„Wir müssen dafür sorgen, dass die Marke FC Bayern hell leuchtet“

Karl-Heinz Rummenigge gilt als Visionär und der FC Bayern als Vorzeigeclub in der deutschen Liga. Thorsten Garber sprach für die am 25. Juli erscheinende Print-Ausgabe der absatzwirtschaft mit dem Vorstandsvorsitzenden der FC Bayern AG über das Marketing im Unternehmen Fußball. Hier lesen Sie das Gespräch in voller Länge.

Herr Rummenigge, in der „Hall of Fame“ Ihres Vereins erhält jeder Berufene einen Titel. Sie sind dort „Der Visionär“. Wie sieht denn Ihre Vision vom FC Bayern aus?

RUMMENIGGE: Ich denke, der FC Bayern hat sich in den vergangenen 30 bis 40 Jahren sowohl national wie international in der Spitze etabliert. Titel, Erfolge, Umsätze – alles ist im grünen Bereich. Genau das wird auch in Zukunft wichtig sein: Dass wir weiterhin eine gute bis sehr gute Rolle spielen, speziell wieder versuchen, insbesondere im internationalen Bereich diese Rolle einzunehmen, die man von uns erwartet. Ich sehe national keine Probleme diesen Status zu halten, international muss man klar und deutlich sagen, haben deutsche Clubs zum Teil enorme Wettbewerbsnachteile. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass die Marke FC Bayern, die wir in den vergangenen zehn Jahren stark weiterentwickelt haben, weiterhin hell leuchtet.

Wie würden Sie Ihre Vision anhand von Beispielen umschreiben?

RUMMENIGGE: Erstmal haben wir hier schon viele Dinge bewältigt, die viel Kraft gekostet haben. Wenn ich nur an den Bau des Stadions denke, was ein Kraftakt sonder gleichen war. Wir haben 340 Millionen Euro investiert in die Allianz-Arena. Ein extrem notwendiges Invest, weil wir sonst Chancen verpasst hätten, die nicht aufzuholen gewesen wären. Dann haben wir im vergangenen Jahr extrem in die Mannschaft investiert. Wir haben gerade hier an der Säbener Straße ein neues Service-Center gebaut mit einem Mega-Store, und nebenan entsteht unter Mitwirkung unseres neuen Trainers Jürgen Klinsmann ein neues Leistungszentrum. Der Club ist also sowohl was die Infrastruktur betrifft als auch die Mannschaft, auf einem hohen Niveau gut aufgestellt. Was wir jetzt machen müssen ist, extrem viel Zeit in die Mannschaft zu verwenden, um das Team erfolgreich dastehen zu haben.

Ihr Club ist in der Liga auch wirtschaftlich Branchenführer mit einem Umsatz, der sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt hat. Wie verteilen sich die weit über 200 Millionen Euro auf die Geschäftsfelder, und welches ist das profitabelste?

RUMMENIGGE: Wir geben generell keine finanziellen Einzelheiten zu einzelnen Geschäftsfeldern an – weder in absoluten noch in prozentualen Zahlen. Aber es ist kein Geheimnis, dass bei uns das profitabelste Geschäft das mit dem Sponsoring ist. Für uns sind diese Einnahmen extrem wichtig. Sie haben in den vergangenen Jahren gewährleistet, dass wir einigermaßen in Europa mithalten konnten. Wir haben mit unseren Sponsoren, die fast allesamt „Triple A“-Gesellschaften sind, über Jahre gut funktionierende Partnerschaften, die über das normale Maß hinausgehen. Adidas ist einer unserer Shareholder, mit der Telekom arbeiten wir jetzt im siebten Jahr zusammen, und auch die HypoVereinsbank ist langjähriger Partner. Sie alle gehen mit dem FC Bayern auf einem guten Weg schwungvoll und engagiert mit. Doch trotz unseres guten Sponsoring-Geschäfts ist andererseits auch klar: Der Topf der TV-Gelder ist in Deutschland einfach zu klein; wenn Sie das international vergleichen, sind wir von den „Big 5“ das Schlusslicht. Dies gilt es zu verändern.

Und wie?

RUMMENIGGE: Die DFL (Deutsche Fußball-Liga; Anm. d. Red.) muss hier künftig mehr Einnahmen erzielen. Insbesondere aus dem Auslandsgeschäft, denn hier gibt es extremen Nachholbedarf. Und beim Thema Pay-TV hat man hierzulande zu lange auf Konkurrenz statt auf Partnerschaft gesetzt. Wenn wir’s hier ähnlich wie die Engländer mit BSkyB gemacht hätten, wären wir weiter. Die englischen Clubs haben viel mehr zum Wohle ihres Pay-TV-Partners gemacht, als die deutschen Clubs für Premiere. Wir wären sicher weiter, wenn wir Premiere und PayTV partnerschaftlich und nicht immer konkurrierend behandelt hätten. Wir wollten darüber die Preise nach oben schaukeln statt über die Quantität der Abos von Premiere.

