Was bringt der „verlängerte Vertriebsarm“?

Viele Kunden sehen im B-to-B-Bereich das Hauptmanko der vertrieblichen Betreuung. Dies gilt besonders für die B- und C- Kunden. Vielleicht sind einige der B- und C- Kunden aber die A- Kunden von morgen? Können in dieser Situation Vertriebsdienstleister helfen? Walter Kapp war viele Jahre Vertriebsleiter, bevor er auf die Dienstleisterseite wechselte. Für ihn überwiegen die Chancen.

Viele Vertriebsleiter kennen das Problem: Die Chefetagen der Unternehmen bauen die Kapazitäten im Vertrieb ab, was zu der Konsequenz führt, dass B- und C- Kunden die hohen Besuchskosten kaum rechtfertigen. Das Fatale an dem Schnitt: Vielleicht sind einige der B- und C- Kunden ja doch mögliche A- Kunden. Vielleicht würde es sich ja lohnen, einen Vertriebsdienstleister einzubinden und die B- und C- Kundenbetreuung in Form eines verlängerten Vertriebsarmes (Extended Sales Force) an einen externen Anbieter auszulagern. Die Vorteile lägen auf der Hand: Er könnte am Markt im Namen des Auftraggebers auftreten und sich in alle Geschäftsprozesse einschalten. Die ausgelagerte Vertriebseinheit könnte die Umsatzverantwortung für die betreuten Kunden übernehmen. Damit kann

  • … sich der eigene Außendienst auf klar definierte A- und B- Kundensegmente fokusieren und die Potenzialausschöpfung in diesem Segment signifikant erhöhen.
  • … sich die Umsatzausschöpfung der B- und C- Kunden deutlich besser verbessern und die Transparenz in diesem Kundensegment erhöhen, so dass Unternehmen Kunden mit zukünftigem Potenzial frühzeitig erkennen.
  • … lasst sich die ausgelagerte Vertriebseinheit über Zielvereinbarungen steuern. Sie kann mit der Organisation des Auftraggebers Hand in Hand arbeiten und zum Beispiel ausgebaute Kunden an den Außendienst übergeben.
  • … können die Auftraggeber über Best Practice Sharing an einer ausgeklügelten Vertriebssystematik sowie an Erfolgskonzepten aus anderen Branchen partizipieren und einen Benchmark zum eigenen Vertrieb aufbauen.
  • … der ausgelagerte Vertrieb – im Gegensatz zu Handelsvertretern – exklusiv für einen Auftraggeber arbeiten. Gebietsschutz, Kundenschutz oder Projektschutz existieren nicht.

Wann ist der Einsatz eines ausgelagerten Vertriebs sinnvoll?
Grundsätzlich lässt sich der Vertrieb nahezu in jeder Branche auslagern, vorausgesetzt es handelt sich um ein Standardprodukt- oder Systemgeschäft mit Standardware. Zudem sollte es sich bei der Branche um eine hohe Anzahl von Kunden beziehungsweise POS (Point of Sales) handeln. Dies gilt auch für erklärungsbedürftige Produkte, sowohl im Direktgeschäft als auch im mehrstufigen Vertrieb.

Abbildung 1: AUFGABENVERTEILUNG IN DER ZUSAMMENARBEIT

Ebenso ist die Vertriebsauslagerung bei der Betreuung neuer oder vernachlässigter Kundensegmente, beim Eintritt in neue Vertriebsgebiete/neue Märkte oder der Einführung neuer Produkte, die nicht zum Portfolio des existierenden Vertriebs passen, eine gewinnbringende Alternative. Mangelnde interne Ressourcen lassen sich ausgleichen und die Umsetzungsgeschwindigkeit und Flexibilität erhöhen.

Wo liegen die Chancen der neuen Service-Formate?
Der Nutzen für den Auftraggeber liegt in höheren Umsätzen, geringeren Vertriebskosten, in einer schlanken Verwaltung und in der geringeren Kapitalbindung. Dabei ist die Idee, den Vertrieb auszulagern nicht neu. Viele Branchen arbeiten mit Handelsvertreterorganisationen. Relativ neu in Deutschland ist allerdings die Form, den Vertrieb als virtuellen Teil der eigenen Organisation auszulagern. In der USA sind solche Formen der Auslagerung längst etabliert. So ist es nicht verwunderlich, dass gerade amerikanische Unternehmen aus der IT/TK Branche diese Form des Vertriebsauslagerung in Deutschland zunehmend nutzen, um ihrer Marktposition zu verbessern.

Ein Beispiel zur Betreuung von B- und C-Kunden. Ein Unternehmen aus dem medizinischen Bereich vertreibt seine Produkte über circa 3000, meist eigenständige Fachhändler in Deutschland. Ziel ist es, den Marktanteil weiter auszubauen. Dabei betreut der eigene Außendienst hauptsächlich die A- und einen Teil der B- Kunden. Eine Analyse zeigt, dass sich die B- und C- Kunden ungenügend vom Hersteller betreut fühlen und deshalb lieber beim Wettbewerb ordern. Das Umsatzpotenzial der B- und C- Kunden rechtfertigt keinen regelmäßigen Außendiensteinsatz. Die Lösung: mit den Fachhändlern im B- und C- Kundensegment eine intensive Kundenkommunikation hauptsächlich über das Telefon aufzubauen, und diese mit selektiven Außendiensteinsätzen zu kombinieren. Schon nach 2 Monaten zeigen sich merkliche Umsatzeffekte. Die anfängliche Skepsis, ob eine erfolgreiche Vertriebsbetreuung bei komplizierten medizinischen Produkten über Telefon erfolgen kann, weicht.

