Wieso E-Autos unsexy sind und was Marketer dagegen tun können

Das Fahren mit E-Autos ist besser für die Umwelt. Junge Menschen wissen das, und gerade für die 18- bis 26-Jährigen ist Umweltfreundlichkeit im Verkehr wichtig. Und dennoch: Einen neuen BMW i3 werden die wenigsten Studierenden in nächster Zeit erwerben. E-Autos sind nicht nur teuer, sie haben auch ein Marketing-Problem: Sie sind nicht cool. Und generell sogar ziemlich unsexy.
Spannungsfeld E-Mobilität: Junge Menschen interessieren sich nicht für E-Autos. Und Hersteller von E-Autos interessieren sich nicht für junge Menschen. (© Claus Vedelt/Digital Vision via Getty Images)

Von Prof. Dr. Christian Lucas, Professor für Marketingmanagement, IU Internationale Hochschule

Das Marketing fokussiert sich zu sehr auf die tatsächliche Käufer*innen-Gruppe und verliert dabei die junge (Kommunikations-)Zielgruppe komplett aus den Augen. Die Folge: Viel Potenzial bleibt ungenutzt.

Studierende sind beim Thema E-Mobilität noch völlig außen vor – das zeigt der „Mobility Kompass“ der IU Internationalen Hochschule. Im Rahmen der Mobilitätsstudie wurden junge Menschen zu ihrem Mobilitätsverhalten befragt. Das Ergebnis: E-Autos sind uncool, zu teuer und eine Anschaffung entspricht nicht der Lebensrealität.

Die Kund*innen retten die Welt

Klassisches Automobil-Marketing konzentriert sich auf ein großartiges Produkt: Der neue VW hat die fortschrittlichste Elektronik, der neue Mercedes die leistungsfähigsten Bremsen und der neue Opel das innovativste Design.

Das Problem: Für (künftige) Käufer*innen ist das unbefriedigend. Die Frage „Wie profitiere ich von den neuen Modellen?“ wird nicht beantwortet. Das Produkt selbst ruft keine Emotionen hervor: Kund*innen wollen kein Auto, das die Umwelt rettet. Sie wollen ein Auto, das sie sicher von A nach B bringt, sie unabhängig und flexibel macht und eine Alternative zu teuren fossilen Brennstoffen bietet – die Umweltfreundlichkeit ist nur ein netter Nebeneffekt. Kurz: Der Held in der Erzählung des E-Auto-Marketings darf nicht der VW eUp!, der Renault ZOE oder der Nissan Leaf sein, sondern: Im Zentrum müssen die Menschen stehen.

Die meisten jungen Menschen kennen die umwelttechnischen Vorteile von E-Autos. Das allein reicht längst nicht als Kaufimpuls. Hersteller sollten überlegen, was künftige Zielgruppen brauchen, was sie interessiert, was sie im Alltag beschäftigt – und sie genau dort abholen: E-Autos sind gut für die Umwelt – aber was noch? Tesla macht es vor: Das Unternehmen punktet nicht nur im Bereich der E-Mobilität, sondern bietet auch Konzepte für Digitalisierung und Automatisierung – und schießt Automobile in den Weltraum.

E-Mobilität als Lebensgefühl

Die Studie der IU Internationalen Hochschule hebt noch einen weiteren Faktor hervor: E-Autos sind uncool. Ein E-Auto kann schon klanglich nicht mit dem Aufbrüllen eines ausgereizten V8-Motors mithalten. Während die Vorstellung in einem alten Ford Mustang die Route 66 entlangzufahren als Inbegriff der Freiheit gilt, wirkt der Weg von München nach Berlin mit mehreren 40-minütigen Ladestopps eher beengend.

Es braucht neue Geschichten. Potenziale sind da: Erst im September hat Mercedes-AMG E-Modelle angekündigt, die Kund*innen ein emotionales Erlebnis versprechen. Im Motorsport geht der Trend zu elektrischen Fahrzeugen. Und das Tesla Model S Plaid beschleunigt in 2,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h – für Verbrenner undenkbar. Und ziemlich cool.

E-Mobilität braucht neue Business-Modelle

Junge Menschen interessieren sich nicht für E-Autos. Und Hersteller von E-Autos interessieren sich nicht für junge Menschen: Hersteller umwerben hauptsächlich Businesskunden und Gutverdiener – eben diejenigen, die tatsächlich Neuwagen kaufen können. Denn: Elektrische Neuwagen sind oft deutlich teurer als Fahrzeuge mit Verbrenner-Motor. Für Studierende, Azubis oder Jobeinsteiger*innen ist ein Neuwagenkauf meist keine realistische Perspektive. Das war schon immer so. Doch deshalb sollten sie nicht aus der Kommunikation ausgeschlossen werden. Die gesamte Branche muss sich verändern.

Hier sind neue Business-Modelle angeraten, die die junge Zielgruppe mit dem vorhandenen Angebot zusammenbringen. Die Idee vom „ersten eigenen Auto“ hat ausgedient: Um mobil zu sein, können junge Menschen auf Car-Sharing-Angebote zurückgreifen. Wer sein Auto lieber für sich hat, kann Abo-Modelle oder Gebrauchtwagen-Leasing nutzen und so die Hürden hoher Anschaffungs- und Betriebskosten vermeiden.

E-Auto-Marketing: Was muss sich ändern?

Damit E-Autos Teil der Lebensrealität junger Menschen werden, sollten Hersteller drei Punkte beachten.

  1. Marketing-Strategien müssen die Zielgruppe emotional ansprechen. Junge Menschen entwickeln einen Bezug zum Thema E-Mobilität, wenn sie die Protagonist*innen in den Erzählungen der Hersteller werden.
  2. Technologien müssen sich wandeln. Nicht nur in Bezug auf E-Mobilität, sondern in Bezug auf alle relevanten Themen beim Autokauf: Sicherheit, Flexibilität, Umweltfreundlichkeit, Digitalisierung, Automatisierung.
  3. Die Business-Modelle der Automobilbranche müssen sich verändern. Hersteller sollten junge Leute da abholen, wo sie es brauchen: Das erste „eigene“ Auto kann durchaus auch aus einer Car-Sharing-Flotte oder einem Auto-Abo kommen. Wichtig ist: Damit E-Autos relevant werden, müssen sie leistbar sein – für alle.

Prof. Dr. Christian Lucas ist seit 2018 an der IU Internationalen Hochschule als Professor für Marketingmanagement tätig. Nach Studium und Promotion arbeitete Lucas als Projektleiter in der Marktforschung sowie im Markenmanagement im Automobil- und Motorsportbereich. Durch seinen Background lässt er viele praktische Beispiele in seine Lehre an der IU einfließen. Aktuelle Themen seiner Forschung sind Digitales Marketing, Sportsponsoring und Automobilmarketing. (Foto: Prof. Dr. Christian Lucas / IU Internationale Hochschule)