Mit Einnahmen aus dem Spielbetrieb erzielen Sie zwar auch einen großen Anteil Ihres Umsatzes, doch in anderen europäischen Ligen kosten Eintrittskarten mitunter drei Mal soviel. Warum ist Ihre Preisgestaltung so defensiv?

RUMMENIGGE: Die Preisgestaltung war von Anfang an sehr defensiv angelegt. Wir alle haben es aus sozialen Gründen nicht gemacht, die Eintrittspreise an das Niveau internationaler Top-Ligen anzunähern. Die Bundesliga hat immer den Spagat versucht, Fußball für alle sehbar zu machen. Beim FC Bayern liegen die Preise bei 250.000 Euro für eine Lounge pro anno bis zu einem Stehplatz, der pro Spiel sieben Euro kostet. Diese extrem rationale Preispolitik ist aber auch bewusst gewählt in der Bundesliga, damit gewährleistet ist, dass die Stadien voll sind.

Geht diese Rechnung auf?

RUMMENIGGE: Ja, wir sind das einzige Land in Europa, das in diesem Punkt noch steigende Kennzahlen hat, während etwa Italien mit den Zuschauerzahlen dramatisch nach unten abdriftet; allerdings auch, weil die Vereine dort verpasst haben, ihre Infrastruktur anzupassen. Die Stadien in Italien sind in einem katastrophalen Zustand. In Deutschland sind insbesondere die vielen neuen Stadien toll: von der Atmosphäre perfekt, von der Sicherheit perfekt, vom Service perfekt. Dank der Weltmeisterschaft mit den Neu- und Umbauten haben wir hier im Moment die beste Stadion-Infrastruktur der Welt. Aber trotz der besten Stadien: Es ist wie mit der Butter – ist sie zu billig oder zu teuer? Wenn Sie diese Frage auf der Straße stellen, werden viele den Preis gar nicht kennen, aber die meisten dennoch sagen, sie sei zu teuer. Ich glaube, es wird schwierig das Thema anzupacken, und wir sollten die Preise vielleicht auch gar nicht anpassen. Wir sollten das Thema sozial betrachten, auch wenn das etwas nostalgisch klingt. Das ist unser Beitrag, den wir für die Fans leisten, und den ich für vertretbar halte. Wir haben noch Ressourcen bei den Fernsehgeldern, Merchandising und Sponsoring. Und vor allem bei der Auslandsvermarktung.

Über eine zentrale Vermarktung der Fernsehrechte für die Bundesligavereine erhält der Meister zwar doppelt so viel TV-Gelder wie der Absteiger, aber können Sie sich als Spitzenclub dauerhaft diese Umverteilung des sozialen Ausgleichs leisten?

RUMMENIGGE: Richtig ist, dass wir uns in einem großen Spannungsfeld bewegen zwischen Tabellenplatz 1 und 18 mit einem Auszahlungsverhältnis von 2:1. Dies ist, glaube ich, das solidarischste Verteilungsprinzip der Welt. Auch hier gilt es, die entscheidende Frage zu stellen: Quo vadis Bundesliga? Welche Rolle will die Liga international spielen? So eine unbedeutende? Denn das wird in der Regel so sein, wenn weiterhin so wenig Geld so gleich aufgeteilt wird. Ich habe diese Diskussion in der Liga angeregt: Wollen wir eine Bundesliga mit Spitzenclubs, die auf europäischer Ebene mithalten können? Ich fürchte, eine Einzelvermarktung können Sie vergessen und wäre für den FC Bayern wunderbar. Kommt aber nicht. Aber eine verdienstvolle Aufteilung der Gelder müsste schon das Ziel sein.

Ihr Vorstandskollege Uli Hoeneß beklagte vor fast zehn Jahren im Interview mit der absatzwirtschaft: „Im Fernsehmarkt sind wir gegenüber England, Spanien und Italien ganz schwach.“ Und heute?

RUMMENIGGE: Seit Christian Seifert die DFL-Geschäftsführung übernommen hat, ist die TV-Vermarktung der Liga schon besser geworden. Wir befinden uns aber immer noch weit hinter den anderen großen Ligen. Obwohl wir gegenüber diesen Ländern sowohl von der Einwohnerzahl als auch von der Wirtschaftskraft her ja eigentlich die Nummer 1 sind. Nun mag man auf gewisse Eigenarten verweisen wie unsere 33 Free-TV-Kanäle, die letztlich dazu führen, dass wir nun mal nur diese Einnahmen erzielen. Trotzdem gilt es sie zu entwickeln. Der heimische Markt mag ja sein wie er ist, aber ich setze stark auf die Auslandsvermarktung. Hier haben wir erst Einnahmen von 20 Millionen Euro aus den weltweiten Fernsehrechten. Die Engländer nehmen 20 Mal mehr ein, also knapp 400 Millionen Euro. Dabei sind wir doch eigentlich nicht nur fünf Prozent des englischen Fußballs wert.