Wie lässt sich ein ausgelagerter Vertrieb integrieren?
Die Lösung ist so individuell wie das Unternehmen des Auftraggebers. Aus diesem Grund hat sich eine mehrstufige Analyse als Entscheidungsbasis für die Auslagerung bewährt. In der ersten Stufe sollten Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette im Vertrieb analysieren und daraus Möglichkeiten zur Wertsteigerung ermitteln. Dabei gilt es beispielsweise folgende Fragen zu beantworten: Ist die heutige Einteilung der Verkaufsgebiete noch gerechtfertigt (nicht immer ist eine Einteilung nach Regionen sinnvoll)? Wie lange dauert ein typischer Verkaufsprozess von der Identifikation bis zum Abschluss? Nach welchen Kriterien werden rechtzeitig profitable Kunden von unrentablen getrennt? Wird der Kundenwert ermittelt und die Einteilung in Kundengruppen darauf ausgerichtet? Welche Einsparpotenziale sind erkennbar?

In der zweiten Stufe sollten Unternehmen ein maßgeschneidertes Vertriebsmodell entwickeln, das die gefundenen Wertschöpfungstreiber aus der ersten Stufe bewertet und diese mit Zielgrößen hinterlegt. Auf dieser Basis lässt sich eine Kosten-Nutzen-Rechnung (ROI Rechnung) erstellen, die als Entscheidungsgrundlage für die Implementierung dient. Der Return of Invest (ROI) bewegt sich typischerweise zwischen 6 und 10 Monaten.

Abbildung 2: TYPISCHE ROI (RETURN OF INVEST) – KURVE

Die Umsetzung erfolgt über eine intensive Abstimmungsphase die sicherstellt, dass die Entscheider alle Prozesse betrachten. Dadurch kann der ausgelagerte Bereich zu einem verlängerten Arm des eigenen Vertriebsapparates werden und als virtueller Teil der eigenen Unternehmens-Organisation agieren. Je nach Aufgabe erfolgen die Aktivitäten aus einer optimierten Kosten/Nutzen- Berechnung. So lassen sich zum Beispiel B- und C-Kunden hauptsächlich über das Telefon betreuen. Die Kosten für diesen virtuellen Kundenbesuch betragen circa 1/20 des Außendienstbesuchs. Roadshows, Direktmarketingaktionen sowie gelegentliche Außendiensteinsätze lassen sich unterstützend einsetzen und kostenoptimiert abstimmen.

Vertriebsmitarbeiter am Telefon müssen die gleichen verkäuferischen Voraussetzungen mitbringen wie ein Außendienstmitarbeiter. Allerdings wird von vielen Auftraggebern das notwendige technische Know-how überschätzt. Oftmals ist zu viel technisches Know-how sogar eher hinderlich. Viel wichtiger sind die verkäuferischen Fähigkeiten, eine gute Systematik und ständiges Training. Theoretisch könnte der in vielen Firmen vorhandene Vertriebsinnendienst diese Funktion wahrnehmen. Doch die Praxis zeigt, das Innendienstmitarbeitern auf Grund anderer Aufgaben die Zeit und oft auch das verkäuferische Geschick dafür fehlen.

Verstriebsprofis sind versiert, wichtige Informationen am Telefon zu ermitteln und erkennen das Buying Centers mit den relevanten Ansprechpartnern – oftmals die „Achillesferse“ bei der Leadgenerierung. Nach einem telefonischen Erstkontakt, in dem sie den potenziellen Kunden qualifizieren, das Potenzial analysieren und das Kundenprofil ermitteln, legen sie das weitere Vorgehen fest: Erfolgsversprechende Kunden werden in einen systematischen und kontinuierlichen Betreuungsprozess überführt, alle ermittelten Daten kontinuierlich aufbereitet und in eine CRM-Lösung integriert. Auf Basis dieser Daten lässt sich die Vertriebssystematik und die Vorgehensweise fortlaufend optimieren.

Abbildung 3: TYPISCHER BETREUUNGSPROZESS MIT FEEDBACKSCHLEIFE

Über diesen Vertriebsansatz lassen sich, je nach Branche, circa 200 bis 300 Kunden pro Vertriebsmitarbeiter aktiv und intensiv betreuen. Dabei können sie, analog dem Außendienst, eine intensive 1:1 -Beziehung zu ihren Kunden aufbauen. Im Unterschied zu einem Call Center geht es bei diesem Vertriebsansatz nicht um eine anonym geführte Anzahl von Telefongesprächen, sondern um den Aufbau einer intensiven und persönlichen Kundenbetreuung bei voller Umsatzverantwortung.

Fazit: Die Einbindung eines Vertriebsdienstleisters mit kosten/- nutzenoptimierten Vertriebsmethoden eröffnet neue Chancen, Kunden- und Marktpotenziale auszuschöpfen – und das bei geringem Risiko und nminimalen Investitionen.

eingestellt am 24. August 2005

Autor:
Walter Kapp ist Mitglied der Geschäftsführung bei der Suxxeed Sales for your Success GmbH (www.suxxeed.de), einem auf Vertriebs-Outsourcing spezialisierten Dienstleister im B to B Bereich. Als Vertriebsleiter baute er jahrelang erfolgreich Vertriebsabteilungen auf. Sein Know-how gab er als Vertriebstrainer weiter.