Warum Marken uns anlachen

Erfolgreiche Werbung muss kein Zufallsprodukt sein. Erkenntnisse aus der Neuroforschung helfen, Werbung und Mediaplanung effektiver zu gestalten. Als effiziente Methode zur Erforschung der Reaktionen auf Werbemaßnahmen hat sich die Steady State Topography bewährt.

Von Sybille Wahrenberger

„Guten Tag, ich begrüße Sie recht herzlich zu unserer Neurostudie. Wie ich sehe, haben Sie eine Einkaufstüte dabei … Dürfte ich da mal reinschauen?“, begrüße ich eine Frau mittleren Alters, die als Probandin an der bislang zweiten Omnibusstudie „impact:navigator“ des Mediaplus Geschäftsfelds MP neuro:impact teilnimmt. „H-Milch, Salzstangen, Schwarzbrot … Ach, und Joghurt von Alpentraum. Warum denn gerade Alpentraum?“, frage ich sie. „Hm, eigentlich bin ich da nicht festgelegt, aber der hat mich heute einfach angelacht.“ Angelacht? Habe ich noch nie gesehen – ein Joghurt, der den Konsumenten vom Regal aus zulacht. Oder wie war das nun gemeint?

Antworten wie die unserer Probandin sind typisch, insbesondere dann, wenn sie nach ihrem Kaufverhalten von Low- interest-Produkten befragt werden. Oftmals lassen sich nur schwer Erklärungen dafür finden, auf welchen rationalen Faktoren eine Entscheidung beruht. Denn sehr häufig sind es die Bauchentscheidungen, oder mit den Worten unserer Probandin: Situationen, in denen Konsumenten plötzlich von einem bestimmten Produkt „angelacht“ werden, ohne dass ein konkreter und den Konsumenten bewusster Grund dafür vorliegt.

Die Basis menschlicher Entscheidungen ist allerdings selten vom Zufall geprägt, sondern hängt vielmehr mit komplexen impliziten Verarbeitungsprozessen zusammen. Viele Studien haben bereits gezeigt, dass ein Großteil der vom Menschen aufgenommenen Informationen implizit erfolgt, was zur Folge hat, dass auch eine implizite Verarbeitung stattfindet, die wiederum zu impliziten Verhaltensweisen führt. Dem Konsumenten ist damit oft keine bewusste Reproduktion einer Produktwerbung möglich, und dennoch wird die beworbene Marke mit den darin kommunizierten Images assoziiert.

Postwendend stellt sich darauf hin die Frage, welche Metho- den uns Aufschluss darüber geben können, wie stark implizit aufgenommene Reize vom Konsumenten verarbeitet werden und welchen Einfluss sie auf sein Kaufverhalten nehmen. Mit der neuronalen Methode „Steady State Topography“ (SST) wird dieser Fragestellung nachgegangen, indem die Gehirnaktivität von Probanden gemessen wird, während sie mit unterschiedlichen Werbeinhalten konfrontiert werden. In zahlreichen vorausgegangenen Studien konnte belegt werden, dass erhöhte Aktivitäten in spezifischen Hirnarealen zu einer erhöhten Markenpräferenz führen. Anwendung findet die SST-Methode sowohl in klinischen als auch marketingrelevanten Bereichen.

Internationale Aufmerksamkeit nimmt zu

Dass Neuromarketing kein momentaner und schnell wieder vergehender Trend ist, sondern vielmehr ein Thema, das immer mehr Befürworter findet, zeigt die steigende Anzahl von Interessenten aus der Werbebranche. In den vergangenen drei Jahren konnten bereits zahlreiche Werbekampagnen mithilfe der neuronalen Methode des Mediaplus Geschäftsfelds MP neuro:impact optimiert werden.

Nicht nur in Deutschland kommt der SST-Methode des australischen Hirnforschers Prof. Richard Silberstein mehr Aufmerksamkeit zu, sondern auch international. So wurden das Verfahren und die damit bereits erzielten Erkenntnisse in diesem Jahr von der Advertising Research Foundation mit dem goldenen „Great Mind Award“ in der Kategorie „Innovation“ ausgezeichnet für die innovative Anwendung der Neu- rowissenschaft im Bereich der Marketingkommunikation. Von der Jury wurde besonders der kontinuierliche Beitrag zur Untersuchung der Verknüpfung zwischen neuronalen Messungen und Verbraucherverhalten hervorgehoben.

Auf das Verhalten von Verbrauchern zahlt auch die jährlich durchgeführte Omnibusstudie des Mediaplus Geschäftsfelds MP neuro:impact ein. Für den so genannten impact:navigator I wurden knapp 600 Probanden in ein Teststudio eingeladen, wo sie mit Elektrodenkappen und einem SST-Visor ausgestattet wurden. In über 70 Testrunden wurden dabei sieben bis zehn Probanden gleichzeitig mit verschiedenen TV-Programmen und entsprechenden Werbeblöcken konfrontiert. Insgesamt sahen die an der Studie teilnehmenden Personen rund 59 TV-Umfelder sowie 37 TV-Spots und Trailer.

