„Wir erleben einen Innovationsschub“

Digital Natives sind vom Internet überfordert, Google sollte mehr Vorbild als Rivale sein, das Fernsehen profitiert von Online: Einblicke und Ausblicke von Marktforschern, die in einer absatzwirtschaft-Umfrage darauf geantwortet haben, welche Studien und Erkenntnisse aus jüngster Zeit sie am stärksten beeindruckt haben.

Von Roland Karle

Hartmut Scheffler, Geschäftsführer TNS Infratest Holding, Bielefeld:

„Hier etwas scheinbar ganz Banales, das aber verdeutlicht, dass mit kleinen, sauberen Analysen unsinnigen Behauptungen begegnet werden kann und neue Zusammenhänge und Erkenntnisse gewonnen werden können: Eine Reihe aktueller Studien zur Multi-Screen-Nutzung zeigen, dass durch die Parallelnutzung von TV und Online nicht etwa Fernsehen an Relevanz verliert, sondern im Gegenteil aufgewertet wird. TV-Nutzung verlängert sich in Online-Nutzung

(Kommunikation, Informationsvertiefung et cetera). Eigentlich war und ist dieser Zusammenhang naheliegend, aber erst die eindeutigen Marktforschungsergebnisse widerlegen die ungestützte Behauptung vom nahenden Ende des Fernsehens aufgrund von Onlinenutzung.“

Dr. Konrad Weßner, Geschäftsführer Puls Marktforschung, Schwaig bei Nürnberg:

„Am meisten beeindruckt und auch positiv gestimmt haben mich die Ergebnisse unserer bislang noch unveröffentlichten Studie „Kunden 3.0 – Marketing 3.0“. Der Tenor der Ergebnisse zeigt die überraschenderweise von Digital Natives getriebene Renaissance des persönlichen Kontakts bei Kaufentscheidungen in vielen Branchen. So haben 82 Prozent der Kunden nach Internetrecherchen noch persönlichen Informationsbedarf. Überraschenderweise geben vor allem

Digital Natives an, dass sie von den (zu) vielen Informationen im Internet überfordert sind. Offensichtlich „hinterlässt“ das Internet, je stärker es genutzt wird, Personen, die „still confused but on a higher level“ sind. Die Zukunft gehört den Marken, die ihren Kunden zunächst neutrale Orientierung bieten und sie mit einem cleveren Interaktionsdesign zur Onlinebestellung oder dem physischen Kontakt animieren. Laut dieser Studie können bislang aber nur 15 Prozent der Kunden eine Marke nennen, die sich durch das attraktive Zusammenspiel von On- und Offline profiliert.“

Ralph Ohnemus, Vorstand KA Brand Research, Röthenbach bei Nürnberg:

„Was mich erstaunt hat? Erstens: Dass wir selbst bei einem eigentlich gut isolierbarem Thema wie Wahlprognosen weiterhin deutlich daneben liegen. Nicht einmal die Beteiligung war auch nur näherungsweise richtig vorhergesagt worden. Zweitens: Wie schwach sich NSA tatsächlich auf die Empörung der Menschen ausgewirkt hat und dass alle Studien zeigen, dass nur eine winzige Minderheit ihr convenientes Verhalten geändert hat.“

Hans Reitmeier, Chefredakteur Research & Results, München:

„Da fällt mir spontan die neue Verlagsstudie „best for planning“ ein. Insbesondere die Tatsache, dass sich hier vier deutsche Medienkonzerne, die eigentlich konkurrieren, zusammengetan haben, um eine Markt-Media-Studie zu etablieren, finde ich beeindruckend.“

Dr. Bernd Christian, Managing Director Icon Added Value, Nürnberg:

„Generell haben wir in jüngster Zeit einen Innovationsschub, der höchst inspirierend ist. Was mich unter anderem beeindruckt, auch wenn es von vielen gar nicht als „richtige Marktforschung“ akzeptiert wird: Google. Die – zum Teil sogar kostenlosen – Möglichkeiten, die Google bietet, sind aus unserer Sicht richtungweisend für Vieles, was kommen wird. Das heißt nicht, dass klassische Instrumente verschwinden werden. Aber wenn wir als Marktforscher nicht lernen,

völlig neu über den Informationsprozess nachzudenken, dann werden wir zwar Forschung machen, diese wird aber nichts mehr mit dem Markt zu tun haben. Google macht nicht alles richtig oder „marktforschungskonform“, aber wir sollten uns von Google inspirieren lassen und nicht zynisch zusehen, wie der Zug ohne uns abfährt.“

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