Wettkampf der Fittesten: Apple versus Peloton

Der Markt für Home-Fitness gewinnt weltweit an Bedeutung. An der Spitze buhlen unter anderem die aufstrebende Marke Peloton und nun auch Apple um die Gunst der Konsumenten. Wer wird am Ende das Rennen für sich entscheiden? Eine Situationsanalyse.
Peloton
Peloton muss sich noch keine Sorgen wegen der neuen Konkurrenz durch Apple machen. Aber die Verantwortlichen sollten etwas schneller in die Pedale treten. (© Peloton)

Von Wendy Johansson

Als Apple vor kurzem den Launch von Fitness+ ankündigte, war dies eine Warnung an die wachsende Industrie für Home-Fitness-Content. Apple-Nutzern stehen auf ihren Geräten nun exklusive Fitness-Inhalte zur Verfügung. Der Dienst ist so konzipiert, dass er auf der Apple Watch funktioniert und in alle anderen Apple-Geräte integriert ist. Trainingsvideos können auf dem Apple TV, iPad oder iPhone angesehen werden, während man selbst das Training durchführt. Im Vergleich zum Angebot des Konkurrenten Peloton ist Fitness+ erheblich günstiger, insbesondere dank der Einführung der preiswerteren Apple Watch SE.

Apple vs. Peloton: Erfolgsrezept User Experience

Peloton muss sich noch keine Sorgen wegen der neuen Konkurrenz durch Apple machen. Aber die Verantwortlichen sollten etwas schneller in die Pedale treten. Zwar fiel nach der Ankündigung von Apple die Peloton-Aktie, sie erholte sich innerhalb der nächsten Stunde jedoch wieder teilweise. Fitness+ ist im Grunde genommen ein Streaming-Dienst, der sich auf Fitness-Inhalte konzentriert, darunter High Intensity Interval Training, Yoga, Rudern, Kraftübungen und natürlich Radfahren, Pelotons Kerngeschäft.

Es ist offensichtlich, dass Fitness+ auch um die Nutzer von Peloton konkurrieren wird. Apple nähert sich dem Markt aus der Perspektive des Tech-Ökosystems, denn Fitness+ wird ein Add-On zu einer Reihe von bestehenden Apple-Produkten sein. Peloton löst ein anderes Problem: Wie mache ich mein Fitness-Training zur Gewohnheit? Diese altbekannte Herausforderung kann Technologie alleine nicht lösen. Peloton erwirtschaftet den Großteil seiner Einnahmen auch nicht durch Abonnements, sondern durch den Verkauf seiner Geräte. Abos machten im vergangenen Quartal nur rund 20 Prozent des Gesamtumsatzes aus.

Apple kann von Peloton lernen

Obwohl Apple mit einem Wert von zwei Billionen US-Dollar eindeutig das dominierende Unternehmen ist, kann der Tech-Gigant von Peloton lernen. Das Fitness-Unternehmen enthüllte erst kürzlich seine Ambitionen, durch die Einführung neuer und erschwinglicher Produkte auf 100 Millionen Abonnenten wachsen zu wollen. Apple hat sich jeher auf schön designte Technik konzentriert. Mit seinem innovativen Ansatz setzte das Unternehmen sich an die Spitze der Design- und Technologiewelt.

Wendy Johansson:
„Angesichts der Covid-19-Situation überrascht es nicht, dass Apple nach einem größeren Teil des „Fitness-Kuchens“ strebt, der weltweit schätzungsweise rund 100 Milliarden Dollar ausmacht.“

Peloton hingegen hatte schon immer die Problemlösung im Fokus, das Fitnesstraining durch eine einzigartige User Experience zur Gewohnheit zu machen. Vor diesem Hintergrund baute das Unternehmen eine Community auf, für die es heute weltbekannt ist. Peloton übertrug die typischen Erfolgsgewohnheiten aus den Fitnessstudios auf seine physischen und digitalen Produkte. Apple sollte sich daran ein Beispiel nehmen. Fitness+ fühlt sich im Moment so an, als würde die Tech-Gigant einfach auf einen Erfolgszug aufspringen wollen. Apple sollte sich jedoch eher damit auseinandersetzen, wie das Unternehmen seine Produkte sinnvoll nutzen kann, um Gewohnheiten zu etablieren, die dauerhaft zur Gesundheit und körperlichen Fitness der Menschen beitragen.

