Warum der Verkauf der Washington Post eine gute Nachricht ist

Der Verkauf der Washington Post an den Amazon-Gründer Jeff Bezos reiht sich nahtlos in die Reihe der Mediennachrichten ein, die uns in letzter Zeit erreichen. Die Verlagsbranche steht am Scheideweg: Es ist nur noch nicht klar, welche Abzweigung genommen werden soll. Ist Journalismus nicht mehr finanzierbar und sollten Verlage ihre Geschäftsmodelle in Richtung vertriebsrelevante Internetservices drehen? Oder muss die journalistische Qualität weiter erhöht werden, um sich aus dem Meer der beliebigen Nachrichtenstücke abzuheben?

Ein Kommentar von Christian Thunig

Beide strategischen Ausrichtungen haben ihre Berechtigung. Weder sollte man beklagen, dass Axel Springer dem traditionsreichen Verlagsgeschäft mehr und mehr den Rücken dreht, noch sollte man Journalismus in den Untergang reden. Ganz im Gegenteil: Wenn die Welt nur noch aus PR bestehen würde (ein Zukunftsbild, das manche umtreibt), es würde einen geben, der wieder ein Medium erfinden würde, das recherchiert, filtert und schreibt.

Was bedeutet nun in dieser Gefechtslage der Verkauf der Washington Post an den weltgrößten Internet-Händler? Man könnte den Untergang des Abendlandes prognostizieren, denn ein Unternehmer, der Profite machen möchte, wie es aktuell in einem Zeitungskommentar zum Verkauf lautet, kann oder darf kein Medium betreiben. Wirklich? Sind Verleger Gutmenschen? Wollen Verleger keine Profite machen? Ganz im Gegenteil: Während andere Branchen sich längst von zweitstelligen Umsatzrenditen verabschiedet haben, hängen die Verleger häufig noch an der guten alten Zeit. Schlechte Verlagszahlen bedeuten mitunter einstellige Renditen. Vielleicht könnten gesunde Unternehmer und Unternehmen sogar eher eine freie Presse garantieren, da sie es sich zumindest leisten könnten, unabhängiger von Anzeigenkunden zu agieren.

Wertlose tendenziöse Berichterstattung

Auf der anderen Seite könnte Jeff Bezos die Washington Post nutzen, um PR in eigener Sache zu machen, Politik zu beeinflussen und eine eigene Agenda zu verfolgen. Das klappt aber nicht mal in Italien reibungslos. Ganz im Gegenteil: Bezos ist für nachhaltige Investments bekannt. Und er gilt als belesen und klug. Insofern hat er den Atem über viele Jahre eine defizitäre Zeitung zu halten, ähnlich wie seinerzeit Amazon, das lange keine Gewinne schrieb. Und man kann ihm Interesse an einem Qualitätsmedium unterstellen. Wenn er wirklich PR in eigener Sache machen wollte, könnte er direkter agieren. Eine altgediente Zeitung ist da im Zweifel viel zu umständlich. Außerdem ist er klug genug, um zu wissen, dass ein durch fortgesetzt tendenziöse Berichterstattung zerstörtes Medium wertlos ist.

Vielleicht sind solche Unternehmer sogar die Chance, um Qualitätsmedien zu „überwintern“. Denn es wird so kommen. Wenn viele in den Augen der Menschen wichtige und gute Medien verschwunden sein werden, wird es eine neue Konjunktur der Qualitätsmedien geben. Verlagshäuser, die die nächsten zehn Jahr überstehen, haben berechtigte Chancen, weiterbestehen zu können. Warum? Durch Marktbereinigung wird der Wert für gut recherchierte Informationen wieder steigen.

Bis dahin sind Finanziers und Finanzierungsformen gefragt, die unsere Medienvielfalt tatsächlich erhalten und die nachhaltig wirken. Die Finanzierung über Crowdfunding, wie es derzeit auf Startnext, Kickstarter und anderen Plattformen vermehrt erfolgreich passiert, ist da nur ein Baustein. Denn wenn die Begeisterung der Massen, über die Teilhabe an einer Publikation abnimmt, dann stehen doch wieder die gestandenen Unternehmer an der Front. Und Unternehmer, die zumindest zur Minute nicht vom Verlagsgeschäft leben, sondern ihr Standbein in lukrativen Märkten haben, könnten die Chance sein.

Finanzieren, was Sender sich nicht leisten

Dietrich Mateschitz, Red Bull-Gründer und Milliardär, ist ein vergleichbarer Fall: Während das von ihm initiierte und finanzierte Vollprogramm Servus TV noch einige der Red Bull-Events mitnimmt, aber ansonsten sehr hochwertiges Fernsehen macht, ist seine Zeitschrift Servus in Stadt & Land“ völlig frei von irgendwelchen leistungssteigernden Produkten aus dem Hause Red Bull. Im Gegenteil, sie passen nicht mal ins Konzept. Genauso verhält es sich mit seinem Wissenschaftsmagazin „Terra Mater“. Zudem hat sich Mateschitz noch ein anderes Geschäftsfeld eingearbeitet: er lässt TV-Dokumentationen machen, die er dann weltweit vertreibt – an Fernsehsender. Er kann Produktionen finanzieren, bei denen Sender sonst passen müssten. Umgekehrt kauft er übrigens für seinen TV-Sender Dokumentationen von der BBC. Zuletzt kaufte er noch einen Buchverlag. Fast schon drängt sich der Verdacht auf, dass je mehr sich Verlage von ihrem Kerngeschäft abwenden, desto mehr wenden sich erfolgreiche Unternehmer der Medienbranche zu.

Aber es gibt immer Unkenrufer, die befürchten, dass wenn beispielsweise ein Mateschitz die ganze Welt mit seinen Medien überzogen hat, er dann den Schalter umlegen könnte. Ja stimmt, aber bis dahin haben Leser erstklassige Publikationen genossen und es ist ein wenig Zeit gewonnen, wertvolle Zeit für die Neuordnung der reinrassigen Medienunternehmen.