„Web 2.0 ist für den Journalismus eine große Chance“

Derzeit wird Web 2.0. heiß diskutiert. Werden Medienhäuser unwichtiger und übernehmen die Nutzer am Ende das Regiment? Außerdem: Wie wird sich die Gebührenverwendung und -politik der öffentlich-rechtlichen Sender im Online-Bereich entwickeln. absatzwirtschaft sprach dazu mit Nikolaus Brender, Chefredakteur des ZDF.

Stichwort Web.2.0? Schätzungen gehen davon aus, dass in fünf Jahren 50 Prozent der Inhalte im Internet von Nutzern selber stammen werden. Was bedeutet das für das ZDF?

Das bedeutet für den Journalismus und das öffentlich-rechtliche System eine große Chance. Denn allem User generated Content ist ja die Subjektivität auf die Stirn geschrieben. Das ist das Ziel von Communities und Fangemeinden. Sie wollen Meinung. Spätestens bei der Frage nach der Richtigkeit der Information, kann man diesen interessengeleiteten Informationen nicht mehr trauen. Deswegen glaube ich, dass der öffentlich-rechtliche Journalismus Konjunktur haben wird und die journalistische Aufgabe wichtiger wird als jemals zuvor.

Glauben Sie nicht, dass die Nutzung von Podcasts und Weblogs zulasten beispielsweise des Fernsehens gehen wird?

Jetzt warten wir mal ab. Die Sendermarken im Relevant Set eines jeden Zuschauers werden sicherlich ein wenig verlieren, aber wir werden auch Menschen aus dem Web gewinnen, da sie nach einer Zeit der Zerstreuung wieder handfeste Informationen suchen werden.

Aber das Zeitbudget jedes einzelnen für die jeweilige Mediengattung wird immer kleiner.

Natürlich, es ist ein Kampf um Zeit. Daher müssen wir auch mit unseren Inhalten bis in die Weblogs kommen.

Haben Sie denn weitere Konzepte in Vorbereitung, um sich auf Web 2.0 einzustellen?

Die Begrenzung der Online-Ausgaben auf 0,75 Prozent der Gesamtaufwendungen, die das ZDF im Rahmen seiner Selbstbindungserklärung zugesagt hat, muss aufgehoben werden. Das hat die Politik inzwischen auch begriffen. Das ist eine Amputierung unseres Sendeauftrags. Das heißt nicht, dass wir mehr Geld wollen, es muss eben aus anderen Bereichen in den Online-Bereich umgeschichtet werden. Dann werden wir auch eigene Inhalte für die digitale Welt entwickeln können.

Ist mobiles TV dabei auch ein Thema für das ZDF?

Derzeit läuft über Handy schon unser normales Programm, aber das ist ja nicht nutzungsgerecht. Auf dem Handy schaut keiner eine zwanzigminütige Nachrichtensendung, sondern er möchte in zwei oder höchstens fünf Minuten mit den wichtigsten Nachrichten versorgt werden, in einem auf das Handy zugeschnittenen Medien-Format.
Und das muss dann auch im Internet laufen. Denn man kann nicht für jedes Gerät ein eigenes Format schaffen, Programme müssen integral geplant und produziert werden. Ein Beispiel: für Online und Teletext waren im ZDF getrennte Redaktionen zuständig. Jetzt sind sie zusammen geführt und arbeiten von einer Plattform aus für unterschiedliche Medien.

Wo sehen Sie zukünftig die größte Konkurrenz für sich aufziehen?

Nachrichten-Portale sind unsere größte Gefahr. Spiegel-Online macht das sehr gut. Nachrichten in Wort und Bild und mittlerweile auch mit bewegten Bildern. Da sieht man, wie alles zusammenwächst. Interessant dabei ist, dass die deutschen Verleger insbesondere den öffentlich-rechtlichen Sendern das Zusammenwachsen gerne verwehren wollen. Also: wir sollen nicht in den Online-Bereich, die Verlage aber gleichwohl in den TV-Bereich.

Mit welcher Begründung?

Sie fürchten die Konkurrenz. Das ist eine harte Auseinandersetzung: was dürfen wir, was dürfen wir nicht. Auf der anderen Seite gibt es durchaus Verlage, die mit uns kooperieren wollen, um an Bilder zu gelangen. Wir sollen also nicht in deren Bereiche vordringen, ihnen aber Bilder liefern, damit sie von unserem Metier profitieren können. Im übrigen könnte ich mir aber durchaus Kooperationen zwischen Verlagen und dem öffentlich-rechtlichen System vorstellen.

Dafür nehmen die öffentlich-rechtlichen Sender die jetzt beschlossene Internetgebühr von 5,52 Euro, die sehr kontrovers diskutiert wird.

Wenn der PC zunehmend zum Abspielgerät für öffentlich-rechtliche Programme und das Fernsehgerät tendenziell eher abgeschafft wird, wird natürlich eine Gebühr fällig. Die Diskussion über die PC-Gebühr scheint mir sehr hysterisch zu sein. Die Gebühr trifft gerade mal 40.000 Nutzer. Der überwiegende Teil der Unternehmen – auch des Mittelstandes – muss entgegen der großen Kampagne keine zusätzlichen Gebühren zahlen. Die Hysterie beruht auf bewusste Falschinformationen mancher Verbände.

Von Seiten der Privaten wie auch von der Politik wird häufig gefordert, dass ARD und ZDF, damit es eine saubere Trennung zwischen Gebühren- und Werbefinanzierung, auf Werbeeinnahmen verzichten sollen.

Das wird vielleicht irgendwann kommen. Aber es ist auch eine Frage der Entwicklung. Wenn Sportrechte z.B. noch teurer werden, sind sie ohne Werbefinanzierung nicht mehr zu kaufen. Vorstellbar wären auch andere Modelle, nach denen die Öffentlich-Rechtlichen nur noch um Großereignisse wie die Fußball-WM oder Olympische Spiele etc. werben.

Die Privaten fangen jetzt auch an, gemeinsam mit dem Satellitenbetreiber Astra Gebühren erheben zu wollen. Ist die Gebührenfinanzierung das kommende Modell?

Der Schuss könnte nach hinten losgehen. Klar ist es ein zusätzliches Finanzierungsinstrument von Satellitenbetreibern und privaten Sendern. Zum einen bestehen aber noch kartellrechtliche Probleme. Zum anderen könnten auch Kunden privater Programme sich durch finanzielle Belastung überfordert fühlen. Das würde den privaten Anbietern Reichweite kosten. Die Gebührenkritiker von einst werden jetzt zu Wegelagerern. So ändern sich die Zeiten!

Es gab ja auch große Bedenken, dass die öffentlich-rechtlichen Kanäle mitverschlüsselt werden, so dass die Zuschauer, die per Satellit sehen, ausgeschlossen werden.

Das war im Gespräch. Aber Astra hat uns zugestanden, dass wir unverschlüsselt bleiben. Öffentlich-rechtliches Programm ist per definitionem frei zugängliches Programm. Das ist nicht verhandelbar.

Das Gespräch führte Christian Thunig.