Wo liegen Stärken im Web und im Geschäft?

Mode und Lebensmittel werden sowohl im Web als auch beim Einzelhändler bevorzugt. Experten raten zu einer Multikanalstrategie.

von Sandra Fösken

Bestimmte Annahmen beschäftigen derzeit den Einzelhändler: etwa, dass der Onlinehandel den Geschäften Kunden wegnimmt, die Konsumenten per se erst einmal die Beratung im Geschäft suchen, um anschließend das günstigste Produkt im Web zu finden. Diese Annahmen treffen nicht zu, wie eine aktuelle Studie der Agentur Interone zeigt. „Es ist genau das Gegenteil der Fall“, sagt Geschäftsführerin Franziska von Lewinski. Reine Onlinekäufer gebe es nur wenige, vielmehr steige der Anteil der hybriden Käufer, die sowohl im Geschäft als auch im Internet einkaufen, erläutert die Agenturchefin. Telekommunikationsprodukte beispielsweise suchen Kunden verstärkt im Web. Nur noch jeder Dritte schließt Verträge ausschließlich im Geschäft ab. Bei elektronischen Geräten ist der Onlineeinkauf ebenfalls weit verbreitet.

Dr. Matthias Häsel, Innovationsmanager bei Otto, empfiehlt, zunächst die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden zu analysieren und zu verstehen. Die Stärke des Modeeinzelhandels ist zum Beispiel die Anprobemöglichkeit der Kleidungsstücke. Es war also für Otto eine der größten Herausforderungen, einen Lösungsweg zu finden, damit die Anprobe auch im Web möglich ist. Der Versandhändler fand einen in der virtuellen Dienstleistung „Fits.me“. Seither können Kunden unter der Website Otto.de prüfen, ob ein Kleidungsstück sitzt, indem sie einen ausgewählten Artikel durch die Eingabe der Körpermaße an einem virtuellen Torso testen. „Für Unternehmen bietet sich damit die Chance, die Kaufwahrscheinlichkeit zu erhöhen und die Retourenquote zu verringern“, sagt der Manager. Eine Konkurrenzsituation besteht nicht. So ist es nicht überraschend, wenn Konsumgüterriesen wie Procter & Gamble in den Onlinehandel einsteigen. Seit Mai 2010 betreibt der Hersteller einen E-Store mit mehr als 2 000 Artikeln. In Deutschland ist ein solches Konzept nicht vorgesehen, da „ein auf die eigenen Marken reduzierter E-Store für die Kunden wahrscheinlich wenig attraktiv ist“, meint Olaf Kallerhoff, Geschäftsführer Procter & Gamble in Deutschland. Der Vertrieb der eigenen Produkte über Amazon reiche als weiterer Kanal zum klassischen Einzelhandel aus, ergänzt Kallerhoff.
Erich Harsch, dm-Drogeriemarkt-Geschäftsführer, reagiert gelassen auf das Engagement der Hersteller im Web: „Unsere Kunden schätzen die Atmosphäre und die kompetente Beratung durch unsere Mitarbeiter.“ Mit 1 250 dm-Märkten in bester Lage bleibt dem Kunden hierzulande auch keine Wahl. Er kommt beim wöchentlichen Lebensmitteleinkauf konsequent bei dm vorbei.

„Sowohl Einkauf als auch Verkauf werden nicht mehr zwischen den verschiedenen Kanälen unterscheiden“, ergänzt Michael Horstmann, Senior Consultant bei Arvato Systems. „Gleiches gilt für das interne Controlling, Finanzwesen und die Kommunikation zum Kunden hin. Alle diese Themen müssen zukünftig integriert betrachtet werden und eben nicht mehr kanalspezifisch“, betont der Arvato-Manager. Auf der Ebene der Informationstechnik (IT) erfordert dies natürlich auch, dass die grundlegenden IT-Systeme eine vollständige Integration ermöglichen müssen.

„Tesco in Südkorea hat es richtig gemacht“

Mit dem Smartphone-Siegeszug zieht das Internet auch in Geschäfte ein. Die Agentur Interone nahm Wechselwirkungen bei Einkaufsgewohnheiten im stationären und im Onlinehandel jüngst innerhalb der Studie „The Retail Revolution“ unter die Lupe. Interone-CEO Franziska von Lewinski skizziert, wie digital Händler bereits denken.