Von jedem einzelnen Probanden wurden die Hirnströme an 20 Messpunkten über knapp 60 Minuten hinweg millisekundengenau aufgezeichnet und im Rahmen der Datenanalyse bestimmten Gehirnregionen zugeordnet, die im Verlauf der rezipierten TV-Programme und Werbespots besonders hohe Aktivitäten aufwiesen. So konnten Rückschlüsse bezüglich kundenspezifischer Fragestellungen gezogen werden, wie emotional beispielsweise ein Trailer wirkt oder wie stark die Encodierung zum Zeitpunkt des Brandings innerhalb einer bestimmten Zielgruppe war.

Neuroforschung für die strategische Mediaplanung

Der umfangreiche, dieser Studie zugrunde liegende Datenpool erlaubte aber nicht nur kundenspezifische Analysen. Er eröffnete auch die Möglichkeit, einen übergeordneten Blickwinkel einzunehmen, um Phänomenen nachzugehen, die eine breitere Masse ansprechen würden als einen einzelnen Kunden und dessen spotbezogenes Interesse. Die zahlreichen werberelevanten Erkenntnisse, die diese Studie zutage brachte, werden in der absatzwirtschaft-Studie „Wie innovative Neuroforschung Werbung effektiver macht“ im Detail erläutert und mit Hintergrundinformationen angereichert.

Auch die strategische und die taktische Mediaplanung gehören zum Einsatzgebiet der Neuroforschung: So lässt sich mit SST beispielsweise analysieren, in welchem TV-Umfeld ein Werbespot am besten wirkt oder welches Key-Visual des TV-Spots optimalerweise für die begleitende Printkampagne ausgewählt werden sollte. Über die Werbeumfelder verschiedener Mediengattungen lassen sich ebenfalls Aussagen treffen: Emotionalisierende Kampagnen werden in emotionalen Umfeldern noch stärker verarbeitet. Eine stärker rational verarbeitete Werbemaßnahme wird im Rahmen eines rationalen Umfelds stärker encodiert.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Spot, der emotionale Aufmerksamkeit erzeugen soll, seine Wirkung in einem rationalen Werbeumfeld nicht voll entfalten kann. Die Analyse verschiedener TV-Spots und Umfelder und somit die Beantwortung der Frage, welches Umfeld optimal zu einer Werbung passt, sind daher eine hoch relevante sowie spannende Einsatzmöglichkeit für SST.

Weitere Felder, die mit SST bereits untersucht wurden, sind Product Placement und Sponsoring. SST hilft dabei zu erkennen, an welcher Stelle im Programm ein Logo oder Produkt am besten wirkt und wo es möglicherweise nur einen geringen Effekt hat. Mittelfristig hat dies auch Auswirkungen auf die Erfolgsmessung, da bisher die Sekundenzahl der Logopräsenz der wichtigste Erfolgsfaktor war.

Effizienzsteigerung von Mediabudgets

Auch bei der Steigerung der Effizienz zur Verfügung stehender Mediabudgets zeigen sich Einsatzmöglichkeiten der Methode auf. Durch neuronale Pretests kann die optimale Länge oder das ideale Format einer Werbung bestimmt werden. Hat ein 20-sekündiger Spot die gleiche Wirkung wie ein 30-sekündiger Spot? Wenn ja, gibt es möglicherweise keinen Grund, den längeren Spot zu schalten. Derartige Informationen haben für die Mediaplanung einen enormen Wert. Durch reduzierte Schaltkosten eines kürzeren Spots können Werbebudgets in größere Reichweiten investiert oder die Anzahl der Kampagnenkontakte mit den Zielpersonen erhöht werden.

Sicherlich ist es möglich, vielen dieser Fragen auch mit klassischen, zumeist expliziten Methoden nachzugehen. Schlussendlich sind wir damit aber nur begrenzt in der Lage erklären zu können, wieso ein Proband beispielsweise ein Produkt als überaus positiv bewer- tet, es aber doch nicht kauft. Die wahren Treiber unserer (Kauf-)Entscheidungen entziehen sich fast gänzlich unserem Bewusstsein und können demnach auch nur bis zu einem gewissen Grad verbalisiert werden.

Durch die Ergänzung klassischer Forschungsmethoden mit impliziten neurowissenschaftlichen Verfahren wie der SST-Methode ist es möglich, unterschiedliche Einf lussfaktoren herauszufiltern. Damit können Fragen zur Stärke der Abspeicherung von Informationen, zur Aufmerksamkeitsstärke der Ansprache, zur persönlichen Relevanz oder auch zur emotionalen Intensität der Werbemaßnahme beantwortet werden, die unsere (Kauf-)Entscheidungen maßgeblich beeinflussen. In zahlreichen Studien der vergangenen Jahre konnte MP neuro:impact aufzeigen, dass klassische Marktforschungs- methoden in Kombination mit dem neurowissenschaftlichen SST-Verfahren einen wichtigen Mehrwert schaffen, um Werbemaßnahmen zu optimieren und so den Absatz eines Produkts langfristig anzukurbeln.

Kritiker befürchten, dass durch den Einsatz neuronaler Forschungsmethoden aus Konsumenten willenlose Markenanhänger gemacht werden können. Das ist auf keinen Fall möglich. Wenn jemand keinen Joghurt mag, wird er sich auch durch einen mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen optimierten TV-Spot nicht umstimmen lassen.