als sechs Menschen vor einer Pizzeria erschossen wurde, ist die Mafia kein abstrakter Begriff mehr. Dennoch fühlt man sich irgendwie angezogen und gleichzeitig abgestoßen. Wie bei einem Krimi: Man liest über Mord und Totschlag und entspannt sich dabei. Wie bei Jack the Ripper. Das war ein grausamer Frauenmörder, aber heute ist ihm eine Unterhaltungsindustrie gewidmet.

Mafia wird zum „coolen Phänomen“ missgedeutet

In Deutschland sei die Mafia nicht so stark „im kollektiven Gedächtnis“ wie in Italien, sagt Sandro Mattioli vom deutschen Verein „Mafia Nein Danke“. Wenn zwei Clans wie in Duisburg beteiligt waren, „fragen sich die Leute, was hat das mit mir zu tun?“. TV-Serien und Filme über böse Bosse tun das Übrige.

Filme wie ‚Der Pate‘ haben mit ihrer Bildgewalt ein Faszinosum geschaffen. Die Mafia wird zu einem coolen Phänomen, für das es in der Realität keine Entsprechung gibt“, sagt Mattioli.

Auch im „Cosa Nostr“ in Köln hängen Bilder von Marlon Brando als „Der Pate“ und Robert De Niro in „Good Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“. Beschwerden habe es seit der Gründung vor zwölf Jahren praktisch nicht gegeben, erzählt Besitzerin Bratu. Und wenn, dann ausschließlich von Italienern. Irgendwann mal habe eine italienische Familie gesagt: „Nein, nein, Cosa Nostra – da gehen wir nicht rein. Mit denen haben wir nichts zu tun.“ Viele Besucher würden die Bedeutung des Namens aber gar nicht kennen. „Wäre ich Italienerin, hätte ich wahrscheinlich den Namen nicht so gewählt. Aber so habe ich mir damals überhaupt nichts Übles dabei gedacht.“