Das Gespräch führte Sandra Fösken.

Frau von Lewinski, welche Shops im Web gefallen Ihnen am besten?

FRANZISKA VON LEWINSKI: Brands for Friends, um alle Klischees zu bedienen, und natürlich Amazon. Amazon hat eine extrem gute Marke aufgebaut und ist das erste Kaufhaus à la KaDeWe im Internet. Benchmark im Fashionbereich ist der Burberry-Shop. Burberry schafft es, das Markenerlebnis mit dem tatsächlichen Einkauf eng zu verzahnen, wohingegen bei vielen anderen Fashion-Labels häufig ein Bruch zwischen dem Einkaufs- und dem Markenerlebnis besteht. Oft fehlen große Bilder und Inspirationen wie beispielsweise Stylevorschläge, die zum Kauf anregen und die Marke transportieren. Zara und H&M könnten genau in diesen Bereichen noch eine Schippe drauflegen.

Laut Ihrer aktuellen Studie profitiert der stationäre Handel vom Onlinehandel – inwiefern?

VON LEWINSKI: Unsere Studie hat gezeigt, dass der Einkaufskanal zweitrangig geworden ist. Onlineshopping hat sich zwar in der Breite durchgesetzt, dem Kunden geht es aber primär um das Produkt und um die Marke. Er kauft es an dem Ort ein, wo er sich gerade aufhält, zu einem Zeitpunkt, an dem das Kaufbedürfnis entsteht. Insofern differenziert er beim Einkaufen nicht zwischen offline und online.

Was sind Anlässe für Onlineshopkäufe?

VON LEWINSKI: Preis und Komfort beziehungsweise Nutzen (Convenience) spielen eine Rolle, wobei Convenience dominiert, wenn der Konsument sich beispielsweise das Produkt nach Hause bringen lassen möchte. Das Web bietet den Vorteil der höheren Transparenz und Vergleichbarkeit. Der Konsument recherchiert das Produkt in mehreren Shops, vergleicht Auswahl und Preise und kann Freunde bei sozialen Netzwerken wie Facebook gleichzeitig zu ihren Empfehlungen und Tipps befragen. Ein weiterer Vorteil: Die Informationen sind sofort verfügbar. Im Geschäft wird dem Käufer darüber hinaus nur ein begrenztes Produktangebot einer Marke präsentiert.

Welchen Vorteil bietet der stationäre Handel dann noch?

VON LEWINSKI: Persönliche Beratung und die sofortige Verfügbarkeit des Produkts. Grundsätzlich ist es so, dass die gut informierten Käufer eher online und Beratung suchende Käufer eher im stationären Handel einkaufen. Beim Kauf von technischen Produkten wünschen vor allem Frauen Beratung und kaufen das Produkt im Geschäft. Männer meinen in der Regel, sich mit der Produktanwendung gut auszukennen und bestellen technische Produkte daher häufiger online. Bei Lebensmitteln und Mode sind es wiederum die Frauen, die den Onlinekanal öfter zum Einkauf nutzen als Männer.

Wie entwickelt sich der Verkauf von Lebensmitteln über das Web?

VON LEWINSKI: Dieser hinkt in Deutschland anderen europäischen Ländern wie Frankreich, aber auch den USA oder Japan, hinterher. Der deutsche Verbraucher kauft Lebensmittel in erster Linie im stationären Handel ein. Ein Ergebnis unserer Studie hat uns aber sehr überrascht: Das Onlineshopping von Lebensmitteln hat den Einkauf am Kiosk und an den Tankstellen mittlerweile überholt.

Welche Lebensmittel bestellt der deutsche Verbraucher online?

VON LEWINSKI: In erster Linie Genussmittel wie Delikatessen, Wein, Champagner, Gewürze – spezielle Produkte, die der Handel nicht im Sortiment hat. Frischware wird hierzulande noch immer im Geschäft gekauft.

Und was passiert derzeit im Ausland?

