Bunt, laut, belanglos? Warum RTL Zwei mit seiner Wahlkampagne am Ziel vorbeischießt

RTL Zwei ruft zur Wahl auf – mit sattem Beat, schriller Optik und lockeren Sprüchen. Die Idee ist gut, doch die Wirkung fraglich.
RTLzwei_Wahltraut2_Foto_RTLzwei
Eine KI-Oma mit Ghettoblaster – die Zielgruppe ist unverkennbar. (© RTL Zwei)

Berlin Tag und Nacht, Hartz und Herzlich, die Geissens – RTL Zwei ist ein Sammelbecken des Reality TVs. Eigentlich ein Programm zum Abschalten. Doch mit seiner neuen Kampagne „Stimm für mehr“ möchte der Fernsehsender aktiv zur Bundestagswahl am 23. Februar aufrufen. Der Kampagnentrailer wurde bereits vorab auf der Website und auf YouTube veröffentlicht.  

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Starke Bilder, schwache Message 

Eine KI-Oma mit Ghettoblaster und buntem Trainingsanzug, dazu knallpinke Animationen über einem lässigen Beat – die Zielgruppe ist unverkennbar, junge Wähler*innen. Eine relevante Gruppe, da sie statistisch weniger wählt, aber eine entscheidende Aussage fehlt dabei.  

Wählen gehen schön und gut, doch für wen oder was? In der Pressemitteilung führt das Unternehmen die Werte “Vielfalt, Inklusion und Toleranz”, im Werbespot sind sie allerdings nur kurz am Ende zu sehen und werden nicht explizit genannt. Dabei gehören sie zu den Basiswerten der Demokratie und sind durch das aktuelle Erstarken rechtspopulistischer Stimmen so bedeutend wie nie.  

Gerade für die junge Zielgruppe wäre eine Sensibilisierung für demokratische Grundprinzipien wünschenswert. Über die sozialen Medien sind junge Menschen verstärkt mit Falschinformationen, Hass und Hetze konfrontiert. Hier fehlt der Kampagne eine klare Kante gegen Demokratiefeindlichkeit.  Allein zur Stimmabgabe aufzurufen ist unzureichend.  

Authentizität sieht anders aus 

Und das ist nicht das einzige Defizit, dass im Trailer auffällt. “Waltraut” – so heißt die KI-Dame – tanzt in hipper Kleidung. RTL Zwei spielt bei dem Avatar eindeutig mit Stereotypen, kontradiktorisch zu ihrem vielfältigen Wertebild. Mit seinen Reality-Formaten strotzt der Sender auch sonst nicht gerade vor Inklusion und Diversität.  

Dazu gesellen sich leere Floskeln in den Trailer. Der Satz “Deine Stimme zählt mehr denn je” ist nur eine euphemistische Behauptung ohne Halt. Das “Mehr” im Kampagnenslogan bleibt durchgehend undefiniert. Die demokratischen Werte verpasst man, wenn man versehentlich wegschaut. 

Gesamt wirkt der Wahlaufruf beliebig – und das könnte eventuell kontraproduktiv sein. Jugendliche wünschen sich im politischen Diskurs mehr Ernsthaftigkeit. Das merkten unter anderem Schüler*innen zuletzt bei einer Debatte im O2 Telefónica Basecamp letztes Jahr an. Mit schnellen Schnitten und bunten Farben dafür zu werben, “ganz chillig” seine Stimme abzugeben wird diesem Wunsch kaum gerecht.  

RTL Zwei will, dass mehr Menschen wählen. Aber wofür? Die Antwort bleibt vage – und damit verpufft die Wirkung. Politische Partizipation kann nur auf demokratischer Basis stattfinden. Doch in Zeiten, in denen diese Basis immer undeutlicher wird, verpasst die Kampagne die Chance sich klar zu positionieren und für ein demokratisches Miteinander einzustehen.  

Maurice Mühlberg (mm, Jahrgang 2003) ist seit August 2024 Werkstudent bei der absatzwirtschaft. Geboren und aufgewachsen nahe Leipzig, widmet er sich nun dort seinem Politikwissenschaftsstudium. Er ist zudem ehrenamtlich als Ressortleiter im Wissenschaftsressort der Leipziger Hochschulzeitung „luhze“ aktiv und beschäftigt sich als Autor viel mit dem Thema Nachhaltigkeit. Neben dem Schreiben ist er begeisterter Musiker.