Wie entwickeln sich Ihre Geschäftsfelder unter den so genannten „Partner Specials“ wie FCB Banking, Lotto Bayern und FC Bayern Tours finanziell?

RUMMENIGGE: Sie entwickeln sich sehr unterschiedlich. FC Bayern Tours erfreut uns seit Jahren mit kontinuierlicher Umsatzsteigerung und ist auch profitabel. Das ist ja eine Partnerschaft mit Euro Lloyd. Unser FCB Banking läuft extrem gut. Ich kann mich noch erinnern als wir den Vertrag mit der HypoVereinsbank unterzeichnet haben, waren nicht alle Vorstandsmitglieder pro gestimmt. Allein durch die „FC Bayern Sparcard“ ist aber ein Run ausgelöst worden, der selbst unsere Erwartungen weit übertroffen hat. Gerade in der vergangenen Saison. Man darf nicht vergessen, dass Card-Inhaber allein fünf Prozent Zinsen auf den Meistertitel gut geschrieben bekommen. Pro zehn geschossener Heimtoren gibt es einen weiteren Bonus on Top von 0,1 Prozent. Ein attraktives Instrument. Unser Banking hat eingeschlagen wie eine Bombe und alle überrascht. Das Einzige, was im Moment nicht so gut läuft und mir Sorgen bereitet, ist unsere Partnerschaft mit Oddset. Die gesetzlichen Restriktionen in Bezug aufs Wetten sind extrem. Wir würden gerne weniger mit Lotto und mehr mit Oddset machen. In England hat jeder Proficlub eine Wettplattform während wegen der Beschränkungen in Deutschland das Geschäft nahtlos an uns vorbeiläuft. Da ist unser Gesetzgeber gefordert. Bisher blieb unsere Lobbyarbeit in diesem Punkt ohne Erfolg. Geschätzt wird, dass dem deutschen Fußball dadurch 300 Millionen Euro pro Jahr verloren gehen.

Mit welcher Kommunikationsstrategie und welchen Instrumenten arbeiten Sie daran, dass Ihr Verein bekannter und beliebter wird?

RUMMENIGGE: Wir hatten zu meiner Zeit als Spieler noch eine Medienabteilung, die nur mit einem Mann besetzt war. Jetzt haben wir unterschiedliche Abteilungen. Eine für die klassischen Medien, die Presse, Fernsehen und andere bedient. Dann haben wir eine für die neuen Medien; und wir werden zur neuen Saison diese Kanäle intensivieren, um noch mehr kundzutun. Etwa die mehr Inhalte für internationale Märkte über „FC Bayern.tv“. Wir wollen Filme allenfalls gegen eine Gebühr für die technischen Aufwendungen zur Verfügung stellen. Wir werden weltweit mehr Fotos anbieten und wollen dafür mit „Getty Images“ zusammenarbeiten. Name, Foto und Brand des FC Bayern wollen wir global bereitstellen.

Sie verantworten als Vorstand unter anderem die „Neuen Medien“. Beschreiben Sie bitte anhand von „FCB.tv“ und „FCB-HandyWelt“ wie erfolgreich diese neuen Medien als Geschäftsmodelle funktionieren.

RUMMENIGGE: Unser Ziel war von Anfang an, diese Plattformen attraktiv zu machen und zu betreiben ohne Geld zu verbrennen. Das ist uns gelungen. Unsere Website gilt nicht nur im nationalen, sondern auch im europäischen Kontext als Paradebeispiel im positiven Sinne. Wir sind extrem zufrieden. Wir haben Monate mit bis zu 100 Millionen Clicks. Wir sehen unsere Website als großen Service für unsere Fans, die im Prinzip alles darüber abwickeln können – ob News, ob Tickets, ob Merchandise-Artikel. Das zusätzliche Vehicel, das wir in der kommenden Saison mit Jürgen Klinsmann extrem stärken werden, ist FC Bayern.tv. Wir wollen, dass der Fan über unsere Website rundum über den Verein informiert wird. Er erhält dort täglich ein umfangreiches Update. Wir habe jetzt ein eigenes Studio eingerichtet für tagesaktuelle Interviews mit Uli Hoeneß, Jürgen Klinsmann und Spielern. Wir werden die Trainingseinheiten noch besser aufbereiten. Wir werden das FCB.tv deutlich anfüttern, um ein gutes Produkt für gerade mal 2,50 Euro pro Monat anzubieten. Wir sind auch weiter, was die Abo-Zahlen angeht. Wir haben im Moment ungefähr 35.000 Web-Abos über FCB.tv generiert, aber ich weiß von Kollegen in Italien die weniger als ein Drittel dieser Abozahl haben, obwohl sie weit vor uns angefangen haben. Allerdings sind sie mit dem Preis höher eingestiegen, vielleicht aber auch zu hoch. Wir haben vor allem festgestellt, dass der Inhalt aktuell sein muss. Der Fan darf keine News finden, die er schon dreimal in der Zeitung lesen konnte.

