„Wenn Kernkraftwerke vom Netz sind, bleibt das unumkehrbar“

Die Katastrophe im Kernkraftwerk an Japans Küste hat eine Debatte entfacht und beflügelt womöglich die Anbieter von Alternativen. Die Juwi-Unternehmensgruppe wächst schon rasant und durchbricht dieses Jahr erstmals die Umsatzgrenze von einer Milliarde Euro. Matthias Willenbacher, einer der beiden Gründer des Generalisten in allen Geschäftsfeldern der erneuerbaren Energien, hofft auf den schnellen Ausstieg und sieht die Versorgung gesichert. „Atomkraftwerke brauchen wir nicht mehr“, sagt er im Interview mit Thorsten Garber.

Spielt das Unglück Ihrer Branche in die Karten?

MATTHIAS WILLENBACHER: Das ist vor allem ein trauriger Vorfall. Ich habe schon immer gesagt, dass wir Atomkraftwerke nicht mehr brauchen, und hoffe jetzt auf den schnellen Ausstieg.

Glauben Sie denn daran?

WILLENBACHER: Wenn Kernkraftwerke erst mal vom Netz sind, bleibt das unumkehrbar.

Juwi agiert mit erneuerbaren Energien als Projektentwickler sehr erfolgreich. Welche zukunftsweisenden Trends zeichnen sich ab?

WILLENBACHER: Die Vernetzung aller Systeme spielt eine große Rolle. Alle Komponenten greifen ineinander. Als ich vor acht Jahren das erste Elektrofahrzeug gekauft habe, war E-Mobilität noch kaum ein Thema. Aber im Denken von Möglichkeiten liegt ja der Reiz von Innovationen. Jetzt arbeiten wir am unabhängigen Haus. Ein Versorgungssystem für den kompletten Haushalt, für das wir Tüftler zusammengebracht haben.

Juwi ist besonders stark in Wind-, Solar- und Bioenergie unterwegs. Welche Ländermärkte sind für Marktanteilsgewinne und Markteintritte besonders günstig?

WILLENBACHER: Mittel- und Südeuropa sehen wir derzeit als unsere größten Märkte an. Wir sind geografisch nah dran und auch sprachlich stoßen wir kaum an Grenzen. In den USA sind wir erfolgreich gestartet mit Windparks, der Markt dort ist aber noch groß. Lateinamerika halte ich für wichtig, weil dort noch viel Energie durch konventionelle Kraftwerke gewonnen wird. Unsere Technik ist damit gut kombinierbar, außerdem gibt es dort viel Sonne und Wind. China ist für uns als Dienstleister vorerst nicht interessant, Indien schon eher.

Wie bauen Sie denn ausreichend schnell die Vertriebsstrukturen auf?

WILLENBACHER: Wir konzentrieren uns zunächst auf große Projekte. Gewissermaßen eröffnen unsere Key Accounter spitz die Märkte, erst dann gehen wir in die Breite. Wichtig ist, dafür die richtigen Managing Directors zu finden.

Das Handelsblatt hat Juwi zum zweiten Mal hintereinander als einen der besten Arbeitgeber Deutschlands ausgezeichnet. Fällt Ihnen das Finden von Fachkräften dennoch schwer?

WILLENBACHER: Ja, besonders Projektmanager. Sie sind Generalisten, die ein Team von Spezialisten führen müssen. Solche Generalisten sind unsere Pipeline und schwer zu finden. Sie müssen strategisches Denken und Unternehmertum mitbringen. Fertig ausgebildete Leute sind insgesamt nicht einfach zu finden. Wir bilden deshalb auch in unserer eigenen Akademie diese Nachwuchsführungskräfte aus. Wir brauchen immerhin aktuell 150 neue Projektmanager.

Und wie bewirbt sich umgekehrt Juwi bei Geldanlegern, denen Sie „attraktive Investitionsmöglichkeiten“ vermitteln wollen?

WILLENBACHER: (lacht) Es gab mal einen ersten Testlauf auf unserer Homepage, um die Nachfrage abzuklopfen. Die Nachfrage war stark, obwohl wir noch kein komplett fertiges Produkt anbieten konnten (lacht abermals). Dennoch haben wir Interessenten mit einem Volumen von fünf Millionen Euro registriert. Das ist für die Umstände ein sehr guter Anfangswert. Wir werden ein Juwi-Invest in erneuerbaren Energien entwickeln, wenn wir für zehn Millionen Euro genug Investoren zusammenhaben. Das könnten dann ein Sparbrief, Anleihen oder stille Beteiligungen sein.

Sie haben hier in Wörrstadt vor drei Jahren als neue Zentrale „das energieeffizienteste Firmengebäude der Welt“ eingeweiht und setzen auf eine Infrastruktur aus 99-prozentig umweltfreundlicher IT von Dell. Wie wichtig ist die Vorbildfunktion, wie wichtig der PR-Effekt?

WILLENBACHER: Die Vorbildfunktion ist unsere erste Intention. Aber warum soll man das nicht mit einem Positiv-Image verbinden? Unser Haus hat bislang schon 10 000 Besucher empfangen. Die sehe ich als Energieeffizienz-Touristen!

Wenn die ökologisch verträgliche und dezentrale Energieversorgung das Gebot der Stunde ist: Welche Perspektiven sagen Sie dann Konzernen wie Eon oder Siemens voraus?

WILLENBACHER: Die großen Energieversorger müssen sich auf jeden Fall umstellen, wenn sie nicht schrumpfen wollen. Erneuerbare Energien werden am Markt gewinnen. Anlagenhersteller wie Siemens sind schon dabei sich umzustellen.

Welche Chancen für Investments in Infrastruktur und Arbeitsplätze würde der Energiewechsel eröffnen?

WILLENBACHER: Große Chancen, denn die Wertschöpfung findet jeweils in der Region statt. Sonne und Wind sind als Ressourcen sogar kostenlos. Mit dem Energiewechsel entstehen viele Arbeitsplätze. Unsere Branche beschäftigt schon heute rund 350 000 Menschen in Deutschland. Im Jahr 2020 werden es eine Million sein.

Ihre Branche ist mittelständisch geprägt. Benötigt Deutschland für eine Energiewende also auch eine neue Generation von Unternehmensgründern?

WILLENBACHER: Schwer zu sagen. Klar, den Mangel sehe ich auch. Aber so oder so wird sich die Entwicklung fortsetzen.

Sie selbst gehören zu den Pionieren der deutschen Windkraftbranche. Welche Strategien und Stärken braucht ein Nachwuchsmanager heute für Erfolg?

WILLENBACHER: (lacht) Das ist nicht ganz einfach in Kürze zu benennen. Auf jeden Fall haben Generalisten einen Vorteil gegenüber detailverliebten Spezialisten. Hartnäckigkeit, Entscheidungsfreude und Intelligenz zähle ich ebenfalls zu den wichtigen Stärken. Und ein Unternehmer sollte immer authentisch sein.

Mehr über den Energiewandel und die Wachstumschancen lesen Sie in der neuesten Ausgabe der absatzwirtschaft, Nr. 5-2011.

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