„Wir wollen kein elitäres Unternehmen sein“: Mit seiner Hochpreisstrategie hat Apple jedoch genau das Problem

Das Erfolgsprinzip des lange Zeit wertvollsten Konzerns der Welt wird gern mit seinen puristisch designten Kultprodukten erklärt – mit Minimalismus und Simplizität, dem Fokus auf das große Ganze. Mindestens zu anderen Hälfte verdankt Apple seinen Erfolg aber einer hochpreisigen Marketingstrategie. Anno 2019 stößt die jedoch an ihre Grenzen: Weil Apple-Kunden nicht mehr bereit sind, Mondpreise für iPhone & Co zu bezahlen, befindet sich der iKonzern auf Schrumpfkurs.
Scheidende Retail-Chefin Angela Ahrendts: Die Luxuswette ging nicht auf (© Apple)

„Einfachheit ist die ultimative Perfektion“, lautete bereits 1977, im Jahr zwei des Firmenbestehens, das Motto von Apple, das die erste Werbekampagne zierte, die den Apple II als „den Personal Computer“ positionierte.

Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch auch, dass Apple mindestens zur Hälfte die größte Marketing-Erfolgsgeschichte aller Zeiten ist. „Beim Marketing geht es um Werte. Es ist eine komplizierte, laute Welt, und wir bekommen wenig Möglichkeiten, in Erinnerung zu bleiben. Deshalb sollten wir genau überlegen, welche Botschaft wir vermitteln“, erklärte Jobs bereits in frühen Jahren.

Haben-wollen-Faktor: Das iPhone war der neue Sex

Die Botschaft des Techpioniers ist seit Jahrzehnten stets die eines besseren Lebens, das so strahlend verläuft wie unter der Sonne Kaliforniens, unter der Jobs aufgewachsen ist. Apples ästhetisch designte Produkte sprechen den Käufer sofort an und sind der Inbegriff des guten Geschmacks – sie sind emotional aufgeladen, sie wecken Begehrlichkeiten wie ein Supermodel: Man möchte sie schlicht haben.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. „Apple ist das neue Symbol für Wohlstand, für Kreativität und Innovationen“, erläutert der Marketing-Professor Scott Galloway das Phänomen des begehrtesten Apfels der Welt metaphorisch. Mehr noch: Der Apple-Code würde unmittelbar an den Fortpflanzungstrieb appellieren, glaubt Galloway. Besitzer von Apple-Produkten wollten symbolisieren, dass sie bessere Gene besitzen – das iPhone ist demnach der neue Sex.

Apples Hochpreisstrategie geht nicht mehr auf

„Der Premiumpreis ist irrational. Aber wir sind bereit, viel Geld zu zahlen, um attraktiver für andere Leute zu erscheinen“,  will der Bestseller-Autor („The Four“) die heimliche Motivation hinter den teuren Apple-Produkten ausgemacht haben. „Die Leute geben 1000 Dollar für ein Smartphone aus, das sie in der gleichen Funktionalität für 200 Dollar bekommen“, erklärte Galloway nach dem Launch des iPhone X.

Allein: Das Erfolgsrezept geht gut, bis es schiefgeht. Im vergangenen Jahr drehte Apple beim iPhone XS und XS Max abermals an der Preisschraube und bot die Flaggschiffmodelle in der Spitze für bis zu 1550 bzw. 1650 Euro an. Das Ergebnis der Preistreiberei war Ende Januar in der Geschäftsbilanz des Weihnachtsquartals zu besichtigen, in dem Apple erstmals seit Anfang der Nullerjahre wieder rückläufige Umsätze und Gewinne vermelden musste. Der Hauptgrund: Die teuren, neuen iPhones wurde nicht so angenommen wie erwartet.

„Wir wollen kein elitäres Unternehmen sein“

Vor allem abseits der westlichen Welt erscheint Apples Hochpreisdoktrin nahezu absurd. „Man kann kein 1000 Dollar teures Smartphone in China verkaufen, wo das Durchschnitts-Prokopfeinkommen 10.000 Dollar liegt“, legt etwa Hedgefondsmanager Daniel Niles den Finger in die Wunde.

In Indien ist die Situation noch eklatanter: Hier kostet das iPhone XS in der Einstiegsversion umgerechnet 1400 Dollar – und damit 40 Prozent mehr als in den USA und sogar mehr als der durchschnittliche Jahreslohn. Entsprechend ist Apple im zweitgrößten Smartphone-Markt weit abgeschlagen – und bringt es gerade einmal auf einen Marktanteil von ein Prozent.

Apple selbst begegnet dem aufkommenden Vorwurf, nur für den wohlhabenden Teil der westlichen Welt zu produzieren, inzwischen aktiv. „Wir wollen kein elitäres Unternehmen sein“, erklärte COO Jeff Williams Ende vergangener Woche auf einer Podiumsdiskussion an der Elon University in North Carolina, „wir wollen vielmehr ein egalitäres Unternehmen sein.“

Auf eine Nachfrage zur Bepreisung der Produkte hatte Williams entgegnet: „Die Geschichten über die Preise unserer Produkte verfolgen uns seit unseren frühesten Tagen. Analysten verstehen offenbar nicht, wie hoch unsere Produktions- und Entwicklungskosten sind“, erklärte Williams.

„Apple muss seine Preis-Hybris aufgeben“

Was Apples Operativchef dabei aber gern verschweigt: Trotz erstklassiger Komponenten und aufwendiger Forschung und Entwicklung fährt Apple mit seinen iPhones immer noch eine traumhafte Gewinnmarge von 50 Prozent und mehr ein, eben weil sich der iKonzern seit jeher dazu entschlossen hat, seine treuen Kunden mehr bezahlen zu lassen. Vor allem beim iPhone XR, das eigentlich zum Hit in den Schwellenländern werden sollte, müsse Apple „seine Preis-Hybris aufgeben“, forderte Analyst Dan Ives von Wedbush zu Jahresbeginn.

Würde Apple von der Hochpreisdoktrin abweichen und seine jüngsten iPhone-Modelle vergünstigt anbieten, um Markanteile zu gewinnen, würde die Gewinnmarge jedoch empfindlich erodieren und nicht zuletzt die Strahlkraft der hochpreisigen Kultmarke beschädigt werden.

„Es scheint, als habe auch Apple eine Premiumpreis-Grenze für das iPhone erreicht. Unsere Erfahrung im Mobilfunkmarkt ist: Wenn das Preismonopol fällt, neigen Verbraucherelektronik-Unternehmen dazu, entweder die Gewinnmarge, Marktanteile oder beides zu verlieren“, malt Goldman Sachs-Analyst Rod Hall ein düsteres Szenario für den aktuell zweitwertvollsten Konzern der Welt.