Verhält es sich mit Ihrer HandyWelt ähnlich?

RUMMENIGGE: Unsere HandyWelt entsteht aus unserer Partnerschaft mit Telekom und SonyEricsson. Wir wollten von der Hard- über die Software bis zu den Inhalten alles FC Bayern-like unseren Fans nahe bringen. Das sind vor allem News per SMS: Wenn wir etwa einen Transfer tätigen, wird das zuerst über diese Schiene verbreitet. Sie können über MMS, etwa wenn der FC Bayern samstags ein Tor erzielt, sofort informieren. Es ist unser schnellstes Medium. Es ist eine über den FC Bayern gebrandete Hardware und Software, die aber selbstverständlich alles kann, was ein Handy sonst noch so können muss. Dieses Geschäft betreiben wir seit Herbst des vergangenen Jahres und läuft sehr zufriedenstellend. Wir haben festgestellt: Sie brauchen oft Geduld bei neuen Produkten. Man muss das Neue kundtun und erklären, damit die Leute den Glauben an das Produkt finden. Oft kommt dann kurioserweise erst nach Monaten der ganz große Schub. Auch Partnerschaften müssen sich oft erst über Jahre entwickeln, um dann ihr volles Potenzial zu entfalten. Ich kann Firmen, die sich für Fußball-Investments interessieren, nur raten, so ein Engagement nicht kurzfristig anzugehen, sondern langfristig zu sehen. Dann wird es erfolgreich sein.

Im Merchandising arbeiten Sie vor allem mit Lizenzen, aber auch mit eigenen Shops etwa im Einkaufszentrum CentrO. Wie generieren Sie über neue Produkte und neue Vertriebskanäle mehr Wachstum?

RUMMENIGGE: Erstmal hat man hier eine hohe Abhängigkeit vom Erfolg der Mannschaft und von der Attraktivität einzelner Spieler. Das hat uns wieder das vergangene Jahr bewiesen. Frank Ribéry und Luca Toni waren für 50 Prozent aller unserer Trikotverkäufe verantwortlich. Sie können damit zwar keinen Spielertransfer refinanzieren, aber über solche Stars können die Vereine schon gute Umsätze generieren. Ich halte zwar für ein Märchen, dass David Beckham über die Trikotverkäufe seine Transferkosten für Real Madrid wieder hereingeholt hat, zumal ich die Zahlen kenne, aber Umsätze und Attraktivität steigern kann man so auf jeden Fall. Die aktuellen Zahlen habe ich zwar noch nicht, aber ich schätze schon jetzt, dass wir für die vergangene Saison im Merchandising einen Umsatzschub von 25 Prozent verzeichnen. Dank der Erfolge und Titel, aber auch wegen der Attraktivität solcher individuellen Spieler.

Und neue Produkte? Ihre Kollektion für Frauen hätte es so wohl vor 15 Jahren noch nicht gegeben.

RUMMENIGGE: Wir tragen dem Rechnung, was wir eigentlich jeden Samstag im Stadion sehen. Zu meiner Zeit – (lacht) ich habe ja auch mal Fußball gespielt – waren etwa fünf Prozent Mädchen und Frauen im Stadion. Mittlerweile registrieren wir 25 bis 30 Prozent weibliche Stadiongänger. Die Besucherstruktur hat sich extrem gewandelt, gerade seit der vergangenen Weltmeisterschaft hier im eigenen Land. Mädchen und Frauen haben den Fußball als Unterhaltungsfaktor entdeckt, finden das toll und gehen entsprechend ins Stadion. Das sind nicht nur Spielerfrauen, die da immer im Fernsehen auf der Tribüne gezeigt werden. Die Stimmung im Stadion ist keine reine Fußballstimmung mehr, sondern eine Partystimmung. Junge und weibliche Besucher haben heute mehr Spaß daran als früher. Frauen tun dem Fußball überdies aus zwei Gründen gut: Sie wirken deeskalierend auf männliche Stadionbesucher und sorgen insgesamt für bessere Stimmung.

