Was Markenverantwortliche über die neuen Top-Level-Domains wissen sollten

Das Internet, so wie wir es bisher kennen, wird sich in den nächsten Monaten grundlegend verändern. Voraussichtlich Anfang 2014 werden zahlreiche neue Domain-Endungen wie etwa .bio, .jetzt und lokale Webadressen wie .bayern, .ruhr oder .hamburg eingeführt. Sie werden das Such- und Surfverhalten der User grundlegend verändern. Einige von ihnen werden nach einer gewissen Lernphase sogar auf Augenhöhe neben den bekannten Top-Level-Domain-Endungen wie .de, .com, .net oder .org stehen.

Von Semra Körner

Die für die Verwaltung von Top-Level-Domains zuständige Stelle ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers), ließ in der letzten Bewerbungsphase rund 2.000 Anmeldungen für die neuen „generischen Top-Level Domains“ (gTLDs) zu, die auch Gattungsbezeichnungen wie .shoes, .music oder .book beinhalten sowie markenspezifische Bewerbungen mit Endungen wie .ADAC, .BMW oder .eBay.

Noch unbekanntes Terrain

Während .de in Deutschland als die bekannteste Web-Adresse erhalten bleibt, sind die neuen Endungen ein noch unbekanntes Terrain in der Geschichte des Internets. Werden die neuen gTLDs beliebter als .de? Werden sie überhaupt für Interesse sorgen? Werden sie sich nur in bestimmten Bereichen oder Industriezweigen durchsetzen? Es ist nicht abwegig in Betracht zu ziehen, dass z.B. die Unterhaltungsindustrie diese Gelegenheit ergreift um Endungen wie .movie oder .music vorrangig als Web-Adressen zu verwenden.

Wie dem auch sei, Ungewissheit ist keine Entschuldigung dafür, unvorbereitet zu sein. Gerade Markenverantwortliche, Marketing- oder Kommunikationsleiter müssen sich vor Augen halten, dass die neuen Endungen viele Veränderungen mit sich bringen, die den herkömmlichen User betreffen und somit auch die eigene Online-Markenstrategie beeinflussen. Und wer sich bisher noch keine Gedanken darüber gemacht hat, der sollte dies schnellstmöglich tun. Die zwei grundlegenden Fragen zur Planung einer digitalen Strategie lauten: Inwieweit betrifft mich die Einführung mehrerer hundert neuer Endungen? Und: Warum sollte mich das zukünftig veränderte Userverhalten kümmern?

Wie suchen User nach Produkten oder Dienstleistungen?

Fangen wir damit an, wie Kunden oder andere Unternehmen nach bestimmten Waren oder Serviceleistungen suchen. Damit ist jetzt nicht von einer Suchmaschinenoptimierung (SEO) die Rede, sondern vielmehr die Tatsache, dass Nutzer beim gegenwärtigen System davon ausgehen, die besten Informationen über Marken und Produkte für den deutschen Markt unter einer .de Adresse zu finden.

Die neuen gTLDs jedoch haben das Potential dies für immer zu ändern. Ein Kunde sucht beispielsweise nach Informationen über ein Hotel. Dann versucht er es demnächst vielleicht eher mit hamburg.hotel als sich durch eine .de bzw. .com-Adresse einer bekannten Hotelkette oder eines Reiseziels zu navigieren, um von dort aus weiter zu suchen. Und wenn er auf der Suche nach Restaurants in Hamburg ist, versucht er es vielleicht eher mit restaurants.hamburg als mit einer allgemeinen Googlesuche.

Vor diesem Hintergrund und wenn diese Adressen wirklich eingeführt werden, sollte man ernsthaft überlegen als Erster oder einer der Ersten sein Unternehmen, seine Produkte und Services mit den entsprechenden Adressen zu registrieren. Wenn beispielsweise .golf eine beliebte Endung wird, möchte niemand der einzige Golfplatz ohne eine .golf-Adresse sein oder der Hersteller von Golfausrüstung, der seine optimale Adresse an einen Mitbewerber verliert.

Die neuen Adressendungen: Chancen für KMU

Die neuen Endungen bieten die Möglichkeit eine neue und einprägsame Web-Adresse zu generieren, die eine Vermarktung unterstützt und dem Unternehmen die Möglichkeit bietet, sich noch stärker zu positionieren. Das erste Mal seit der Einführung von .de, haben Unternehmen die Möglichkeit eine Adresse zu kreieren, die den Kunden im Gedächtnis bleibt. Denn dieses Mal kann der Raum vor und nach dem Punkt genutzt werden. Mit Einführung der neuen gTLDs bieten sich neue Möglichkeiten für Unternehmen und Vermarkter auf deutlich weniger kostspielige Adressen auszuweichen.

Unternehmen müssen ihre Markteinführungs- oder Marketingstrategie nicht mehr ändern, nur weil ihre optimale Adresse nicht verfügbar ist, zu viel kostet oder beispielsweise im Besitz eines begeisterten Fans ist. Kleine und Mittelständische Unternehmen oder auch Startups können in höchstem Maße von den gesteigerten Möglichkeiten und geringeren Kosten profitieren. Die von ihnen gewünschte .de-Adresse war vielleicht nicht verfügbar oder die Sekundärmarktkosten waren übermäßig hoch. Dies hielt sie bisher davon ab blumen.de zu besitzen, aber dafür könnten sie zukünftig ganz einfach einen Shop unter blumen.shop eröffnen. Die neuen gTLDs bieten eine noch größere Auswahl an Alternativen und Beständen. Eine Wahl zu haben ist in der hektischen und sich ständig verändernden Welt des Internets von Vorteil.

Vorteile SEO- nach dem Punkt oder vor dem Punkt?

Bevor die erste neue TLD überhaupt verfügbar sein wird, hat Matt Cutts, Search-Experte bei Google, bereits verlauten lassen, dass die neuen Endungen sehr wohl einen Einfluss auf die Suchmaschinenwirkung haben werden. Wie dieser Einfluss aussehen wird, ist noch nicht klar. Doch da Google selbst Anwärter für mehrere neue Endungen (darunter .search, .lol, .page, usw) ist, kann man davon ausgehen, dass der Suchmaschinengigant ein großes Eigeninteresse daran hat, die neuen Endungen in seinem Suchalgorithmus zu berücksichtigen. Auch hier ist wieder die Aufmerksamkeit primär regionaler Unternehmen gefragt: Denn bekanntlich ist bei der lokalen Suchmaschinenoptimierung die Einblendung von Unternehmen mit lokalem Bezug wahrscheinlicher als ein geringer lokaler Bezug.

Wer also Inhaber neuer Domains unter einer der neuen lokalen Endungen wie hotels.hamburg ist, könnte Vorteile bei der lokalen Suchmaschinenoptimierung haben. Es bleibt spannend, wie die Suchmaschinen in absehbarer Zeit auf den Anstieg der Webendungen mit Features wie „Suche mit Endungen“ reagieren. Haben sich die Kunden erst an die Anfrage mit .reise oder .books gewöhnt, werden sie diese sehr wahrscheinlich gezielter als eine herkömmliche allgemeine Suchanfrage starten. Dies wird über kurz oder lang unmittelbare Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie Waren und Services für Webnutzer vermarktet werden müssen.

Über die Autorin: Semra Körner ist Pressesprecherin bei der weltweit agierenden Domainhandelsbörse Sedo.