Warum High-Tech von heute günstiger ist als Low-Tech von gestern

Früher einmal arbeitete der Drucker mit Nadeln, dann später mit Tinte. Günstig waren die Geräte nicht. Heute sind Drucker Multifunktionsgeräte und günstiger als ihre einfachen Vorgänger. Dirk Songür von Razorfish Deutschland erklärt, wie das zustande kommt
Dirk Songür (© Razorfish Deutschland)

Gastbeitrag von Dirk Songür, Head of Technology bei Razorfish Deutschland

Für Technologie aller Art gilt eine einfache Regel: High-Tech von heute ist günstiger als Low-Tech von gestern. Das klingt erst einmal seltsam, da wir gewohnt sind, dass Dinge günstiger werden, je ausgereifter und länger sie verfügbar sind. Autos, Fernseher, Telefone, Kühlschränke, Spülmaschinen – sie alle wurden im Laufe der Zeit immer leichter zugänglich und erschwinglich, bis sie heute nahezu allgegenwärtig sind. Jede dieser Technologien hatte eigene evolutionäre Sprünge und Neuerfindungen: vom Röhrenbildschirm über LCD bis zu OLED; vom Telefon über das Mobiltelefon zu Smartphones und Wearables. In der Regel macht ein Technologiesprung innerhalb einer Kategorie den bisherigen Ansatz überflüssig.

Haben Sie kürzlich einen Drucker gekauft?

In der „guten, alten Zeit“ haben Drucker nur gedruckt: zunächst mit Nadeln, später mit Tinte und dann mit Licht. Sie hatten ein oder zwei Tasten – zum Anschalten und vielleicht für einen Reset – und das war es auch schon. Heutzutage sind Drucker mit farbigen Touchscreens ausgestattet. Sie drucken, faxen und kopieren, haben Anschlüsse für Netzwerk, USB und Wi-Fi, sowie eine Menge anderer toller Funktionen. Das Überraschende: Alle günstigen Drucker haben eine solche Ausstattung. Heutzutage ist ein Drucker, der nur drucken kann, teurer als diese Multifunktionswunder.

Alles, was digital sein kann, wird digital

Der Grund? Technische Komponenten skalieren in der Produktion. Um eine größtmögliche Skalierung zu erzielen, werden einzelne Komponenten nicht nur in einer Produktkategorie verwendet, sondern mit mehreren geteilt. Das heißt, Elektronikteile aus dem Smartphone werden z.B. auch in Fernsehern, Autos, Kühlschränken oder anderen Haushaltsgeräten verwendet. Je größer die Skalierbarkeit ist, die man als Hersteller erzielt, desto günstiger wird die Produktion jeder einzelnen Komponente und damit das jeweilige Endprodukt.

Darum bieten Technologie-Giganten wie Samsung eine solch große Bandbreite von Endgeräten an. Wird eine Komponente in einer Produktgruppe hinfällig, so ersetzt man sie auch in allen anderen Produkten, um wieder eine größtmögliche Skalierung zu erzielen. Das bedeutet: Die günstigen Drucker haben die jeweils gängige Technologie aus Smartphones verbaut. Touchscreens, Netzwerk, USB, Wi-Fi – all das bringt ein bereits entwickeltes und millionenfach produziertes Innenleben für Smartphones bereits mit. Eine erneute Eigenentwicklung für einen Drucker, der nur druckt, wird dadurch zu einem Luxus.

Endlos viele smarte Geräte

In letzter Konsequenz können deswegen auch unsere Kühlschränke im Netz surfen und uns Nachrichten aufs Handy schicken. Unser Herd fängt auch schon damit an und so kommen Zug um Zug immer mehr Haushaltsgeräte hinzu. Alles, was digital sein kann, wird digital. Und alles, was digital ist, wird noch digitaler. Diese Entwicklung setzt sich bis zu dem Punkt fort, an dem alles digital miteinander verbunden ist. Ein Phänomen, das unter dem Begriff „Internet of Things“ bekannt ist.

An dieser Stelle könnte man argumentieren, dass niemand einen smarten Kühlschrank, Stuhl, Kaffeebecher oder Rasierapparat braucht. Diese Diskussion ist jedoch hinfällig, denn all diese Endgeräte (und viele mehr) werden aufgrund des Skalierungseffekts automatisch Wirklichkeit werden. Smartphones und andere, von Hause aus digitale Endgeräte, geben das Tempo vor und die alltäglichen Gegenstände folgen in ihrem Kielwasser, da überall die gleichen Komponenten verwendet werden. Mit anderen Worten: Ökonomie übergeht die Sinnfrage einfach. Eine bessere Frage ist: Wie gestalten wir als Gesellschaft diese digital-physikalische Zukunft und ihre Grenzen?

Dirk Songür ist seit 2013 Head of Technology bei Razorfish Deutschland und ist übergeordnet für alle Projekte und Kunden verantwortlich.