Herr Hoeness hatte seinerzeit eigene FCB-Restaurants in Aussicht gestellt. An welchen neuen Produkten und Distributionslinien arbeiten Sie gerade tatsächlich?

RUMMENIGGE: Die Restaurants haben wir zum Glück nicht eröffnet. Unsere Kollegen von Manchester United und dem FC Chelsea haben ManUnited-Cafés und Chelsea-Cafés gemacht, vor allem in Asien. Die sind in der Zwischenzeit fast alle wieder geschlossen, weil nicht profitabel. Wir versuchen unsere FC Bayern-Welt virtuell weiter zu öffnen über unsere Internet-Plattform. Und zwar über verschiedene Sprachen wie Chinesisch, Japanisch oder Spanisch. Ich kann mir vorstellen, dass aus den derzeit betriebenen sechs oder sieben Sprachen irgendwann auch 20 werden. Indisch zum Beispiel. Wir waren dort kürzlich auf Reisen mit riesengroßem Erfolg. Warum sollten wir dieses große Volk nicht mitnehmen und unsere FC Bayern-Welt täglich mit frischen News nahe bringen. Deutsch und Englisch reichen nicht, man muss die Fans jeweils in ihrer Landessprache mitnehmen. Das kann man gut mit Partnern; wir machen das in China, Japan und Indien. Unser Programm nennen wir „Visit friends“. Wir werden in Zukunft auch den osteuropäischen Raum verstärkt in den Fokus nehmen. Wir haben nämlich in Umfragen festgestellt, dass der FC Bayern München dort kurioserweise beliebter ist als Clubs wie Real Madrid oder Manchester United. Vielleicht wegen der geographischen, räumlichen Nähe. Länder wie Kroatien, Ungarn, Slowakei, Russland wollen wir in nicht allzu ferner Zukunft marketingtechnisch einnehmen. Dort gibt es viel Potenzial. Und unsere Partner wie Audi, HypoVereinsbank, adidas oder Telekom haben in diesen Ländern auch großes Interesse. Wir gehen Hand in Hand mit unseren Partnern und klaren Marketingstrategien in diese Länder. Über das Vehikel „FC Bayern“ lassen sich hervorragende Synergieeffekte für Partner erzielen.

Der FC Bayern München sieht sich als Weltmarke. Andere Vereine scheinen aber beispielsweise in Asien besser unterwegs zu sein. Woran müssen Sie noch arbeiten, um die Marke global besser zu vermarkten?

RUMMENIGGE: Die Attraktivität und Attraktion der Liga ist dabei zunächst einmal wichtig. Damit sie dort vor Ort stattfindet, also im Fernsehen gezeigt wird. Ein Spiel wie FC Bayern gegen Borussia Dortmund an einem Samstag muss in möglichst vielen Ländern übers Fernsehen präsent sein. Nur so wird die Brand „FC Bayern“ und die einzelnen Spieler bekannt. Wir entwickeln Zusatzprogramme wie jetzt mit der Sportsmangroup, mit der wir eigene FC Bayern-Programme produzieren, die wir zum Teil kostenlos zur Verfügung stellen. Dabei entstehen zum Beispiel „specials“, in denen wir etwa Frank Ribéry, Luca Toni oder unsere deutschen Nationalspieler vorstellen. Wir machen das, um Kanäle, die Rechte an der Bundesliga eingekauft haben, zusätzlich Futter zu geben. Kurzum: Präsenz ist alles. Man muss auch auf Reisen gehen, um etwa in Asien bekannt zu werden. Nehmen wir unsere Reise vom Mai nach Jakarta und Kalkutta. Das Feedback war überragend. Wir hatten zwei Mal ein volles Stadion, und das Medienecho war enorm. Aber wir müssen Nachhaltigkeit schaffen, also immer wieder präsent sein. In Kalkutta hatten wir eine Aktion unter dem Titel „Das letzte Spiel von Oliver Kahn“, wobei man Mitglied in einem Fanclub werden konnte – da waren zum Schluss 500.000 Inder als Mitglied online registriert! Solche Erfolge kann man erzielen, aber man muss vor Ort präsent sein und braucht Partner. Ich räume in punkto Auslandsvermarktung ein: Wir alle in der Bundesliga haben zehn Jahre lang Vollschlaf gehalten. Jetzt geht’s los. Der VfL Bochum haben zum Beispiel hat gerade den Japaner Ono verpflichtet und wird nach Japan reisen, um dort ein Spiel zu machen. Solche Aktionen waren früher unvorstellbar, heute sind sie glücklicherweise im Kommen. Das steht nicht nur uns, sondern auch der Marke Bundesliga gut zu Gesicht.

In Auslandsmärkten dürften Sie und Ihre Partner nicht immer gute Geschäfte machen. In China sollen Fußballfans überwiegend Trikot-Plagiate des FC Bayern tragen, weil sie sich das original adidas-Shirt nicht leisten können. Wie sehen Sie diesen Umstand?

