Wie wertvoll ist das neue Social-Media-Angebot Pinterest für Unternehmen?

In den USA überschlagen sich die Erfolgsmeldungen von und über Pinterest. Schon ist der Bilderdienst die wertvollere Traffic-Plattform als Youtube oder Google+. Was steckt hinter dem großen virtuellen Fotoalbum, und warum sollten Marketer heute anfangen, den Dienst zu testen? „In manchen Bereichen bekommen wir heute schon mehr und vor allem besseren Traffic von Pinterest als von Facebook“. Das sagt kein ausgeflippter US-Marketingguru, sondern Heiko Eckert, der Leiter Online-Marketing von MyTheresa. Um die Tragweite dieser Aussage noch besser zu verstehen, sollte man wissen, das Eckert kein klassischer Werber ist. Brandbuilding ist ein diffuser, schwer greifbarer Wert für den Wahlmünchner. Eckert ist ein Performance-Mann. Sein früheres Berufsleben verbrachte er mit Suchmaschinenoptimierung und Suchmaschinenwerbung. Sein wichtigster Erfolgsparameter für eine Kampagne ist der direkt messbare Traffic und Umsatz. Und allem Anschein nach ist Pinterest in der Lage, das auch schon für deutsche Unternehmen zu liefern.

Von Frank Puscher

Was ist das Erfolgsgeheimnis von Pinterest, das dafür sorgt, dass der Dienst im Januar mehr Traffic auf US-Websites gespült hat, als Google+, Linkedin und Youtube zusammen? Pinterest ist eine große Online-Pinnwand, die als Sammlung zigtausender kleiner Pinnwände fungiert. Als Auslöser von Kommunikation fungiert ein Bild oder Video, eben ein Fundstück, das man seinen Freunden gerne zeigen möchte – so, wie man das auch auf Facebook täglich macht. Diese Fundstücke werden in Kanäle eingeordnet, die nach emotionalen Präferenzen (lustig/traurig) oder nach inhaltlichen Maßstäben (Technik, Einrichtung, Natur) sortiert werden. Das Einordnen in Kategorien fungiert gleichermaßen als Tagging.

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Pinterest macht sich alle etablierten Mechanismen anderer Dienste zunutze. Nach dem Einstellen der Bilder gibt es Weiterleitungen, Kommentare und einfache Likes. Hier schlägt Pinterest auch den früheren Branchenliebling Flickr. Die Dynamik, die die Seite zeigt, ist deutlich höher. Ein ganz wesentlicher Mehrwert der Plattform liegt aber auch im Einstieg über die Homepage. Hier finden sich alle möglichen Pins von Jedermann. Insofern ist dem Zufall und damit auch der Entdeckungslust Tür und Tor geöffnet. Nicht wenige Nutzer freuen sich darüber, dass der Grad der Personalisierung eben nicht so hoch ist wie bei Facebook, wo man in der Standard-Ansicht im Wesentlichen die Posts seiner Freunde findet, die sich auf Dauer ähneln.

Das bis zu acht Spalten breite Layout tut sein Übriges und zeigt dem Nutzer deutlich mehr Content als Google+, Facebook oder Twitter. Zudem ist die Information nicht so flüchtig, weil die Kommentare nur zum Teil angezeigt werden und sich erst bei einem Reload der Seite verändern. Die langfristige Mechanik dahinter ist offensichtlich. In absehbarer Zeit wird es vermutlich prominente Werbeplätze geben, die dauerhaft auf der Startseite zu sehen sind. Im Gegensatz zu den meisten Social-Media-Plattformen werden sie mit üppigem Bildmaterial ausgestattet werden.

Weniger offensichtlich ist die Verlinkungs-Taktik auf externe Inhalte. Klickt der Nutzer auf ein „Pin“, so erreicht er wie bei Facebook eine eigene Seite für Bild, Kommentare und Weiterleitungen. Klickt er nun erneut auf das Bild, so wird er auf eine Landeseite dirigiert, die der Macher des Kanals bestimmt. US-Marketer berichten aber, dass Pinterest die Links modifiziert, sobald es sich um Affiliate-Links zu großen Programmen wie Amazon handelt. Pinterest ersetzt dann den Partnercode durch einen eigenen.

Auch erste Urheberrechts-Diskussionen musste der Dienst bereits über sich ergehen lassen. Als Ergebnis veröffentlichte man Anfang Februar einen besonderen HTML-Tag, der das „Pinnen“ von Inhalten verhindert. Herbert Braun, Redakteur beim Technik-Blatt „Ct“ fragt gar öffentlich, ob sich das Konzept der öffentlichen Pinnwände überhaupt mit dem deutschen Urheberrecht verträgt.

Probleme könnte es dort geben, wo die Inhalte selbst einem kommerziellen Zweck dienen, der durch Pinterest unterminiert wird. Bei Inhalten, die der Anbieter selbst ungeschützt im Web veröffentlicht, wird die Begründung eines Schadens schwierig. Das ficht den deutschen Marketer freilich nicht an, denn der will ja die Öffentlichkeit und den damit verbundenen Traffic. Wie bei jedem neuen Dienst kann der wichtigste Tipp nur lauten: einfach mitmachen und zwar zunächst auf einer ganz persönlichen Ebene. Es gibt jede Menge tolle Bilder, Interessantes zu entdecken und weiter zu erzählen. Der erste professionelle Ansatz könnte sein, auf Pinterest Fundstücke zu erstöbern, die man selbst an die eigenen Community auf Facebook und Co. weiterreicht.

Was das Veröffentlichen eigener Bilder angeht, sollte man wissen, dass Pinterest derzeit eine mehrheitlich weibliche Zielgruppe hat. Häufig finden sich Bilder zu Mode, Essen und Inneneinrichtung auf der Startseite. Das sind aber nicht nur Fotos sondern auch grafische Illustrationen oder Textbilder mit Kalendersprüchen oder Kochrezepten. Viele Anbieter von How To-Anleitungen montieren Vorher/Nachher-Bilder zusammen.

Das US-amerikanische Online-Magazin „Tech Crunch“ sieht aber bereits rapides Wachstum auch bei technischen Themen. Reggie Bradford, Gründer des auf Social Media Marketing spezialisierten Unternehmens Virtrue schlägt folgendes vor:

1. Passende Inhalte bei Pinterest suchen und im eigenen Facebook-Profil posten und diskutieren. Zum Beispiel gibt es ein schönes Diashow-Format.
2. Bestimmte Segmente der Zielgruppe zu bestimmten Themen-Pinnwänden dirigieren. Pinterest dreht sich eher um den Content als den Absender.
3. Eigene Inhalte für Pinterest optimieren. Dazu zählt auch, den „Pin it“-Button in die Seiten zu integrieren – mit entsprechendem Datenschutzvermerk in den AGB, versteht sich.
4. Kluges Konzept für Landeseiten und Weiterleitungen entwerfen. Dadurch kann man Produkte mitunter sofort verkaufen, aber auch den Traffic besser analysieren.
5. Mehrere Mitarbeiter an den Pinnwänden teilnehmen lassen oder eigene Pinnwände befüllen. Jeder nach seinem Interesse, das gibt dem Ganzen eine sehr menschliche, persönliche Note. Außerdem sind Pins letztlich nichts als Bookmarks und können von mehreren Mitarbeitern auch als gemeinsame Wissensbasis benutzt werden.

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