Die Corona-Krise hat unser Bewusstsein geschärft

Angesichts der Covid-19-Situation überrascht es nicht, dass Apple nach einem größeren Teil des „Fitness-Kuchens“ strebt, der weltweit schätzungsweise rund 100 Milliarden Dollar ausmacht. Die Einführung von Fitness+ ist ein kluger Schachzug. Die Pandemie hat die Nachfrage nach digitalen Experiences erhöht. Im Zuge der Pandemie mussten die Menschen ihre Fitnessstudios verlassen und ihre Häuser, Gärten oder Parks für das individuelle Training nutzen – Orte, die genug Platz bieten, um in angemessener sozialer Distanz seinen inneren Schweinehund zu besiegen. Jüngste Untersuchungen bestätigen, dass die Nachfrage nach digitalen Experiences – einschließlich Fitnessaktivitäten – mit Covid-19 massiv zugenommen haben. 81 Prozent der weltweit Befragten gaben an, dass sie seit Beginn der Pandemie ein neues digitales Hobby oder eine neue digitale Aktivität ausprobiert haben.

Die Corona-Krise hat unser Bewusstsein geschärft, wie wichtig es ist, sich um die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden zu kümmern. Dieser Trend wird anhalten. Viele Menschen suchen nach Struktur und Anleitung, wenn es um ihre Fitnessroutinen geht. Davon profitiert auch Peloton. Im zweiten Quartal 2020 hat das Unternehmen, beflügelt durch die Pandemie und die von zu Hause aus arbeitenden Menschen, die Erfolgserwartungen übertroffen. Peloton erzielt zum ersten Mal überhaupt Gewinn. Vor Covid-19 noch entwickelte sich der Markt für Online-Fitnessinhalte zu einem gesättigten Markt. Peloton war im Bereich der Abonnements digitaler Fitness-Inhalte führend. Mit einem Preis von über 2000 US-Dollar pro Rad und einer monatlichen Abonnementgebühr von 30 Dollar (12,99 Dollar für App-Benutzer) richtet Peloton sich an zahlungskräftige Kunden. Es bleibt spannend zu beobachten, wie das Unternehmen künftig mit niedrigeren Einstiegspreisen neue Marktsegmente erobern und gleichzeitig seine Premium-Sparte aufrechterhalten will.

Peloton ist mehr als ein Profiteur der Corona-Pandemie

Es wäre unfair, den jüngsten Erfolg von Peloton allein Covid-19 zuzuschreiben. Der wahre Grund gleicht dem von Apple, Netflix und Amazon: der extreme Fokus auf die User Experience. Peloton hat die Verbraucher schon immer mit der Qualität und dem Komfort ihrer Produkte angesprochen. Allein wegen der hohen Anschaffungskosten entsteht ein Druck auf die Konsumenten, die Geräte auch wirklich zu nutzen, wenn man schon so viel bezahlt. Der Halo-Effekt, wenn Berühmtheiten wie Leonardo Di Caprio, Richard Branson und Usain Bolt von ihren Fahrrädern schwärmen, trägt sein Übriges dazu bei. Was also bedeutet es für Peloton, dass Apple nun das Spielfeld betritt?

Apple vs. Peloton: Marktentwicklung mit Chancen für alle

Während Fitness+ für so manchen Apple-Fan ein attraktiver Dienst sein dürfte, hinkt das Angebot dem von Peloton derzeit noch etwas hinterher. Peloton hat nicht nur ein schickes Fitness-Rad am Start, sondern überzeugt auch mit einer sehr ansprechenden Experience und einer integrativen Community. Bei Apple-Superfans, von denen es bekanntlich einige gibt, werden diese Argumente weniger ziehen. Alle anderen dürften Peloton jedoch noch den Vorzug geben. Die Betonung liegt auf „noch“.

Allein aufgrund der schieren Marktmacht von Apple wird Fitness+ den Nutzerkreis von Peloton in den Schatten stellen. Der Einstieg des Tech-Giganten in den Markt für Home-Fitness-Content dürfte jedoch insgesamt neue Nutzer mobilisieren und damit einen positiven Einfluss auf die ganze Industrie haben. Fitness+ eröffnet Peloton und allen Marktbeteiligten neue Möglichkeiten. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen.


Über die Autorin: Wendy Johansson ist Group Vice President of Experience beim Beratungshaus Publicis Sapient. Zuvor war sie Mitbegründerin von Wizeline, einem Produktberatungsunternehmen. In ihrer 25-jährigen Karriere leitete sie außerdem UX-Teams bei Ooyala und App Nexus.