RUMMENIGGE: Ich sehe das natürlich mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite identifizieren sich die Leute auch mit einem Plagiat mit der Marke FC Bayern München, andererseits ist es weder für uns noch für die Firma adidas lustig, wenn das Geschäft an uns vorbeiläuft. Ich kenne mich zwar nicht so gut aus in China, aber wie ich höre ist dort das Thema Plagiate nicht beherrschbar.

Sie pflegen eine auffällig enge Beziehung zu Adidas als Ausrüster mit 10-prozentigem Aktienanteil am FCB. Ist so eine Abhängigkeit für beide Seiten gut?

RUMMENIGGE: Gerade dies ist eine über gut 35 Jahren gewachsene Partnerschaft. Als ich zum FC Bayern als Spieler kam, stand der Adidas-Schriftzug sogar auf unseren Trikots. Zwischen uns ist ein großes Vertrauen gewachsen. Die zehn Prozent Aktienbeteiligung brauchten wir damals ganz einfach als Investitionskapital für die Allianz-Arena. Dafür haben wir uns bewusst Adidas ausgesucht, weil wir einen Partner mit einer besonders großen Fußball-Affinität gewinnen wollten. Wenn wir dazu eine Ausschreibung öffentlich gemacht hätten, wären sicher viele Investoren auf uns zugekommen. Wir hatten damals sogar ohne Ausschreibung ein Angebot des thailändischen Investors, der dann bei Manchester City eingestiegen ist. Wir wollten aber nicht, dass der Club im Entferntesten in fremde Hände gerät, weil das für die Fans ein Schock gewesen wäre. Wir wollten stattdessen mit bekannten, gewachsenen Partnern dieses Thema heben. Adidas war absoluter Wunschpartner, und wir haben einen für beide Seiten fairen Deal hingekriegt. Darüber hinaus läuft der aktuelle Ausrüstervertrag mit Adidas noch über vier Jahre. Die Shareholder-Beteiligung ist aber unabhängig davon.

Würde Adidas-Vorstandschef Herbert Hainer als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender beim FC Bayern nicht intervenieren, wenn Nike in vier Jahren ein lukratives Angebot über einen Ausrüstervertrag vorlegt?

RUMMENIGGE: Ich habe ihn bislang nur als sehr fairen Partner kennen gelernt. Am Ende des Tages regelt der Markt immer die Preise. Das weiß auch Herr Hainer. Ich betone aber noch mal: Adidas war immer unser Wunschpartner, und ich hoffe, dass wir auch künftig Deals zum Wohle beider Partner vereinbaren können. In der Vergangenheit ist uns das immer geglückt. Außerdem wäre sein Einfluss auf eine solche Entscheidung angesichts des 90-prozentigen Aktienanteils auf unserer Seite letztlich nur gering. Herr Hainer ist aber ein sehr angenehmer Mensch, zu dem wir auch persönlich ein sehr gutes Verhältnis haben.

Ihr Verein verfügt nach einer Untersuchung von Mediaedge über das markanteste Imageprofil. Positiv besetzten Begriffen wie leistungsstark, innovativ oder modern stimmen die Befragten ebenso zu wie negativen – etwa arrogant, unbeliebt oder unfair. Schaffen Sie es mit dieser Polarisierung leicht, Sponsoren als Unterstützer zu finden?

RUMMENIGGE: Das Polarisieren ist von uns gewollt. Es macht die Marke FC Bayern erst interessant. Schauen Sie sich die Bild-Zeitung an: Jeden Tag mindestens eine Seite über den FC Bayern! Wir haben mal eine Diskussion geführt – intern und mit externen Beratern –, ob etwas daran ändern sollte oder nicht. Danach waren alle überzeugt, bloß nichts an dieser Polarisierung zu verändern, weil das die Marke sehr lebendig und attraktiv macht. Ich glaube auch nicht, dass wir ein unfairer Club sind. Wir sind ein erfolgreicher Club, und Erfolg führt nun mal hin und wieder zu Neid. Das kann man nicht ändern. Aber unfair, nein. Sie werden keinen Spieler, der jemals bei uns unter Vertrag war, und keinen ehemaligen Partner finden, die uns je diesen Vorwurf gemacht haben. Wir mögen vieles sein, aber unfair sind wir nie.

Studien der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young oder des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts kommen überein: Das Fußballgeschäft wächst global weiter. Wie bewerten Sie das Potenzial und die Grenzen?