VON LEWINSKI: Wir beobachten im Ausland eine Reihe verschiedener Modelle, die auch in Deutschland greifen könnten. In Schweden und in Frankreich sind dies beispielsweise neue Drive-in-Konzepte. Die Produkte werden online bestellt und im Laden abends nach der Arbeit abgeholt. Alternativ kann der Konsument die Ware im Geschäft auswählen und lässt sich die Produkte zu einem vereinbarten Zeitpunkt nach Hause liefern. Tesco in Südkorea hat es unserer Meinung nach genau richtig gemacht: Tesco hat U-Bahn-Schächte mit Plakaten ausgestattet, die Supermarktregale abbilden. Bahnfahrer bestellen die Waren an ihren Haltestellen per QR-Code über ihre Smartphones. Die Bestellung wird anschließend zum gewünschten Zeitpunkt nach Hause geliefert. Seitdem diese Möglichkeit besteht, sind die Umsätze des Lebensmittelhändlers extrem gestiegen – im Übrigen auch die Umsätze im stationären Handel. Das ist ein Beweis dafür, dass der stationäre Handel vom E-Commerce profitiert.

Gibt es in Deutschland ähnliche innovative Konzepte?

VON LEWINSKI: In Deutschland gibt es das Start-up Kochhaus.de, das sein Geschäftsmodell auf Convenience ausgerichtet hat. Der Verbraucher kann Rezepte inklusive der abgewogenen Zutaten online bestellen und sie sich nach Hause liefern lassen. Er kann aber auch die Filiale in Berlin besuchen und alles im Geschäft einkaufen. Das Unternehmen verfolgt von Anfang an konsequent eine Multikanalstrategie.

Wie entwickelt sich der Bereich Telekommunikation?

VON LEWINSKI: Die Konsumenten wechseln im Kaufprozess häufig die Kanäle. Der Konsument ist verunsichert, was die richtigen Produkte sind. Denn diese sind komplex, und oft fehlt die notwendige Transparenz. Am Ende kauft er, wo er sich bestens beraten fühlt.

Verhält sich das bei Kosmetik anders?

VON LEWINSKI: Dieses Segment haben wir nicht unmittelbar untersucht. Wenn der Kunde weiß, was er will, bestellt er online. Wünscht der Verbraucher Beratung oder braucht er das Produkt sofort, geht er ins Geschäft.

Ist es sinnvoll, einen Store bei Facebook zu haben?

VON LEWINSKI: Die BBDO Proximity hat eine Studie zum Thema F-Commerce durchgeführt. Die Untersuchung hat gezeigt, dass mehr als 40 Prozent der Befragten im Moment noch nicht bei Facebook einkaufen möchten. Statt dort einen eigenen Shop zu implementieren, raten wir, über intelligente Verknüpfung mit dem eigenen Shop und/oder der Markenwebsite nachzudenken. Denn Facebook ist eigentlich wie eine Kneipe, in der man sich unter Freunden zum Austausch trifft. Als Unternehmen würde ich nicht zu viel in die Hände eines Kneipenbetreibers geben oder mich auf eine einzige Kneipe fokussieren. Jetzt gibt es auch Google+.

Ist das Onlineshopping bereits ein Massenphänomen?

VON LEWINSKI: Ja, der Onlineverkauf ist in der breiten Masse angekommen. Heute kann man nicht mehr sagen, es würden nur junge oder technisch affine Leute in Onlineshops einkaufen. In unserer Studie haben wir die Altersgruppe der 18- bis 69-Jährigen untersucht, und das Ergebnis ist, dass fast jeder schon mal online eingekauft hat. 62 Prozent der Elektronik- und 41 Prozent der Baumarktkäufer haben bereits Produkte in Webshops eingekauft, die sie sich vorher im Geschäft angesehen haben.

Das ist keine erfreuliche Entwicklung für die Märkte …

VON LEWINSKI: Das Phänomen ‚offline gesehen und online gekauft‘ gibt es – vor allen Dingen, wenn große Preisunterschiede vorherrschen. Jedoch ist der umgekehrte Effekt ‚online gesehen und offline gekauft‘ in allen Branchen, die wir untersucht haben, weiter verbreitet. Dies ist eine gute Nachricht für den stationären Handel, da die Conversation Rate eines interessierten Besuchers im Schnitt bei 30 bis 40 Prozent liegt. Beim Onlinekauf dagegen sind es nur drei bis vier Prozent. Der Handel profitiert also langfristig vom Onlinekanal. Das Tesco-Beispiel belegt dies.