RUMMENIGGE: Man muss sich nur die Entwicklung unseres Clubs anschauen. Wir haben stetige Umsatzsteigerungen, und was Gewinn und Verlust angeht eine profitable Basis. Das Problem, in dem wir als deutsche Clubs stattfinden, ist eine globale Fußballwelt speziell in Europa, die uns das Leben nicht einfach macht. In England unterliegen die Fußballclubs als Kapitalgesellschaften nicht wie wir der „50 plus eins“-Regel mit einer Mehrheit beim eingetragenen Verein. Leute wie ein Roman Abramowitsch beim FC Chelsea, der ehemalige thailändische Premierminister bei Manchester City, oder Geldgeber aus Amerika bei Manchester United oder dem FC Liverpool investieren dort in großem Stil. In Italien und Spanien ist für Vereine die Einzelvermarktung im TV möglich, mit Einnahmen von Fernsehgeldern in einer Größenordnung von bis zu 150 Millionen pro anno. Gegenüber 25 bis 30 Millionen Euro hier in Deutschland innerhalb der Bundesliga. Wir stehen aber im Wettbewerb mit den anderen Clubs, und vom FC Bayern wird erwartet, dass er mithält.

Das hört sich besorgt statt zuversichtlich an.

RUMMENIGGE: Ganz nüchtern betrachtet ist dieses Geschäft in erster Linie abhängig von der Qualität der Spieler. Wenn ab Montag nach dem EM-Finale das Transfergeschäft losgeht, dann müssen Sie zusehen, dass Sie qualitativ hochwertige Spieler kriegen. Dabei wirken zwei Faktoren: zum einen die Transfersumme, zum zweiten die Gehälter. Die Transfersummen machen mir gewisse Sorgen. Was mir große Sorgen bereitet, sind die Gehälter, die zum Teil in astronomische Höhen abschießen. Wir hatten immer verrückte Summen, aber damit Sie eine Vorstellung bekommen ein Beispiel: Ein Spieler wie Ibrahimovic, der gerade bei Inter Mailand seinen Vertrag verlängert hat, verdient etwa zwölf Millionen Euro – nicht brutto, sondern netto im Jahr. Die Spieler gehen natürlich dahin, wo das meiste Geld zu verdienen ist. Die Philosophie heißt: Friss oder stirb! Wer nicht sterben will, muss in diesem Wettbewerb so weit mitgehen wie er kann. Was für einen deutschen Club wie den FC Bayern nicht so einfach ist.

Sind das nicht auch die Geister, die die Vereine selbst gerufen haben?

RUMMENIGGE: Nein, das sind die Geister, die Bosman gerufen hat. Das Bosman-Urteil ist ja durch die EU-Gerichtsbarkeit zustande gekommen, und nicht durch den Fußball selber. Die Politik hat hier also einen ziemlich negativen Beitrag geleistet. Seitdem ist das Karussell nach oben in Bewegung.

Müssten sich Vereine wie der FC Bayern nicht allein aus finanziellen Gründen auch künftig stärker fremden Investoren öffnen?

RUMMENIGGE: Das ist bisher nicht gewünscht. Als wir uns umgewandelt haben in eine AG, mussten wir den Mitgliedern schon sehr genau erklären, warum wir das tun. Und gleichzeitig haben sie damals wert darauf gelegt, dass in den Statuten des Vereins festgelegt wird, dass es für das Präsidium verbindlich ist, dass 50 plus 1 Prozent beim e.V. gehalten werden. Also ist das nicht nur qua DFB so, sondern auch qua FC Bayern-Statuten so geregelt. Insofern könnte eine weitere Öffnung gar nicht stattfinden, weil man das damals nicht gewollt hat. Ob das heute anders ist? Davon bin ich nicht überzeugt. Die Fans haben ein unglaublich enges Verhältnis zum Club und wollen verhindern, dass Investoren wie Abramowitsch oder ein ehemaliger thailändischer Premierminister mit zweifelhaftem Ruf auf einmal den FC Bayern besitzen könnten. Sie wollen solche Leute verhindern. Das muss man nüchtern sehen.

Und eine stückweise Herausgabe von Aktien wie im Fall Adidas? Also zehn Prozent an Audi, und weitere Pakete für andere anständige Unternehmen?

RUMMENIGGE: Das würde sicherlich mehr von den Fans und Mitgliedern goutiert. Aber es ist die Frage, ob Investoren das unter diesen Voraussetzungen für interessant halten. Die Konstellation FC Bayern und Adidas ist eine spezielle. Ob andere dies akzeptieren würden, bin ich nicht hundertprozentig sicher und überzeugt.

Müssen Sie nicht ran an das Thema?

RUMMENIGGE: Ich will’s mal so formulieren: Solange wir das aufrechterhalten können, was uns jetzt zum 14. Mal in Folge gelungen ist, müssen wir nicht beziehungsweise noch nicht ran an das Thema. Wir sind profitabel, unser Umsatz wird bei rund 285 Millionen Euro liegen nach knapp 240 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Er ist also noch mal 20, 25 Prozent nach oben gegangen. Wir waren trotz der erhöhten Investitionen des vergangenen Jahres wieder profitabel. Aber: Wir haben natürlich eine hohe Abhängigkeit vom sportlichen Erfolg. Der war in diesem Jahr da. Aber wenn der mal weniger eintritt, wird die Profitabiltät sicher schwieriger einzulösen sein.

Ist die Marke FCB stark genug, dass Spitzenspieler auch für weniger Geld gern nach München wechseln? Und bleibt der Nachwuchs im Spitzensport nicht auf der Strecke?

RUMMENIGGE: Grundsätzlich ist auf jeden Fall richtig, dass Spitzenspieler für die internationale Wettbewerbsfähigkeit unerlässlich sind. Trotzdem versuchen wir einen Spagat, der uns bislang gut gelungen ist. Betrachten wir unseren aktuellen Kader: ein Sebastian Schweinsteiger, ein Phillipp Lahm, ein Michael Rensing, davor ein Sammy Kuffour oder ein Owen Hargreaves – die kamen alle aus unserem Internat. Wir haben es also immer versucht. Wir haben aber auch immer gesagt, dass wir beides brauchen. Einen Frank Ribéry als Superstar sowie eigene Nachwuchsspieler. Nur ist der Qualitätsanspruch sehr hoch, und wir stellen jetzt fest, dass es nicht immer zu leisten ist. Wir hatten jetzt zwei Jahre hintereinander, in denen es kein Spieler aus dem Internat geschafft hat, in der ersten Mannschaft Fuß zu fassen. Wir bekommen das übrigens als Lizenzvorgabe vom DFB vorgeschrieben. Zweitens haben Sie, wenn Sie Chamions League spielen, dieses „Local trained players“-Obligo. Das heißt im nächsten Jahr müssen Sie vier Spieler eigens ausgebildet haben und vier weitere Deutsche, die innerhalb der Bundesliga ausgebildet wurden. Um also 25 Spieler zu melden, müssen acht Spieler unter diesem Local-Train-player-Programm fallen. Das ist für uns in Deutschland kein Problem, hat aber dazu geführt, dass beim FC Chelsea im vergangenen Jahr nur 21 Spieler gemeldet wurden. Man darf beim Nachwuchs nicht aufgeben. Man hat zwar im Fußball immer nur Perioden, in denen gute Talente es schaffen, aber wenn die Mannschaft charakterstark und qualifiziert ist, funktioniert das auch eher.

Beckenbauer, Hoeneß, Rummenigge und andere: Ihren Club führen vor allem ehemalige Spieler. Mit Oliver Kahn steht ein Nachfolger parat. Wer stößt noch nach? Und ist die Kenntnis des Clubs so wichtig, dass Ex-Profis so oft Anwärter auf die Managerposten sind?

RUMMENIGGE: Es gibt zwei Gründe, die dafür sprechen. Zum einen ist es für die Fans sehr wichtig, haben wir festgestellt, dass ehemalige Spieler weiter eine Rolle im Club spielen, in welcher Form auch immer. Gerd Müller ist zum Beispiel der Assistenztrainer unserer Amateur-Mannschaft, Jürgen Wegmann arbeitet im Fanshop des CentrO in Oberhausen. Zum zweiten hilft eine Karriere als Spieler sicher, das Fußball-Know-how zu haben, denn man hat vieles kennen gelernt. Das andere Know-how mussten wir uns alle aneignen. Ob Uli Hoeneß oder auch ich. Es geht darum zu erlernen, wie so ein Club finanziell läuft. Die Verantwortung für den Club ist schon ganz schön groß geworden, muss ich zugeben. Bei den Umsätzen und dem Erwartungsdruck, der auf uns allen lastet.

Und Sie selbst an der Spitze eines anderen Unternehmens – vorstellbar?

RUMMENIGGE: Nein, so vermessen bin ich nicht. Als Quereinsteiger in einer anderen Branche – ich wüsste nicht, ob ich das könnte…

…Herr Hoeneß führt doch auch eine Wurstfabrik…

RUMMENIGGE: Die sehr profitabel und gut läuft. Aber Uli Hoeneß ist auch ein großartiges Talent in wirtschaftlichen Belangen. Vor allem ein großartiger Verkäufer. Und entgegen landläufiger Meinung extrem fair. Wir versuchen im Management des FC Bayern sehr sozial zu sein. Ohne das an die große Glocke zu hängen. Das Gespräch führte Thorsten Garber.

Karl-Heinz Rummenigge ist Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG, Vorstandsmitglied der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und Vorsitzender der „European Club Association“ (ECA).