Rechtliche Spielregeln beim F-Commerce

Unternehmen, die sich im Internet präsentieren wollen, müssen rechtliche Aspekte bei der Eröffnung eines Markenshops bei Facebook beachten.

von Martin Schirmbacher und Philipp Schröder

Es beginnt bereits bei der Erstellung eines Profils bei Facebook: Stets sollten Unternehmensseiten nicht von einzelnen Mitarbeitern betrieben werden. Es besteht aber die Möglichkeit, Gruppen einzurichten. Hierbei handelt es sich um eine vom Profil abgegrenzte Seite mit Informationen zu einem bestimmten Thema. Eine Gruppe kann sich auch explizit mit einem Unternehmen befassen. Mit der Einrichtung ist jedoch keine Aussage verbunden, dass Rechte an dem Namen der Gruppe bestehen oder dass es sich überhaupt um eine offizielle Aktivität eines Unternehmens handelt.

Die Möglichkeit, eine Seite bei Facebook zu erstellen, richtet sich auch ausdrücklich an Unternehmen. Facebook gibt keine inhaltlichen Vorgaben. Auch der Name der Seite ist frei wählbar und kann für beliebig viele Seiten vergeben werden. Nach den Nutzungsbedingungen ist es untersagt, allgemeine oder rein beschreibende Domainnamen zu verwenden. Sobald sich mehr als 25 Personen als Fans auf einer Seite registriert haben, kann Facebook eine Subdomain vergeben. Bei der Wahl der Subdomain müssen Marken- und Namensrechte beachtet werden. Deshalb sollten fremde Marken und Namen vermieden werden. Für die Inhalte des Unternehmensauftritts gilt letztlich nichts anderes als für die Website des Unternehmens. Facebook bietet die verlockend einfache Möglichkeit, Fotos, Videos und sonstigen Content einzubinden. Auch dabei ist darauf zu achten, dass keine Urheberrechte Dritter verletzt werden.

Die von Datenschützern geäußerten Bedenken an den Fanseiten und auch dem Einsatz des Like-Buttons nehmen zu. Zuletzt forderte der schleswigholsteinische Datenschutzbeauftragte Dr. Thilo Weichert Unternehmen in Norddeutschland auf, die Fanseiten und Like-Buttons stillzulegen. Zwar kommt langsam Licht ins Dunkel, aber ist immer noch nicht vollständig geklärt, welche Daten Facebook tatsächlich erhebt und ob dies nur Mitglieder oder auch Nutzer betrifft, die kein Profil dort eingerichtet haben.
Die Datenschutzbehörden sehen bereits in der – schon mit der Auslieferung der Grafik verbundenen – Übermittlung der IP-Adresse des Nutzers einen Datenschutzverstoß. Teile der Rechtsprechung und zahlreiche Juristen sehen das jedoch anders. Bisher machen die Behörden lediglich in medienwirksamen Verlautbarungen von sich reden. Bußgeldbescheide, gegen die sich Unternehmen wehren könnten, sind bisher nicht bekannt geworden. Wer etwas sicherer sein will, kann den Like- Button in die Datenschutzerklärung integrieren. Auch die inzwischen angebotenen „Zwei-Klick-Lösungen“ sind ein möglicher Ansatzpunkt. Doch auch hier gibt es keinen endgültigen Schutz vor der Inanspruchnahme durch die Datenschutzbehörden.

Die Pflichtangaben mit Blick auf das Telemediengesetz (TMG) müssen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar sein. Besucher sollen auf einen Blick erkennen können, ob es sich um einen offiziellen Auftritt des Unternehmens oder eine Fanseite handelt. Auf der Unternehmensseite kann ein Impressum leicht integriert werden, etwa in der kleinen Box „Info“ oder „Schreibe etwas über …“. Spätestens bei der Ausgestaltung des Impressums und bei Haftungsfragen muss das Unternehmen die Frage klären, wer Anbieter des Auftritts sein soll. Ebenfalls zu beachten ist, dass das Versenden von Nachrichten direkt an die eigenen Fans nur zulässig ist, wenn sich der Empfänger mit dem Erhalt von Werbenachrichten ausdrücklich einverstanden erklärt hat. Das schreibt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor.

Über die Autoren:
Dr. Martin Schirmbacher und Philipp Schröder sind in der Kanzlei Härting Rechtsanwälte mit Sitz in Berlin tätig. Dr. Martin Schirmbacher ist auch Autor des Buchs „Online-Marketing und Recht“ aus dem Mitp-Verlag.